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Dienstag, 28. Juni 2011
The Raveonettes - Ignite
Eingestellt von
Antirationalistischer Block / Christian Erdmann
um
28.6.11
Labels:
Musik,
The Raveonettes
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Vorweihnacht mit Cured Catherine (3): Sabotage sabotieren
Eine Vergangenheit ist nach wie vor Gegenwart. Ich bin nicht sicher, ob ich verstehe, was Sie meinen, aber es ist wohl so, dass ich es auf eine Art bejahen würde. Manche Vergangenheiten bleiben oder werden Gegenwarten, unabhängig von Zeit und Ort des subjektiven Erlebens und Aufenthalts. Was ich meinte, war, dass ich dazu neige, mich an Unannehmlichkeiten weniger deutlich zu erinnern als an freundliche Erlebnisse, ein Prozess, den ich unter Aufbietung von Perspektivwechseln aufzuhalten suche.
Ich kann mir nur wenige Vergangenheiten vorstellen, die eine objektive Macht besäßen. Diese müssten sehr tiefe Gravuren hinterlassen haben, nicht wahr? Was mich umtreibt, ist die Auseinandersetzung mit dem Leben, das nicht gelebt ist. Otto Rank sagte, dass manche Menschen die Schuld des Todes so sehr fürchten, dass sie das Darlehen des Lebens ausschlagen.
Die Angst, das Leben aufzubrauchen. Ich habe die Wahl, ob ich das meiste aus dem Leben mache, das noch vor mir liegt, oder ob ich weiter so tue, als würde der Tod nie kommen. Verstehen Sie, das geht weiter als "Carpe diem", es hat sich ein hohes Maß an Vermeidung eingeschlichen, war in mehrfacher Hinsicht immer da und ich werde mir mit Schrecken darüber bewusst.
Ich kenne das Gefühl, im Traum aus einem Traum zu erwachen. Die Adaption an die Realität beim wirklichen Aufwachen fühlt sich dann an wie eine schwere Wolldecke, unter der man hervorkriecht und das Staunen über die veränderte Umwelt, die genauso ist wie zuvor. An Landschaftsträume erinnere ich mich nicht, was, glauben Sie, bedeuten die Landschaften?
Cocteau Twins :). Es sollte heißen: "When Mama Was Goth".
Ich war kryptisch und werde es bleiben müssen, vielleicht macht es ein wenig mehr Sinn, wenn Sie die verschiedenen Zeitebenen, die ich beschrieb, mit Personen und deren Präsenz (objektive Macht) identifizieren. Eine Gegenwart, die zu groß und zu bedeutend ist, um je Vergangenheit zu werden, auch wenn man daran glaubte - derzeit sitze ich auf my own personal Saturnring und frage den Vollmond, wann ich aufhören kann, ihn anzuheulen. Otto Rank? Das ist doch "Doppelgänger"-Rank? Unter besagten Schiffsladungen zum "Horror" müßte sich das irgendwo befinden. "Besagt" in jenem Interview, das man mit mir führte, meine ich. Gleichwie: was mir fehlt, ist eine bestimmte Art von Skrupellosigkeit. Vielleicht fehlt Ihnen eine andere? Skrupellosigkeit darin, die Schuld dem nicht gelebten Leben gegenüber zu begleichen?
Ich war kryptisch und werde es bleiben müssen, vielleicht macht es ein wenig mehr Sinn, wenn Sie die verschiedenen Zeitebenen, die ich beschrieb, mit Personen und deren Präsenz (objektive Macht) identifizieren. Eine Gegenwart, die zu groß und zu bedeutend ist, um je Vergangenheit zu werden, auch wenn man daran glaubte - derzeit sitze ich auf my own personal Saturnring und frage den Vollmond, wann ich aufhören kann, ihn anzuheulen. Otto Rank? Das ist doch "Doppelgänger"-Rank? Unter besagten Schiffsladungen zum "Horror" müßte sich das irgendwo befinden. "Besagt" in jenem Interview, das man mit mir führte, meine ich. Gleichwie: was mir fehlt, ist eine bestimmte Art von Skrupellosigkeit. Vielleicht fehlt Ihnen eine andere? Skrupellosigkeit darin, die Schuld dem nicht gelebten Leben gegenüber zu begleichen?
