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Samstag, 12. April 2014

Vorweihnacht mit Cured Catherine (17): Sternzeichen Stütze














Zeitfenster ist ein tolles Wort. Gibt es auch Zeittüren? Kann man da durchgehen? Zeitdachboden. Hihi.











Zeittür, Zeitdachboden, Zeitbesenkammer, Zeitbegehbarerkleiderschrank, warum nicht. "Your Urge" führt das Feld an, phantastisch. Seltsam nur, daß ich beim Hören immer Lust auf Kaffee im Frostklirren habe. Kennen Sie das, diese Nostalgie für etwas, das noch gar nicht lang zurückliegt? Noch 16 Tage bis Oasis. Ich wünsche ein rigoros glorioses 2009 ohne jede Üblichkeit, mit letzten Minuten Nine Inch Nails 2008. Reznor wünscht sich "spending time with things". Ich uns auch.















Ich frag mich, wer da draußen noch Raketen entzünden soll, während Hamburg krank im Bett liegt. Gestern erhielt ich mein neues Gefährt und ich kann es nach 25 Jahren Monogamie mit meinem alten Hercules noch nicht so richtig fassen, dass ich nun über ein Kalkhoff verfüge, welches mir von meinem allerliebsten Herrn Vater unter leisem Protest aufgezwungen wurde.

Klar kenn ich das, ich heul sowieso immer, vor Nostalgie und was sich sonst so bietet, wissen Sie ja. Kaffee im Frostklirren kam mir auch in den Sinn, als ich beim Abwaschen Rain explodes at the moment that the cab door closed gegen die Wand sang.

Das ist schlau von dem Reznor, time with things. In den letzten Tagen flüchtete ich mich nach Northanger Abbey und zog dann weiter nach Mansfield Park, währenddem ich dachte, das nächste Jahr würde rigoros zu sein werden haben sollen müssen. Oder ich. The show must go on.

Hab grad gelesen: "Das Jahr 2009 liegt noch auf der Geburtsstation." Aha. Das erklärt so manche unerträgliche Langsamkeit des Seins. Vor zehn Jahren lag ich da auch. Eine ganze Dekade ist es her und wenn ich zum höchsten und größten Balkon von W10 hochschaue, erscheint er mir wie ein Ort aus fernen Zeiten - früher - damals, als eigentlich noch nicht mal ich geboren war. 
 
Lalalalalaa. 

Haben Sie schon die Oasis Plakate gesehen? Die sind hübsch. Die Musik ist erstaunlich old fashioned. And so am I. 












Oui, alles noch im Vakuum. Offiziöse Frauenstimmen am Telefon erklären auf offiziöse Anfragen mal wieder alles mit völligen Verunklarungen, die Zeichen sind mißgelaunt, die Oasis-Plakate habe ich auch noch nicht gesehen, eigentlich sehe ich derzeit fast gar nichts, und Vorbeifahren bedeutet im Grunde die vollkommen autonome Handlung eines komplett durchgefrorenen Körpers. Aber ich gratuliere unendlich sympathisierend zum neuen Gefährt. Was Ihnen Jane Austen, war mir, sagen wir, Audrey Hepburn. Gestern sagte mir Emily, sie sei Sternzeichen Stütze. "Hat Mama gesagt." – "Ich glaube, deine Mama hat Sternzeichen Schütze gesagt. Das kommt von Bogenschütze." Ich schoß einen imaginären Pfeil ab. Emily lehnte sich an mich und sagte: "Aber Stütze ist besser." Was soll man da groß argumentieren. We all need someone we can lean on.
















Ich friere auch ständig durch, verzichte sogar aufs Vorbeifahren und gehe zu Fuß. Das ist eine Seltenheit. Darf ich annehmen, dass Sie mindestens sieben Pullover tragen? Es wäre wünschenswert. Hmmja, die Laune. Remember: "Ein Mensch kann sich nur selbst glücklich machen." (Vgl. Erdmann, 2005) Oder Iggy gucken - gleich besser fühlen.

Mick in rosa Satin rief solche Stürme bis auf den Montagmorgenschulhof hervor? Warum, wenn es zu beschreiben wäre? 

Stützen sind ja oft sehr angenehme Menschen, sehr lustig, wie man Emilys Beispiel entnehmen kann, neigen manchmal zum Größenwahn, dabei aber durchaus erfrischend und stützen können die auch, bestens sogar, bis zur Selbstaufgabe. Also, perfekt mißverstanden, würde ich sagen.
 
