Sonntag, 7. Juli 2013

Nick Cave














SPIEGEL ONLINE Forum

Juni 2009






*42*: 
Sag mal, darf ich mal in Deinem Plattenschrank wühlen? :=)












Gern! Gemäß der Chaostheorie könnte das etwas Ordnung hineinbringen. Gemäß meiner eigenen Chaostheorie jedenfalls.
Gute Nacht, Nacht:
















ray05:
Neuen Ordner anlegen, z. B. Nick draufschreiben, Nick reintun. :) Füllt sich wie von alleine, der Nickordner, OK, ab und zu mal Schnee aus der Mappe schippen.

















Dieser Tracy Pew ist für Jugendliche unter 16 Jahren nicht geeignet. Aber gut, en route und von vorn, Aufräumaktion auf dem Junkyard.

















ray05:
Der Geburtstagspartypunk ging damals komplett an mir vorbei; aufmerksam wurde ich erst, als mir ein Mädchen - jaaa! es gab so Perlen :) - eine MC aufnahm und schenkte. Seite 1: Pricks, Eternity, Tupelo und das ganz frühe Badseedszeug von Nick; Seite 2: Neubauten, Patient O glaub ich.

Die zwei verschiedenen MC-Seiten sprachen damals für mich schon ahnungsvoll miteinander, bildeten aber leider mit dem unglaublichen "Swordfishtrombones" den Regierungssitz von Kannitverstan. Recht froh wurde ich also nicht damit, vielleicht weil mir die Erfahrung der Lektüre von "Moby Dick" und "Billy Budd" noch fehlte. Dostoevsky und Fontane allein scheint als Vorbereitung nicht ausreichend gewesen zu sein. Madness und Miles Davis auch nicht. :)















Aljoscha T entdeckte Nick Cave genau auf der Rückfahrt von Seite 83, eine auf dem Bahnhof erworbene Zeitschrift mit dem Artikel, in dem der Titel eines Abschnitts lautete: "Der Einzelgänger agiert immer." Katherine Mansfield, Tagebücher. Schon diese Titelzeile wurde für den Protagonisten bedeutend.

Die Birthday Party habe ich zwar auch nur im Retroverfahren kennengelernt, und es bleiben abgesehen vom Bewundern des Strukturenzerlegens (aber dafür muß man Virtuose sein!) von denen vornehmlich zwei Stücke, "Mr Clarinet" und "Mutiny In Heaven". Nick Cave aber war Literatur plus phantastische, dramatische Musik plus der Bad Seeds ingesamt als Combo eines mir bis dahin unvertrauten STILS: der Outlaw als bestgekleidetster Mann der Welt. "Kicking Against The Pricks", "Your Funeral, My Trial" werden im Buch ja auch erwähnt, schlugen genau dort ein, als Zeichengeber der "unwahrscheinlichen Mitwirkung" (Breton). 

Der besagte Artikel stammte von der großartigen Jutta Koether, aus einer Zeit und dem Hirn einer Frau also, die über Musik mit Mischung aus künstlerischer Kompetenz und unbedingtem persönlichem Einsatz schrieb, an der Oscar Wilde (Kunstkritik hat gefälligst selbst kreativ zu sein, sonst ist sie Schrott) seine pure Freude gehabt hätte. Cave hatte zu der Zeit "seit eineinhalb Jahren" an seinem Buch geschrieben: der Sänger, der sich als Künstler versteht, der viel in seine Songtexte hineingesteckt hat und wußte, wie alles, was man als "Sänger" tut, zu leicht trivialisiert wird. Und er erwähnte Dostojewski, ja. Genau da. 

Die Bad Seeds, anmutig bis brachial in der überall spürbaren Verarbeitung von Einflüssen, aber mit einem neuen Gefühl für das alles, konzentriert und seltsam isoliert, vom Standpunkt der Nicht-Zugehörigkeit aus, im Grunde schon immer bereit, "one more town around the bend" aufzusuchen, aufsuchen zu müssen, weil alles so schiefgeht wie bei William Blake dem Zweiten. Fünf- oder sechsmal live gesehen, vom berüchtigten Kings ov Independence-Festival, wo erstmal halb St.Pauli klirrte, bevor um 5 Uhr morgens tatsächlich noch Nick Cave und seine Kumpane im Docks erschienen und zu "Saint Huck" ansetzten, bis zum Gegenbeweis zur kolportierten Humorlosigkeit, als er im sonnigen Stadtpark bei "The Singer" nicht "I pass a million houses", sondern "I pass a million trousers" sang. Blixa Bargeld kriegte sich nicht mehr ein. Zuletzt bei der "Abattoir Blues / Lyre of Orpheus"-Tour. Ich persönlich liebe ja Mädchenchöre am Rande der Hysterie, und Nick hat den Damen bestimmt vorher Dylans "Street Legal" und "Shot Of Love" nochmal vorgelegt.













ray05:
Aber ja. Nick ist aber auch einer von diesen Bußpredigern und Bänkelsängern, die im Planwagen die öden Kaffs im Herrgottswinkel abklapperten. Zwar staubig aber bestens gekleidet. An den Crossroads verkauften sie dann Schnaps und verführten die jungen Dinger ... :)













"Abattoir Blues / Lyre of Orpheus", Tabelle nach dem 33. Spieltag: "Spell" – "Nature Boy" – "There She Goes My Beautiful World" – "Supernaturally". Architektonisch unverzichtbar aber auch "Hiding All Away", klingt thematisch wie die Antwort auf "Supernaturally", so geht das, Susie Bick, wenn jeder nur auf seine Seite bringt, großartig auch, wie das linkische Tretmühlengeschmurgel am Anfang erst Nicks Lachen und dann einen sardonisch polternden Rhythmus provoziert, und die Chormädchen genauso aufs Geratewohl einsetzen müssen wie seinerzeit die Damen bei Dylans "The Groom's Still Waiting At The Altar" und einmal dann ja auch ins Kichern kommen ob leicht versemmeltem Einsatz. Sehr schön. 

Schon die weißen Hemden auf der Rückseite von "It's Still Living", Birthday Party. Alles hinter sich, Heuschrecken, Finsternis und Flut, Seitenstraßen voller Blut, geht der Mann seiner Extra-Plage entgegen, begleitet von einer Gruppe Typen, die aussehen wie unkommunikative Bestatter auf The Road To God Knows Where mit Extra-As im Ärmel. Und die Plage wird ein Strumpfband tragen, und hinter ihrem übernatürlich blassen Gesicht lauert irgendeine perverse, maliziöse Zeremonie. Tod sollte deine letzte Sorge sein, Kumpel. Wo geht man hin, wenn man jedes Höllenfeuer exploriert hat? Genau dahin zurück natürlich. Pathologische Obsession, alter Blues, neue sexuelle Elektrizität. Und manchmal klingen die Bad Seeds wirklich wie die letzte Band auf Erden.
 
  



 
 

 
 






  







 

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