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Samstag, 7. Juli 2018

The Mummy (1932)














SPIEGEL ONLINE Forum

"Lieblingsfilme - Was ist 'großes Kino'?"

03/2009




Gwynplaine:
Hmmm, habe irgendwie den Anschluß an unseren philosophischen Diskurs verpasst. Und wenn ich hier Stichwortsuche betreibe, finde ich, daß der große Boris Karloff definitiv zu kurz kommt. Und vor allem ist noch niemand näher auf "The Mummy" aus dem Jahre 1932 eingegangen. Und ich bin beinahe hilflos, wenn ich versuche in Worte zu fassen, warum mich dieser Film so verzaubert.

Gedreht hat ihn ein Kameramann, Karl Freund, der früher für F.W. Murnau (z.B. "Der letzte Mann") arbeitete und der auch Tod Brownings "Dracula" mit Bela Lugosi fotografiert hat.

Dies ist kein (...) Monster-Film - obwohl Karloffs Make-Up (als bandagierte und dann später als reinkarnierte Mumie), kreiert von Jack "Frankenstein" Pierce, gruselig genug war, um A.D. 1932 schauerlich zu wirken -, sondern eine Liebesgeschichte. Der wiedererweckte Hohepriester Imhotep sucht in Zita Johann seine reinkarnierte Liebe, und wenn Karloff sie mit ruhiger und trauriger Stimme beschwört: "Ankh-es-en-Amon, my love has lasted longer than the temples of our Gods. No man ever suffered as I did for you.", dann glauben wir dies und fühlen mit ihm. Die Rückblende entführt uns ins alte Ägypten, und diese Rückblende funktioniert, weil sie gefilmt ist wie ein Stummfilm, und belegt das Leiden Karloffs ("They broke in upon me and found me doing an unholy thing.")

Ich könnte erzählen und erzählen, aber ich beschränke mich auf drei Szenen, die mich besonders gefangennahmen.

Die Mumie erwacht zum Leben. Bramwell Fletcher, der darüber seinen Verstand verlieren wird, transkribiert die Schriftrolle, die dies bewirkt, die Kamera, auf Karloffs mumifiziertes Gesicht und Oberkörper gerichtet, registriert, wie sich unendlich langsam, fast unmerklich ein Auge öffnet und eine ebenso zeitlupenhafte Bewegung der Hand. Als nächstes sehen wir Fletcher, und die Hand der Mumie kommt ins Bild, um die Schriftrolle zu verlangen. Fletcher, hysterisch in Lachen ausbrechend: "He went for a little walk!"
 







 
 
Noble Johnson, damals Universals Standard-Mann für prägnante Nebenrollen, als nubischer Diener empfängt Karloff, der ihn durch seine hypnotische Macht in seinen Bann schlägt und auf die Knie zwingt. Die musikalische Untermalung dieser Szene ist besonders schön und mischt märchenhafte und bedrohliche Motive.

Edward Van Sloan und der Museumsdirektor stellen Karloff als Reinkarnation zur Rede. Die Szene ist nur ein Dialog in einem Zimmer, aber er ist exzellent gesprochen. Karloff ist großartig. Die Mumie, die sich als Ardath Bey ausgab, bisher stets verwahrt und ruhig, kehrt hier die unterschwellige Bedrohung langsam nach außen, aber trotz nur subtiler aber wirkungsvoller Änderungen in der Diktion und reduzierter Mimik und Körpersprache ist die Szene so intensiv, daß es mich jedesmal vor Faszination schier lähmt. Als er den Museumsdirektor mühsam beherrscht anfährt: "The scroll is my property. I bought it from a dealer. It is here in this house! I presume in that room!" und daraufhin seine Hand zum Fluch ausfährt, ist dies einer der Höhepunkte des Films.

Es gibt ein paar absolut unheimliche Großaufnahmen von Karloffs Gesicht. Und abgesehen davon ist der ganze Film von seiner visuellen Qualität her, mit seiner schaurig-schönen Musik, seinem ruhigen Erzähltempo, den unglaublich wirkungsvoll gesprochenen Dialogen, nicht weniger als - ich zitiere Everson - ein Gedicht. Singulär in der Horrorfilmgeschichte!
 


















