Posts mit dem Label Vorwitz und Verstrickung werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label Vorwitz und Verstrickung werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Dienstag, 22. Oktober 2019

Vorwitz & Verstrickung (4): Dämmerung






Murmel murmel
Wir sind die verbannte Armee
Gefallene Engel der Finsternis
Unter eklig blühenden Wiesen
Und wir kommen noch auf euch zurück,
Ignorantes Pack!
























 

Dienstag, 5. Juli 2011

Vorwitz & Verstrickung (3): Ein Tag im Mai






London Tower schwere Glocken
Das Urteil ist gefällt
Sie führen die junge Frau über den Hof
Anne Boleyn hineingetanzt in den Palast vor Jahren
Schwarzäugig & leichtsinnig
Nun wehrlos & verlassen
Verwöhntes Kind sie haben dich
Du bist das Opfer von Intrigen
Des Königs Zorn ist dein Tod
Das Volk ist feindselig
& voll kalter Neugier
Sie sind hier
um die Königin sterben zu sehen
& es wird kein Mitleid geben
& keine Tränen
Wird es wehtun, fragt sie den Konnetabel
Man sagt, der Henker aus Calais versteht sein Fach,
erwidert der Konnetabel gesenkten Hauptes
& auch er läßt sie mit ihrem Leid allein
Er gibt ihr Handgelenk frei vor dem hölzernen Schafott
& ihr Blick fällt auf den Sarg auf ihren Sarg
Die Ornamente
Die Inschrift
Hinauf jetzt! bedeutet die Hand die ihren Arm preßt
Matt & langsam & Stufen zum Tod
Sie sieht den Kronrat den Lordsiegelbewahrer
Cromwell du Kröte
Auf den Knien das letzte Gebet
Der Henker hebt sein Beil
& jetzt endlich begreift sie
& wirft jäh ihren Kopf herum, Frage und Furcht in den Augen –
"Mon Dieu, sie sieht mich an! Lenk sie ab!"
& der Henkersknecht streckt seine Hand nach ihr aus
& ihr fataler Reflex
& Kanonendonner Sekundenbruchteile später
& Heinrich der Achte, zu Jane Seymour reitend






























Donnerstag, 28. April 2011

Vorwitz & Verstrickung (2): Gesang aus dem Hafen






Ihre Stimme um zwei Uhr morgens wie aus einem französischen Liebesfilm
Ihr mondhelles Haar wenn Neumond ist
und ihre Augenbrauen des klassischen Altertums?
Verbeult auf 1 Kinderfoto
und gickelnd unter 1 Hunds-Stern
ist sie die Hüterin geheimnisvoller Seufzer
denen kleine Jungs wie seifenblasenfasziniert nachstarren
und wenn sie den Atem anhält
schwöre ich beim allmächtigen Gott
die Wahrheit zu sagen und nichts als die Wahrheit
und rätselhafte Schimmer in ihrer ländlichen Kammer
wenn mein mürber Dez auf ihren Jugendstil-Bauch fällt
und der Tee, den sie mir reicht, schmeckt nach Herbst
und die Ringe unter ihren Augen sind unsichtbar
und Sartre ist ganz okay
und ein Skorpion
der durch das weite Tal ihres Merkurherzens kriecht
und wenn er zusticht
fallen alle kleinen Jungs tot um



























Freitag, 22. April 2011

Vorwitz & Verstrickung (1): 39 bedeutungslose chemophysikalische Impulse







. Die Maid die vor 100 Jahren barfüßig
. den weiten Weg nach London wanderte
. um dort auf dem Markt Butter und Brot zu verkaufen
. die könnte ich lieben
. sagte ich
. Der Aktionsanalytiker schüttelte den Kopf
. "Beweisen Sie das."
. Genug der Reden
. Das Caféboulevardcafé ist Schauplatz stiller Hoffnungen
. Ein Mädchen zerstückelt Bierdeckel
. und füllt die leere Kaffeetasse vor ihr
. mit zerstückelten Bierdeckeln
. Nervöses Lächeln
. und ich renne über Bürgersteige
. sehe kleine Nasen überall
. sehe diese Blicke
. sehe diese Bewegungen
. sehe diese Gesten
. Alle Wesen treten hervor im Zeichen des Erregenden
. Holt den Rettungswagen
. Auf der anderen Seite der Stadt
. lebt meine Krankenschwester
. Sie ist so geduldig mit mir
. Sie weiß daß ich sie liebe
. Ich für meinen Teil weiß es nicht
. Ich reiß mich los von ihr
. Ich renne weg, weg, bis es dunkel wird
. weg, bis meine Füße bluten
. bis ich bewußtlos umfalle
. Erwachend
. sehe ich sie
. mit meiner Jagdmütze
. Sie spielt mit meiner Jagdmütze
. und lächelt mir zu
. Bleich der Mond
. Geschwächt meine Sinne
. Die Sphinx ist ein weibliches Ungeheuer
. das jeden tötet
. der ein aufgegebenes Rätsel nicht zu lösen weiß


























Vorwitz und Verstrickung








Aus: Interview mit Christian Erdmann, Literatur-Feder Magazin, Ausgabe 5, Juni 2007

LF: Ihr Roman "Aljoscha der Idiot" ist Ihre erste Roman-Veröffentlichung. Wann haben Sie mit dem Schreiben begonnen und gab es dafür einen bestimmten Auslöser?

CE: Die ersten ernsthaften Schreibversuche waren Gedichte. Es gab auch mal einen Gedichtband, den ich zusammen mit einer Freundin gemacht habe. Wir haben beim Drucker die Seiten selbst geschnitten und geleimt. Das Bändchen hieß "Vorwitz und Verstrickung". Ein paar Hundert Exemplare im Eigenverlag, das war gnadenloser, furchtloser, furchtbarer Idealismus. 




_______




Ich weiß von 83 verkauften Exemplaren. Wieviele Exemplare über P.B. in die Weltgeschichte kamen - keine Ahnung. Der Preis wurde Pi mal Auge festgelegt, in der Regel waren es 7 DM. Das Bändchen trägt die Widmung "in ehre & furcht - für ulrike k." Ulrike K. war Deutschlehrerin.