Aaach, Holly Golightly, ich wünsche mir doch auch Spiegel und Puderdose im Briefkasten.














Was es genau war? Hm. The call of the devil. Ich sagte ja schon, daß ich bereits mit 6 tagelang ein wehmütiger kleiner Idiot war, nachdem ich France Gall im TV gesehen hatte, aber dies war die Zeit, in der man mit dem ersten Schepperkassettenrecorder die ersten Songs aus dem Radio aufnahm. Mit Mikro. Töpfeklappern in der Küche = Nervous Breakdown. "Street Fighting Man" war einer der allerersten. Aber ich kannte nur Fotos, Poster, dies waren die ersten bewegten Bilder, die ich sah, und diese Bewegungen sind das Ende meiner Kindheit, Jagger boxt den Durchgang zur anderen Welt frei. Von nun an lief ich in Zeugs durch die Schule, an dem die Schulfhofrüpel ihren Spaß hatten. Aber als ich gerade mal mit silberner Samthose in die Lateinstunde abzog, hörte ich einen murmeln: "Sieht ja geil aus." Und der Räuberhauptmann von damals hat mich neulich angesprochen, vor der Bank. Er vermutlich mit diversen Nullen hinter einer Ziffer auf dem Kontoauszug, aber ich hatte die Genugtuung, ihn beim besten Willen nicht mehr erkannt zu haben.
 
Noch ein paar andere Sachen natürlich. Die Musik knochentrocken und dreckig, und dabei doch so strahlend und souverän. Der Glamour, der an dunklen Abgründen entlangtanzt. Sex. Androgynie. Dandy in der Unterwelt. Und auch die Ur-Sympathie für den mysteriösen Second Man. 

Der Real Wild Child-Clip... so schön, merci. Gehört, als Videofetzen, untrennbar zu "... und die Meute, der sie angehörten, wußte, was sie dem Mann schuldig war." Right there.

Mehr später. Sobald ich mich in meinen sieben Pullovern wieder besser bewegen kann.

Übrigens beschlossen, nun an Hälfte Worte Satz wegzulassen.
 
 
 

















Mittwoch, 15. Mai 2013

Sticky Fingers















Die erste LP, die ich in meinem süßen jungen Leben von meinem eigenen Geld kaufte.

Ich war gerade 12 geworden. Unter den ersten 20 Stücken, die ich mit meinem neuen kleinen Grundig C 410 Automatic aus dem Radio aufgefangen hatte, war "Street Fighting Man". Das Stück hypnotisierte mich. Der Song war so anders als die anderen, so mächtig, daß mir das Herz hämmerte in einem Leib, der Dinge tun wollte, die er noch nie getan hatte. Die letzten 45 Sekunden von "Street Fighting Man" beendeten meine Kindheit.

Heute weiß ich, daß Keith Richards den unfaßbaren Klang von "Street Fighting Man" dadurch erreichte, daß er sich mit seiner Akustikgitarre vor einen kleinen Philips-Kassettenrekorder setzte und die Aufnahme absichtlich übersteuerte. Daß die donnernden, massiven Drums und die seltsam schleifende cymbal von Charlie Watts vor demselben Rekorder auf einem 1930s toy drum kit gespielt wurden, das er buchstäblich aus einem Koffer zauberte. Daß Richards auch diese insistierende, ab- und wieder aufsteigende Bass-Linie spielt, die dir das Versprechen abnimmt, die Spannung auszuhalten bis ans Ende deines Lebens. Daß dieser fremdartige drone von Brian Jones auf Sitar und Tamboura gespielt wird. Daß Jagger die Strophen im Signalcharakter der Quarte singt, dem Intervall von Polizeisirenen. Daß der Aufruhr, den dieser Song in mir verursachte, nie mehr rückgängig zu machen war.

Aber es waren diese letzten 45 Sekunden, wenn dieser strange wailing sound einsetzt [Dave Mason auf einem Instrument namens shehnai] und Nicky Hopkins über das ganze Gewirbel diese perlenden Pianoklänge legt - dieses Piano auf diesem Gewirbel, es war der schönste Klang, den ich bis dahin in meinem Leben gehört hatte. Alles, was aus mir geworden ist, put the blame on those 45 seconds.
 
 
 



Und dann, Montags auf dem Schulhof, "Hast du das gesehen? Hast du das gesehen?" 

Ich hatte es gesehen.
 