Du sprichst mir mal wieder aus der Seele, und "verzaubernd" ist das einzig angemessene Wort für diese Filme. Zum Zauber gehören sicher auch Zita Johanns große, liquide Augen. Und die Art, wie sich der Film, statt auf Schock, vollkommen auf Atmosphäre und Stimmung konzentriert. Die Art, wie Karloff starr wie eine Hieroglyphe durch den Film wandelt, auf der Suche nach seiner großen, verlorenen Liebe.

Aus einem schönen Text zu dem Film zitiere ich Dir einfach, von Schifferle:

"Er ist ein Rebell gegen jede Gesellschaft, gegen die Religion und selbst gegen die Zeit. Er versucht die junge Britin in sein unendliches Zwischenreich zu leiten. Ägypten, zeitlich und räumlich fern, besteht in Die Mumie aus Hollywood-Glamour (die Kostüme der Johann), viktorianischem Romantizismus (...) sowie Freunds expressionistischer Schattenwelt. Momente des Somnambulismus kennzeichnen Die Mumie. Von einer fremdartigen Würde ist Karloffs Imhotep, der Drifter durch die Jahrhunderte, Monster und Manipulator, Kind und Greis. Von traumhafter Schönheit ist Zita Johann als Helen, die zu zerfließen droht zwischen den Zeiten. Eine Schlüsselszene des Films spielt in einem Atrium vor einem Bassin. Auf der empfindlichen Wasseroberfläche erscheinen tranceartige Bilder vom alten Ägypten. Wie ein Teich des Unterbewußten wirkt dieses Bassin (...) Die Surrrealisten träumten einst von einem Kino auf dem Grund eines Sees."















Gwynplaine:
Die traumwandelnde, verstörte Zita Johann ("I was tired. But I never felt so alive!") faszinierte mich ebenso. Wir sehen es wie Imhotep: sie IST Ankh-es-en-Amon!

Die Szene am Bassin, die in die Rückblende führt, ist natürlich magisch. Diese Rückblende, mit ihrer Musik, die die Themen von bedingungsloser Liebe, Tod, Sakrileg (...) in dissonant flirrende und tief bedrohliche Motive umsetzt.
 



























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Die Rückblende war ursprünglich bedeutend länger, die geschnittenen Szenen sind offenbar für immer verloren, nur Stills existieren: Inkarnationen der Ankh-es-en-Amon durch die Jahrhunderte, eine christliche Märtyrerin, eine Prinzessin im Mittelalter, ein Wikingermädchen, Madame Dubarry. Der "Pool of Life" zeigt eine Jahrtausende überdauernde Liebe. Zita Johann, die selbst an Reinkarnation glaubte, litt unter dem Sadismus Karl Freunds:

"Finally, all that was left was the scene by the magic 'Pool of Life' with Karloff, and Zita's Christian martyr scene - in which she was to be eaten alive by lions. 

Late Saturday night - exhausted - I fainted - in the middle of a scene with Boris Karloff. I was out for an hour - dead. The crew, generally friendly and this time again on my side, gathered beside me. 'What that son-of-a-bitch has done to her', I heard. - 'You don't know the half of it,' my secretary, Ruby Holloway, answered. My guardian angel was very busy.

As Zita remembered it, as Karloff showed her the 'Pool of Life', she almost fell into the pool as she fainted. 'They couldn't get a doctor - it was 11 o'clock at night,' says Zita. 'So the crew prayed me back to consciousness.'

The exhausted, frightened actress went home. The Christian martyr, fed-to-the-lions death scene was set for Monday. Universal had slyly saved this scene for her last day of shooting, so that if one of the lions overacted, the actress' other scenes would already be in the can. It would be the grand finale of Freund's sadism.

'Those lions saw no fear in me - just exhausted bones!' laughed Zita. 'And they must have figured, 'Who needs them?'"

[Gregory William Mank: Women in Horror Films, 1930s]




















Zita Johann als christliche Märtyrerin in einer der geschnittenen Szenen wird zu den Löwen geschleppt: