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Dienstag, 22. Mai 2018

Barry Lyndon
















SPIEGEL ONLINE Forum

20.03.2007 

Während hier alles brachliegt, breche ich eine Lanze für Stanley Kubricks "Barry Lyndon". Entgegen aller anderslautenden Gerüchte ist der Film nur lang, aber in keiner Sekunde langweilig. Im Zeitalter der screenshots ist es möglich, sich Gainsborough-Bilder an die Wand zu hängen, die nicht von Gainsborough sind, weil sie von Kubrick sind. Schauspieler, von denen man das nicht unbedingt erwartet – Ryan O'Neal, Marisa Berenson – gehen einem plötzlich mit der stillen Intensität an die Nieren, die Kubrick in ihre Gesichter gezaubert hat. Von Nebendarstellern wie Murray Melvin als Reverend Runt mal gar nicht zu reden, der seine geheime Liebe zu Lady Lyndon unter seiner zimperlichen Pietät verbirgt; wenn man Melvin am Spieltisch sieht, wie er der Blicke zwischen Barry und Lady Lyndon gewahr wird, und man Zeuge wird, mit welch minimalen Mitteln er ausdrückt, daß für ihn gerade eine Welt zusammenbricht, möchte man Helmut Berger zustimmen: "Es gibt keine Charlotte Rampling mehr".

Der Film ist ebenso ätzende Satire wie distanziert-zärtliche Annäherung. Man fällt in Szenen hinein, bis die Erzählstimme ironisierende Kontrapunkte setzt. Ein ständiges Wechselbad zwischen tiefer, süßer Romantik (Barry und Lady Lyndon auf dem Balkon) und knallharter Entlarvung von Opportunismus und Oberflächlichkeit.

Bei der Duellszene zwischen Barry Lyndon und Lord Bullingdon nach 2½ Stunden war seinerzeit die Hälfte der Kritiker, die nach "Clockwork Orange" von Kubrick offenbar alles, nur nicht dies, erwartet haben, vermutlich bereits eingeschlafen; mir hingegen stockte der Atem. Über 10 Minuten hinweg. Im Grunde ist "Barry Lyndon" ein Actionfilm par excellence, nur daß der special effect, den Kubrick dabei einsetzt, darin besteht, die "Action" aus Gesichtern hervorscheinen zu lassen, Gesichter entweder von einer dem Zeitalter entsprechenden Maskenhaftigkeit, oder, wie bei Redmonds Barrys Mutter, dem höflichen Highwayman-Räuber und seinem Sohn, oder dem englischen Offizier, den Redmond zu Beginn des Films brüskiert und hernach in einem Duell zu töten vermeint, von einer gnadenlos überzeugenden Authentizität, in jeder Sekunde von Kubrick höflich, aber bestimmt, in die Mitte des 18. Jahrhunderts geleitet.

Händel, Schubert, The Chieftains – nicht nur setzt Kubrick mit dem Einsatz der Musik immer, IMMER, auf unübertreffliche Weise Stimmungen, die Musik gehört so sehr zu diesen Bildern, daß man hinterher Schuberts Klaviertrio (opus 100) nicht mehr hören kann, ohne an Marisa Berensons stummes Leiden zu denken. Dös is faktisch, wie Joseph Roth immer sagte, außer für jene, die bei Schuberts Klaviertrio an Catherine Deneuve in "The Hunger" denken, natürlich.
Unterschätztes Meisterwerk, ganz großes Kino.







Gwynplaine:
Auf jeden Fall! "Barry Lyndon" bewundere ich sehr. Die Duell-Szene ist in der Tat sehr intensiv. Auch der Hass in Bullingdons Augen, als er von seinem Stief-Vater demütigende Prügel bezieht.







Und ich habe noch nicht fertig: das Großartige, Wunderbare ist, daß Kubricks angeblich immer so "kühler" Blick und diese permanente Desillusionierung nicht verhindern, daß man genuine compassion mit diesen Figuren empfinden kann, noch nach 27 Stunden, als Redmond und Lady Lyndon am Bett ihres sterbenden Sohnes sitzen. Kubrick bringt einem, bei aller Kritik an ihnen, diese Figuren näher, als es viele andere "ach so intime" Filme der 70er heute – wenigstens bei mir – vermögen. "Das siebente Siegel" wird immer groß sein, aber "Szenen einer Ehe"? Glaubhaft, gut, wichtig... aber nichts für mich.
 































 
 
21.03.2007

BerSie:
Also bei "Barry Lyndon" möchte ich ergänzen, dass in den Innenräumen mit lichtstarken Objektiven nur bei Kerzenlicht gefilmt wurde! Damals eine Innovation!







Mit Equipment von der NASA! Marisa Berenson hat erzählt, daß bei manchen close-ups die Schauspieler sich keine Handbreit rühren durften, sonst wären sie aus dem Fokus verschwunden.
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 












 
 
10.03.2008

Ich könnte gar nicht aufzählen, wo überall ich, seit Marisa Berenson in "Barry Lyndon", überhaupt nicht mit mir handeln lasse, auf Einwände bezüglich tatsächlicher schauspielerischer Leistung nur verständnislos glotze, im günstigsten Fall die Virtuosität zartester Mundwinkelbewegungen rühme und insgeheim eine Karriere als Minnesänger ins Auge fasse. Kann mich noch gut erinnern, wie mal, als ich 15 war oder so, Wolf von Lojewski den Film "The Jungle Princess" mit Dorothy Lamour ansagte und dabei schwer didaktisch wurde. Als der Film vorbei war, beschloß ich: ich höre dich nicht, Wolf von Lojewski, nie mehr.
 
 





















10.07.2008

"Barry Lyndon"? Marisa Berenson in Kubricks Film ist so verstandraubend, ich krieg' immer so'n Hals wegen diesem Lyndon.
 






















30.05.2009

Sagte ich schon, daß "Barry Lyndon" Brian Enos Lieblingsfilm ist? Wahrscheinlich schon.
Das Leben ist ja auch deshalb oft so unverständlich, weil es Menschen gibt, die sich nicht sofort beim ersten Auftauchen von Lady Lyndon in Spa in sie verlieben. Spätestens als Barry seinen Tabakqualm in ihr Antlitz bläst, weiß man doch alles über den Hund.

















(erstveröffentlicht / first published 06.03.2012)