 
 





Ich stellte die Platte, vielmehr diese Reliquie, auf die fortan also im Wesentlichen zugeklappte Tastatur des 100-Mark-Klaviers, mit dem mein Chopin-begeisterter Vater einen Horowitz aus mir machen wollte.

"Sticky Fingers" war das Portal, der Durchgang zur anderen Welt, der Durchgangsritus selbst. Die 10 Songs sind immer noch nicht einfach Songs. Jeder einzelne war ein Universum, ein Versprechen, ein Pakt mit der Zukunft, in die Hirnrinde gebrannt. Ich kann jeden Song von Anfang bis Ende träumen. In das Bild mit dem gähnenden Jagger und Richards als Hosen-role model # 1 muß ich irgendwann ein Loch gestarrt haben.

Rebellion und Ausschweifung, Dekadenz und Grusel. "Sticky Fingers" war faszinierend unheimlich, vor allem "Sister Morphine", die Slidegitarre, die einem immer noch kalte Schauer über den Rücken jagt. "Why does the doctor have no face?" Der Rhythmus von "Bitch" schien mir unfaßbar böse, die "hey hey yeah"s am Ende wie Triumphgeheul bei einer Auspeitschparty, und die Zeile "It must be love, it's a bitch" offenbarte sich später als Kōan. -> Jörg Lorenzen besorgte sich "Sticky Fingers" ebenfalls, und als ich ihn auf dem Schulhof fragte, welchen Song er am besten findet, sagte er: "Wild Horses". Das überraschte mich damals, now I get it. Das arrogant polternde "Brown Sugar", die zerlumpte Majestät von "Sway", dieses dramatische Gitarrensolo von Mick Taylor, die 7-Minuten-Magie von "Can't You Hear Me Knocking", der New Orleans-Begräbnismarsch-Sound von "You Gotta Move", die Tore zu elegantly wasted, die "Dead Flowers" für mich öffnete, die Geheimschrift von "Sticky Fingers", die ich entzifferte, handelte von the grace of going astray. Der Song aber, der in mir alle Lichter entzündete, war "Moonlight Mile".



When the wind blows and the rain feels cold
With a head full of snow
With a head full of snow
In the window there's a face you know

Don't the nights pass slow
Don't the nights pass slow
 

The sound of strangers sending nothing to my mind
Just another mad mad day on the road
I am just living to be lying by your side
But I'm just about a moonlight mile on down the road

Made a rag pile of my shiny clothes
Gonna warm my bones
Gonna warm my bones
I got silence on my radio
Let the air waves flow
Let the air waves flow

Oh I am sleeping under strange strange skies
Just another mad mad day on the road
My dreams is fading down the railway line
I'm just about a moonlight mile down the road

I'm hiding sister and I'm dreaming
I'm riding down your moonlight mile
I'm hiding baby and I'm dreaming
I'm riding down your moonlight mile




Jon Landau im Rolling Stone nannte "Moonlight Mile" 

... a masterpiece. The semi-oriental touch seems to heighten the song's intense expression of desire, which is the purest and most engaging emotion present on the record. The sense of personal commitment and emotional spontaneity immediately liberate Jagger's (double-tracked) singing [...] There is something soulful here, something deeply felt [...] Paul Buckmaster [...] does the best job with strings I can remember in a long, long time, while Charlie Watts only goes through the motions of loosening up his style, as he comes down hard on the nearly magical line, "Just about a moonlight mile." 

When Jagger finally says "Here we go, now" as Mick Taylor's guitar (Richard is inexplicably absent) falls perfectly into place with a hypnotic chord pattern, it's as if he is taking our hand and is literally going to walk us down his dream road. As the strings push the intensity level constantly upwards and Charlie emphasizes the development with fabulous cymbal crashes, the energy becomes unmistakably erotic — erotic as opposed to merely sexual [...] The expression of need that dominates so much of the record is transformed from a hostile statement into a plea and a statement of warmth and receptiveness.
This cut really does sway and when Jagger's voice re-enters, it is [...] with the kind of abandon that he seems uniquely capable of. And unique is the best word to describe the cut as a whole [...].

Dieses halb fernöstliche, halb orientalische Arrangement brachte etwas so fremdartig Schönes und Mysteriöses in die Musik, und vermutlich habe ich sie nie wieder verlassen, diese dream road und die Stimmung dieses Songs. Lyrics, von denen ein Kritiker schrieb: re-created all the paradoxical distances inherent in erotic love with a power worthy of Yeats. Die Anspielung auf snow, Kokain, ist nicht das weiße Geheimnis von "Moonlight Mile".