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Sonntag, 29. Mai 2022

Gorky Park




Ein Film, den ich bedingungslos liebe und daher jeden berechtigten Einwand als unberechtigt ablehne, ist "Gorky Park" von Michael Apted, 1983 - Joanna Pacula hinreißend zwischen einer Riege von Ultra-Professionellen wie William Hurt, Lee Marvin, Brian Dennehy, Ian Bannen und Ian McDiarmid als Professor Andrejew, der Chefinspektor Renko (Hurt) erstmal auf den Kopf zusagt, daß er ihn nicht gerade an den ihm bekannten Papa Renko erinnere: "Ihr Zygomaticus ist ja auch von ganz anderer Beschaffenheit und Elastizität!" - Eigentlich spricht er in diesem Moment überhaupt nur mit dem Kopf.














SPIEGEL ONLINE Forum

10.10.2006


Gwynplaine:
Gorky Park (1983) von Michael Apted. Ein kalter Thriller in kalter Umgebung. Morbid, faszinierend, ich kann's immer wieder gucken. Vor allem die Gesichtsrekonstruktion durch den Pathologen: sind die Toten doch noch lebendig?!?









Wahrscheinlich habe ich tatsächlich keinen Film häufiger gesehen als diesen. Obwohl "Moskau" tatsächlich Helsinki ist, und jeder Bewohner Helsinkis, der den Film sieht, sich wahrscheinlich ins Fäustchen lacht, gelingt dem Film eine atemberaubende Authentizität.

Es war ja zu der Zeit, in der "Gorky Park" entstand, nicht üblich, "communist Russia" auch nur annähernd sympathisierend zu zeigen. Apted aber gelingt das Kunststück, daß man am liebsten selber in Renkos Schrottkarre sitzen würde, die natürlich gerade wieder streikt, als er die durch den Schnee stapfende Irina mitnehmen will. Weil zwischen Schnee, Kälte, Schäbigkeit, Mißtrauen, ständigem Auf-der-Hut-Sein, vor dem System, vor der Skrupellosigkeit von Geschäftemachern, nichts so bedeutend ist wie ein vorsichtig vertrauender Blick aus schönen traurigen Augen, die sonst keinem mehr vertrauen.

William Hurt war nie besser (in my eyes), Lee Marvin ist unfaßbar in seiner faszinierenden Widerlichkeit hier, diese glatte, höfliche, aber immer zweideutige Konversation, die er als Fassade durchhält, bis er beim Showdown schon durch die Art, wie er mit der Knarre in der Hand dasteht und "Renko!" knurrt, seinen unvergeßlichen Abgang aus der Filmgeschichte vorbereitet (und die Zobel in den Käfigen knurren zurück); Brian Dennehy als Kirwill, dieser Trumm, der als US-Cop in Moskau aufkreuzt, weil sein idealistischer Bruder zu den drei Toten im Gorky Park gehört, und von der stiernackigen Naivität, mit der er die Szene (inklusive Renko) zunächst im Alleingang aufmischen will, zu der quasi viereckigen Verläßlichkeit in der Zusammenarbeit mit Renko gelangt - großartige Schauspieler, alle in Hochform, selbst die Zahnreihe von Ian Bannen ist bei Iamskoys letztem Grinsen in Hochform.

Abgetrennte Köpfe im Kühlschrank hier, da die verhaltene Zärtlichkeit, die schon in den Worten liegt, wenn Renko in seiner kruden Küche mit den Tellern in der Hand sagt: "Das war sehr gut, Irina...", und Irina antwortet: "Borschtsch kann jeder kochen..." - irgendwie ist die Wärme in der Kälte das "Je ne sais quoi" dieses Films für mich.

Klasse auch die Musik: die Art, wie James Horners Soundtrack durch den Tschaikowsky-Walzer knallt, macht die Stimmung klar: auf alles gefaßt sein hier. 
 
   












































































[Aus einem Brief, 2022]

Und dann stirbt auch noch William Hurt. Gorky Park, einer meiner 111. Aber ich mochte sein Schauspiel generell, weil es auf so zurückgenommene Weise unvorhersehbar war. Sein Lächeln war ein Mona Lisa-Lächeln, konnte tausend Dinge bedeuten. Und ein Teil von ihm schien immer auf einem anderen Planeten zu sein, aber er war freundlich genug, trotzdem mit uns zu kommunizieren.