Im Josef
Holzermayr Zuckerwaren-Fachgeschäft am Alten Markt in Salzburg begann ein
älterer Herr die eben eingetroffenen Weihnachtswaren zu betrachten, als die
Verkäuferin fragte, ob man ihm behilflich sein könnte, und er antwortete in
höflichster Manier: Ach danke nein, die Augen funktionieren noch gut! Ich habe
wohl etwas laut gelacht über die feine Ironie in seiner Stimme und er sah mich
an, erkannte mein Verstehen und geriet ins Reden, wie es nur ein Österreicher
kann: charmant, klug und kaum verständlich. Unter anderem zeigte er auf einen
Adventskalender, der eine klassische Weihnachtsszene zeigt und sagte: Mei, ist
der liab. Genau wie früher, vor 100 Jahren. Er kenne so alten
Weihnachtsschmuck, den man bei seiner Mutter nach ihrem Ableben fand und dann geriet
er ins Fluchen über die Moderne, wie hässlich sie sei. Er fragte: Wie lange muß
man studiert haben, um so hässliche Häuser bauen zu können, wie man es heut
tut? Er habe einen Freund, der zur Eröffnung einer architektonischen
Glas-und-Stahl-Schrecklichkeit geladen wurde und dort angekommen sich umsah und
schließlich fragte: Wann soll dies alles fertig werden? Der Architekt
antwortete beißend: Es IST bereits fertig und ES IST SCHÖN! Der Freund
seelenruhig: Ach so, das wusste ich nicht. Der fremde Herr im
Zuckerwarengeschäft amüsierte sich über diese so unterschwellig hervorgebrachte
feine Kritik und sei sicher, dass der Mensch ein angeborenes Schönheits- und
Wohlgefallensempfinden habe und wir sollten es doch auch benutzen. Eine der
Begegnungen in Salzburg, von denen man nie weiß, ob sie nicht jemand geplant
hat.
Ich war also auch beim Trakl, es war sehr beeindruckend. Ich mag ihn mehr als Baudelaire, von dem er beeinflußt war. In der ganzen Stadt gibt es Tafeln mit seinen Gedichten, die jeweils mit dem Ort zu tun haben. Es wirkt fast verschämt und trotzig, wie sie dort hängen. Verschämt, weil sich doch all die Japaner und Franzosen, die wegen der Mozartkugeln gekommen sind, nicht einen Deut um die Lyrik eines Salzburger Jünglings scheren, Lyrik, über die Wittgenstein sagte: Ich verstehe sie nicht, aber ihr Klang lässt mich träumen. Trotzig, weil es eben doch eine so besondere Stadt ist, dass solche Tafeln nur folgerichtig ihrer allerliebst verfallenen Schönheit Worte geben und bei näherem Betrachten auch Trakl folgerichtig hier gelebt und gelitten hat und hin und wieder doch ein paar Krähen kommen, um in seinen Spuren herumzuwandeln. Wir waren die einzigen, die in der Gedenkstätte klingelten und es öffneten die zwei Menschen, die sich seit Jahrzehnten für den Trakl einsetzen. In der ersten Salzburger Wohnung der Familie, in der Georg Trakl geboren wurde, umrahmt von Möbeln und Gegenständen der Familie und Briefen, Fotos und des grünrotschwarzen Selbstporträts Trakls zeigte man einen 40minütigen Film, der äußerst feinfühlig Trakls Leben, Schaffen, Gedanken, Träume und Abgründe zeigte. Seine Briefe, die auch im Film zitiert werden, erklären naturgemäß viel, was ohne sie nie ans Licht gekommen wäre. Zeitgleich lese ich Simone de Beauvoirs Briefe an Nelson Algren und sie sind auch so beeindruckend, weil sie so ehrlich sind im Gegensatz zu ihren Memoiren, in denen sie so vieles nicht sagt oder den Briefen an Sartre, in denen endlos taktiert und politisiert wird. In solchen äußerst privaten Briefen sind die Menschen mehr sie selbst, wahrer noch, wahrhaftiger als in jeder anderen Begegnungsform.
