Montag, 23. April 2018

Monsters in the Parasol



























SPIEGEL ONLINE Forum

16.11.2009

Rykarda Parasol, kein Künstlername, Polnisch-Schwedischer Abstammung, ausgebildet in Operngesang, jetzt mehr betörendes Phantom der Oper mit Drawl und Make-Up, so blond das Haar, so tausend Nächte tief die Stimme. 

"For Blood And Wine", zweites Album, dramadunkel und von Dämonen verfolgt, luziferschöne Hymnen an die Ausschweifung, in der immer eine Schlange haust. Immer.












"Bei Rykarda Parasol wird das Dräuende, Abgründige und Dunkle zum Programm und zum wertvollen Pfand, mit dem sich die "fille noire" aus San Francisco in die Riege bemerkenswerter Debütantinnen gewuchert hat. Our Hearts First Meet heißt ihr erstes Album, nachdem 2003 bereits die EP Here She Comes erschienen war. Fünfzehn rätselhafte Folk-Songs, die schwere Titel tragen, etwa How Does A Woman Fall oder Lonesome Place, in denen verzweifelte Sätze fallen wie "The sky has gone black on us / Don't you weep" oder "I made a decision when nothing was good / And I knew I would lose". Worte also, die immer wieder auf das Abgründige unter der ansehnlichen Oberfläche verweisen (...) Es geht um Hereinfälle, verschmähte Liebe und Einsamkeit. Nur selten dringt durch den Sonnenschutz Licht an diese Lyrik (...), es sind gerade die obskuren Stellen, von denen eine eigentümliche Anziehungskraft ausgeht. (...) Und wenn die Musik den Hörer so erwischt wie auf Our Hearts First Meet, ist Stil ein willkommener Attraktivitätsbonus. Das nächste Album von Rykarda Parasol hat hoffentlich einen ähnlich hohen Lichtschutzfaktor. Der blasse Teint steht ihr nämlich vorzüglich." 

["Schwarzes Mädchen", Artikel einer/s "sz", irgendwo]












 (erstveröffentlicht / first published 07/2011)
 
 
 
 
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Samstag, 21. April 2018

Delphine Seyrig: Disziplinierte erotische Gier, Vorzimmer des Ungeheuerlichen, undefinierbare Determiniertheit, Kürtensache, Lukacs, Marienbad.













SPIEGEL ONLINE Forum

28.09.2010

Und Donnerstag gibt es auf arte um 0:45 "Blut an den Lippen" von 1971, Regie Harry Kümel, der auch "Malpertuis" gemacht hat, garantiert nicht jedermanns Sache, aber allein Delphine Seyrig als moderne Bathory-Vamp-Version lohnt das frühe Aufstehen.




 











30.09.2010

ray05:
... Wecker gestellt wegen Blut an den Lippen. Madame Seyrig ist außerhalb jeder Diskussion. Sage nur Nymphenburg. Und dann: Andrea Rau. Auch außerhalb jeder Diskussion. Lass mich raten, in wie vielen Produktionen die Frau ihre Ohren hingehalten hat: 500 in zehn Jahren? :)

Ach, ich schenk Dir jetzt was, schau:













Auf der Ile St. Louis, als wir die Regenrinne aus "The Ninth Gate" gefunden hatten und somit das Haus, aus dem Johnny Depp kommt, das sich dann auch noch als Hôtel de Lausun herausstellte, Club des Hashishins, 










stießen wir dann auch auf das Haus, in dem Nancy Cunard wohnte, die der dritte bedeutende Ray, außer Dir und Put a Raygun to my Head, so vortrefflich in Szene setzte, danke also fürs Geschenk, Du weißt einfach, wie Du "Jetzt reichts, du schläfst heute auf dem Sofa!" verhinderst. :)
 

Das Suchtmittel in Marienbad heißt Delphine, for sure. In "Le Rouge aux Lèvres" / "Daughters of Darkness" ist Andrea Rau eine Art, hm, Zofe für Delphine Seyrig, sehr entzückend mit ihrer Pagenkopf-Frisur, und sie wurde Kult als eine der schönsten - wie sage ich das, ohne zu spoilern - also es hat mit Wasser zu tun.

In den verfallenden Luxus eines riesigen, menschenleeren Hotels in Ostende tritt "die halluzinatorische Gestalt der Gräfin Bathory in enganliegendem Silberlamé, maskenhaft weiß geschminkt und mit tadelloser Dauerwelle - das genaue Abbild eines Vamps der dreißiger Jahre" - so David Pirie in "Vampir Filmkult", der auch Delphines "disziplinierte erotische Gier" und den "entsetzlichen Stil ihrer Grausamkeit" zu würdigen weiß. Mind you: 1971, Kunstkino, slow, mit allem strangeness-Pipapo, das der moderne Oberchecker "ungeschickt" nennen wird, heutigen "Twilight"-Aficionados und Herzog-Bashern muß das schrecklich langweilig erscheinen, was sich da abspielt, wenn gar nichts geht, bleibt immer noch Kümels "Malpertuis", der ist MUSS.






















ray05: 
... Club des Hashishins ...
















Klasse. Danke. Das Dritte, das mir bei Delphine Seyrig einfällt: ihr strahlendes "Wie Hitler!" in "Geraubte Küsse". Strömt einem doch die Libido über, da. Memo from Aljoscha: "The Hashishin", Ry Cooder, "Performance", im Film allzusehr im Hintergrund, kommt auf der Soundtrack-CD viel besser zur Geltung, es gibt kein besseres Sitar-Tabla-Dulcimer-und-Maultrommel-Stück, 'ma sagen.











04.10.2010

ray05: 
Oh ja! ... :)






Mise-en-scène: Wunderbar die folgende lange Coffee-for-two-Einstellung. Austausch der Figuren Ehemann / Dienstbote in EINEM Move mit Tempogewinn. Unmittelbare physische Aktivierung des Seyrigvampirs: Mit Herrschaft über das Tablett ("ICH werde servieren") Herrschaft über die Szene mit Raumgewinn und direktem Swing ins Vorzimmer des Ungeheuerlichen zwischen Moccatischchen und Musikapparat. Ist gleich Herrschaft über Doinel gleich Raumgewinn im Kopf des Zusehers. Hypnotisierendes Servierritual, Todesangst des Opfers mit strammer Eiffelturmsymbolik. Alles EINE Einstellung bis zur Vorbereitung des berühmten Flucht-Montageclashs durch Zwischenschnitt ins Opferantlitz. Alfredismus pur. :)














... kapital, kapital. :) Unvergeßlich auch der kurze Zwischenschnitt auf Lonsdale nach "Comme Hitler!": klonk. Messer auf Teller, klonk. Ein so wunderbar behämmert pißnelkiges Klonk gilt es erstmal zu leisten. Größer war Lonsdale nur noch mit Mademoiselle Rosenblum. :)

Bei "Daughters of Darkness" wurde auch nochmal klar, daß Delphine Seyrigs Stimme zu den drei erotischsten Stimmen der Filmgeschichte gehört. Das bringt uns zu Marie-France Pisier. Der nächste obskure Film der ewig quatschenden Baguettefresser, den ich unbedingt auftreiben muß, ist "Le Vampire de Düsseldorf" von 1965, mit Robert Hossein als Peter Kürten, Hossein auch Regie und Beteiligung an Story und Drehbuch. Das hier ist Hossein mit Marie-France Pisier, und da habe ich dann schon keine weiteren Fragen mehr. :)




















ray05: 
Nun, vor "Daughters" erfuhr Vaddern wieder mal, dass es eine direkte Proportionalität zwischen der Anzahl entgangener Filmgenüsse ab null Uhr und zu Klump gehauener Elektrowecker geben muss. Die Kürtensache kenne ich auch nicht, aber Pisier musste ja mal die Clawdia Chauchat geben. Beim Geissendörfer. Von wegen Steppenwolfslichter! Von wegen kirgisenäugig! Bin da wohl irgendwie kopfkontaminiert, aber ich kann mir beim besten Willen keine ordentliche Zauberbergverfilmung vorstellen; einfach, weil ich mir keine materialisierte Clawdia Chauchat vorstellen kann. :)











05.10.2010

Versteh schon. Hab Affinität zu dieser Verfilmung ja schon zugegeben, einmal, weil sie mir nach demotivierendem Deutschleistungskurs mal nahelegte, den "Zauberberg" endlich auch mal zu lesen, parallel zum Mehrteiler, aber zum anderen, Eichhorn als Castorp, Blech als Behrens, Rod Steiger augenrollend, auch MF Pisier als Clawdia, für mich gingen die Figuren dann gut durch, und später habe ich liebevoll Patina drübergestrichen, vielleicht über Gebühr. Wußte damals natürlich nicht, daß der kleine magere Mann von ätzender Häßlichkeit, an dem alles "scharf" ist, "scharf sentenziös", nach Georg Lukacs modelliert ist. Katia: "Er legte sofort mit der Entwicklung seiner Theorien los, redete ununterbrochen auf uns ein und dozierte eine volle Stunde lang in unserem Zimmer. Mein Mann kam gar nicht zu Wort; er konnte gerade sagen: Ja, ja, das war ja sehr interessant. Da ging Lukacs schon wieder weg." - Da wirkt Charles Aznavour vielleicht zu scheu, zu wehmütig, zu hintersinnig, nicht ätzend genug... mag sein. :)













22.10.2010

Monika Cate:
Sah "Last Year at Marienbad" drei Mal in drei Tagen, jedesmal ein anderer Film und er hätte diese Qualität auch beim nächsten und hundertsten Mal. Er bestätigte all das, was ich vorher gelesen hatte und was mich faszinierte Last Year und die Krönung war der tiefe persönliche Bezug, der sich herstellte, weil er mir bei aller Andersartigkeit soviel näher war mit dem, was er sichtbar machte, als die Mehrzahl von anderen Filmen, die ich bisher gesehen habe. Ich könnte fast sagen, er ist mein liebster Film, jedenfalls im Augenblick :) Er müsste mit auf die Insel, nein, er ist eine Insel. An keiner Stelle wiederholte er sich beim wiederholten Sehen, es waren immer neue Verbindungen, die sich fast wie von selbst herstellten zwischen den Figuren, den Korridoren, und mir. Nie fühlte ich mich als Betrachter, eher waren die Bilder, die Figuren, die Abläufe, die Gespräche Teile von mir, wie alte Bekannte.













"Am nächsten Morgen, nach Träumen schwer und süß, befindet sich Aljoscha in einem langen Korridor. Das Haupt-Gebäude, die Baukunst des Bewußtseins, muß von unermeßlicher Größe sein. Äußerst erstaunliche Architektur voller absurder, barocker, widersinniger, labyrinthischer, der Logik spottender und alles in allem doch wieder klarer Konstruktionen, die jedes Wort in Schweigen und jedes Schweigen in ein Wort verwandeln können. Das Echo ist eine Frage des Standpunkts. Die Begegnung ist eine Frage der Zeit."

Das ist Marienbad. Irgendwann vor "Cat People" war er Wegzeichen für Aljoscha, im Briefwechsel mit Pjotr würde man mehr darüber finden. :) Die Konstruktion des Roman-Anfangs trägt im Grunde dem in Filmthreads nicht beschreibbaren Phänomen Rechnung, daß sich Seinsströme durch Filme hindurch, nein, fast muß man sagen, in Form eines Films einen Weg in die Psyche bahnen und in der Innenwelt eine noch undefinierbare Determiniertheit mitgestalten. Nicht Determinismus, denn zwischen Erstaunen und Erkühnen machen wir dieses Schicksal. Just like you say: "nie fühlte ich mich als Betrachter". Genau! das erklärt, warum Aljoscha "am nächsten Morgen" von seinen nächtlichen Träumen in einen "langen Korridor" gelangt und dieser zur "Baukunst des Bewußtseins" gehört. Es ist das Wissen, daß es jetzt nach Marienbad geht, daß Marienbad schon immer da war.

Ich sah den Film seitdem nie wieder, wußte aber stets, wenn ich ihn wiedersehen würde, hätte ich dasselbe zu sagen wie Du, daß er auf bestimmte Weise beinahe zum "einzigen" Film wird.






















(erstveröffentlicht / first published 06/2011)















Donnerstag, 12. April 2018

Soledad Miranda, Jess Franco














SPIEGEL ONLINE Forum



20.10.2006 

Genau! Sic transit Gloria Swanson! Dann lassen wir doch mal den Saum raus, erstens: Jess "Gott" Franco, und in erster Linie natürlich seine Filme mit Soledad Miranda. Beim Dreh von "Il Conte Dracula" ("Nachts, wenn Dracula erwacht") soll Christopher Lee, der ja schon alles erlebt hatte, gesagt haben, sowas habe er noch nicht erlebt: Soledad Mirandas Augen, ihre unheimliche Intensität, ihre Hingabe, weiß der Himmel was.

Die Trilogie "Der Teufel kam aus Akasava", "Vampyros Lesbos" und "She Killed in Ecstasy", alle kurz vor Soledad Mirandas Tod entstanden (sie starb 1970 bei einem Autounfall), gehört in jeden bizarren Haushalt. "Vampyros Lesbos": Gräfin Nadine (SM) lebt ein vampirisch sexuelles Leben in Istanbul, unterstützt von ihrem Diener Morpho (in allen 2746 Jess-Franco-Filmen heißt irgendjemand Morpho). Sehr hilfreich ist, daß sie während ihrer aufreizenden lesbischen Tanzshows in Nachtclubs junge Damen mental becircen kann, schließlich ist sie die letzte Geliebte Draculas.
 









Franco kommt in diesem Film fast ganz ohne seine berüchtigten Zooms aus und schafft es fast, eine Atmosphäre traumhafter, lasziver Mattigkeit durchzuhalten, die ihm den Titel "Bester Joseph Sheridan LeFanu's 'Carmilla'-Ausbeuter der 1970er" eingebracht hätte, wenn nicht der Soundtrack, den "avantgardistisch" zu nennen humanistische Schönrednerei wäre, die Türnägel zum Rotieren brächte.











06.07.2009 

Franco wollte ja den "Dracula" drehen, der Stoker endlich mal gerecht werde, was dann aber Franco-typisch in alle Hosen ging, jedoch ein Stück Film erzeugte, das aus vielerlei Gründen seinesgleichen sucht. Unter anderem ja mit einem Kinski, der als Renfield im ganzen Film nur ein einziges Wort sagt ("Varna..."), aber seine komische weiße Zelle da mal wieder querrüber mit seinem Genie tapeziert. Herbert Lom kriegt einen albernen Schlaganfall ins "Drehbuch" geschrieben, weil er am folgenden Drehtag unabkömmlich war, den er dann aber gleich so schlecht spielt, daß man gar nicht mehr weiß, ob Herbert Lom überhaupt je anwesend war oder ob Franco den gleich von Anfang an durch einen Lom-ähnlichen spanischen Finanzbeamten ersetzt hatte.








11.10.2009 

Ein sehr phantastischer Soundtrack von Bruno Nicolai auch: "Il Conte Dracula", der Film von Jess Franco mit den drei Singularitäten Christopher Lee, Klaus Kinski und, auf die Knie bitte, Soledad Miranda. Fängt mit halbwegs stringenter Eerieness an und verliert sich dann in mystischem Perv-Gesprenksel.
 
 
 
 
 









14.05.2010

Neben allem mit Soledad Miranda – "Eugenie de Sade", "Vampyros Lesbos", "She Killed In Ecstasy" und "Der Teufel kam aus Akasava" (mit Horst Tappert!) – natürlich unbedingt Kinski als "Jack The Ripper", der einem auch nochmal klarmacht, was für ein großartiges Leben Herbert Fux gehabt haben muß. Ständig umgeben von den schönsten Frauen Europas, alle nichts im Sinn als... bizarren, perversen, erotischen Rollen an der Seite von Herbert Fux in Euro-Trash-Filmen nachzujagen.


















(erstveröffentlicht / first published 04/2011)