Was war noch? Ach ja, im berühmten Tomaselli Café irritierten wir die sehr hübsche, ältere Frau Lydia mit der Frage, ob sie Peter Alexander auch schon dort bedient habe und sie war verwirrt und glaubte nicht, aber sicher sei sie auch nicht. Ihre Verwirrung mutete äußerst komisch an im Rahmen dieser feierlich-ernsten Kaffeehauskulisse. Kopfschüttelnd nahm sie ihr Tortentablett und zog von dannen. Am Mondsee war eine Stimmung wie in einer Traumdarstellung. Nebel hing in den Bergen, der See war düster und grau und von tiefer, unwirklicher Schönheit, Touristen gab es dort keine mehr außer uns und diese Einsamkeit war besonders erholsam. Am Chiemsee dagegen Kaiserwetter am Königsschloss und Schnee auf den Gipfeln. Es war schwer, zurückzukommen, aber hier sind wir.
Ich war also auch beim Trakl, es war sehr beeindruckend. Ich mag ihn mehr als Baudelaire, von dem er beeinflußt war. In der ganzen Stadt gibt es Tafeln mit seinen Gedichten, die jeweils mit dem Ort zu tun haben. Es wirkt fast verschämt und trotzig, wie sie dort hängen. Verschämt, weil sich doch all die Japaner und Franzosen, die wegen der Mozartkugeln gekommen sind, nicht einen Deut um die Lyrik eines Salzburger Jünglings scheren, Lyrik, über die Wittgenstein sagte: Ich verstehe sie nicht, aber ihr Klang lässt mich träumen. Trotzig, weil es eben doch eine so besondere Stadt ist, dass solche Tafeln nur folgerichtig ihrer allerliebst verfallenen Schönheit Worte geben und bei näherem Betrachten auch Trakl folgerichtig hier gelebt und gelitten hat und hin und wieder doch ein paar Krähen kommen, um in seinen Spuren herumzuwandeln. Wir waren die einzigen, die in der Gedenkstätte klingelten und es öffneten die zwei Menschen, die sich seit Jahrzehnten für den Trakl einsetzen. In der ersten Salzburger Wohnung der Familie, in der Georg Trakl geboren wurde, umrahmt von Möbeln und Gegenständen der Familie und Briefen, Fotos und des grünrotschwarzen Selbstporträts Trakls zeigte man einen 40minütigen Film, der äußerst feinfühlig Trakls Leben, Schaffen, Gedanken, Träume und Abgründe zeigte. Seine Briefe, die auch im Film zitiert werden, erklären naturgemäß viel, was ohne sie nie ans Licht gekommen wäre. Zeitgleich lese ich Simone de Beauvoirs Briefe an Nelson Algren und sie sind auch so beeindruckend, weil sie so ehrlich sind im Gegensatz zu ihren Memoiren, in denen sie so vieles nicht sagt oder den Briefen an Sartre, in denen endlos taktiert und politisiert wird. In solchen äußerst privaten Briefen sind die Menschen mehr sie selbst, wahrer noch, wahrhaftiger als in jeder anderen Begegnungsform.
Was war noch? Ach ja, im berühmten Tomaselli Café irritierten wir die sehr hübsche, ältere Frau Lydia mit der Frage, ob sie Peter Alexander auch schon dort bedient habe und sie war verwirrt und glaubte nicht, aber sicher sei sie auch nicht. Ihre Verwirrung mutete äußerst komisch an im Rahmen dieser feierlich-ernsten Kaffeehauskulisse. Kopfschüttelnd nahm sie ihr Tortentablett und zog von dannen. Am Mondsee war eine Stimmung wie in einer Traumdarstellung. Nebel hing in den Bergen, der See war düster und grau und von tiefer, unwirklicher Schönheit, Touristen gab es dort keine mehr außer uns und diese Einsamkeit war besonders erholsam. Am Chiemsee dagegen Kaiserwetter am Königsschloss und Schnee auf den Gipfeln. Es war schwer, zurückzukommen, aber hier sind wir.
Aus
dem Tomaselli stand Trakl einmal auf, um den Huren in der Judengasse
Faschingskrapfen zu bringen. As you surely know, wenn zB der Herr Otto Basil
Sie begleitete. Es war wohl die perfekte Zeit für einen Weg auf Trakls Spuren,
wie ja auch Ihre wundervollen Photos belegen, nahe an der Trakl-Jahreszeit, die
es nicht gibt, die immer zwischen allen anderen Jahreszeiten liegt, schwarzer
Schnee rinnt von den Dächern, Ahorn rauscht im alten Park, schwarzes
Gondelschiffchen schaukelt durch verfallene Stadt. Der phantastische fremde
Herr im Zuckerwaren-Fachgeschäft wiederum, der den alten Weihnachtsschmuck vor dem
Vergessen rettet, ist wie Joseph Roth. Ihr schöner, atmosphärischer Bericht
bestätigt mir, der ich zeitweise am liebsten in "Der dritte Mann",
also dem Film, wohnen würde, daß man einfach in den Kaffeehäusern der
k.u.k. Monarchie hätte hängenbleiben sollen.
Man fragt sich ja oft, wie man eigentlich hierhergekommen ist, wo niemand mehr "Habe die Ehre" sagt. Daß es einen angeborenen Schönheitssinn gibt, behauptete ja auch Shaftesbury, über den ich mein Magisterpamphlet schrieb. Und auch daromm, wie es sey, daß alle, Goethe und Schiller, Kant und Winckelmann und Lessing, von Shaftesbury geklaut haben. Goethe zB stahl vom Third Earl den Begriff der "inward form" - die innere Form. Die verlor ich restlos beim Konzert von Peter Murphy. Das ist aber auch nicht verwunderlich, wenn diese Legende, dieser Mythos, dieser Singuläre, der zu Beginn des Konzerts aufgrund einer Erkältung etwas gereizt schien, nach circa 13 Songs vor uns stehenbleibt, seine Hand ausstreckt und "Hello!" zu IHR sagt. Er nimmt also ihre Hand und sagt: "You're very attentive, thank you, it encourages us, me especially, when somebody's looking so... so inspired", und sagt ihr letztlich, in dieser halben Minute, von der verdammten Bühne aus, was ich ihr seit Äonen zu sagen versuche. Warum ist das Leben nicht einfach langweilig? Irgend jemand hat seine Hand fest im zerzausten Haar der Wahrheit – and twists her around. Würden Sie in unserer Kartei nachschauen, Watson?
Zwei Folgen sah ich bisher, Scandal in Bohemia und The Dancing Men. Bezeichnend, daß die Kokain-Szene für die Deutschen herausgeschnitten wurde. Wir könnten ja alle sofort zum nächsten Kokaindealer laufen und enthemmt brüllen: "DIE FLAGGEN SIND DAS WORTENDE, WATSON!" oder "GEBT MIR DAS ABSTRUSESTE KRYPTOGRAMM!" Jeremy Brett mit seinen Morphinistenmundwinkeln ist so beunruhigend definitiv und so definitiv beunruhigend, daß man ihn eigentlich nur mit exakt diesem Watson begleiten kann. Sie hatten Recht und ich werde Ihnen ewig dankbar sein, case closed.
Marisha Pessls Vater ist auch Österreicher. Bin auf Seite 200 etwa. Erstmal bin ich abgeglitten an dem Buch, das mir zu perfekt schien und dabei zu leerlaufend. Zu auf amerikanische Art mit leicht verschrobener Smartheit prunkend. Zu clever kalkuliert und zu von sich überzeugt darin, daß auch der siebzehnte Zusatz zum mehr oder weniger aufregenden Detail noch unwahrscheinlich geistreich wirkt. Ungefähr an dem Punkt, wo Hannah Schneider dezidiert ins Spiel kommt, hatte ich mich wohl daran gewöhnt, jedenfalls seitdem offen für Bewunderung und Genuß an der virtuosen Sprache, den Vergleichen, den Metaphern, den Kleinigkeiten, vor allem vielleicht den Kleinigkeiten. Schließlich gibt es auch noch andere mir bekannte Bücher, deren erste 50 Seiten man erstmal überleben muß. (Insert Ha Bloody Ha here).
Anbei der Mann mit dem goldenen Licht in der Stimme.
Greetings from Serpentine Avenue