Was Sie sagen, zum tiefer als "carpe diem": keine Zeit mehr fürs Zweitbeste. In der Kunst nicht und im Leben nicht. Aber eben deshalb, weil es so viel Bestes gibt.
Grüßen Sie Ihre wundersame Prinzessin doch bitte von mir, sofern sie sich noch erinnert.
Ihre Krypten sind verständlich, überraschenderweise verstehe ich meine Position nicht als eine, in der mir etwas anderes zustünde, als zu wünschen, dass es Ihnen wohl ergehen solle.
Sie berichteten vom "Horror" in einem Stiegenhaus. Ich erinnere mich. Und auch die Wundersame, die keine sein will. Sie nahm Ihren Gruß huldvoll entgegen, enthielt sich aber in höfischer Manier einer Antwort.
Keine Zeit mehr fürs Zweitbeste, ja, das trifft es mehr als Sie ahnen. Mit dem Unterschied, dass es auch kein Bestes gibt. Es gibt nur diese Aufgabe, die mir systemisch zuteil wurde. Die beigelegte Isolation wiegt schwer auf Schultern, die vieles tragen müssen. Der Versuch, der existentiellen Isolation zu entkommen, scheiterte jüngst an einer falschen, zweitbesten Lösung dieser unlösbaren Grundtatsache des Lebens und so beneide ich Sie fast. Nicht um den Zustand, sondern um die vermutlichen Gründe, die den Mond als Zuhörer fordern. Skrupellosigkeit, ein schönes Bild. Verpflichtung und Erfahrung rauben ihr den Atem.
Ich befürchte Schlimmes für die ausstehende Veröffentlichung der Herren Smith / Gallup / Cooper/ Thompson, obwohl es nach der letzten nur besser werden kann, wie Stimmen unkten.
Glauben Sie denn an unlösbare Grundtatsachen des Lebens? Ich fürchte, wenn gilt, man kann nie sicher sein, dann auch nicht hinsichtlich existentieller Isolation. Wissen Sie, wie Montaigne "diesen scheinbaren geistigen Zusammenhang, den jeder sich in seinem Inneren zurechtmacht", nannte? Vernunft. Unsere Vorstellungen von uns selbst, sie stehen wie Minotauren im griechischen Hain herum, und wenn es unvernünftig ist, jeden Tag einen Minotaurus wegzuschieben, bitte. Manchmal sind scheiternde Ausbruchsversuche ja nur vordergründig ein Scheitern, und das Loch ist da. Und wenn es nicht da sein sollte, kann man es immer noch hin-sehen. Wie sagt Bebuquin, auf kippligem Barstuhl balancierend: "Darum, meine Damen, werden so viele verrückt. Wir entbehren der Fiktionen, der Positivismus ruiniert."
Aber wie Sie mir mal im Hinblick auf meine Vorschläge, was Marilyn Manson tun sollte, sagten: Sie haben es nötig.
Sie meinen "The Cure" von 2004? Ich müßte sie mal wieder hören, aber wenn ich mich recht entsinne, war es teilweise ein recht enthusiasmierendes Getöse. Sie kam mir erst kurz vor meinem Exodus zu Ohren, und die Mütze, die unter der Mütze hielte, was mir seitdem über den Kopf wächst, existiert noch nicht.
Hat das System, das Sie systemisch nennen, sozusagen einen Titel? Oder ist es eher leitmotivisch?
Hm. Ich glaube eigentlich an gar nichts und somit auch wieder an alles. Ich gehe mit der Grundtatsachenvorstellung spazieren, weil sie tatsächlich einen gewissen Trost beinhaltet. "Wenn du auch allein in deinem Boot sitzt, ist es doch beruhigend, die Lichter der anderen Boote vorbeiziehen zu sehen." Und, ja, andere Grundtatsachen des Lebens sind nach Yalom die Unausweichlichkeit des Todes und die Freiheit (sich zu Bedingungen zu verhalten...). Auf Basis seiner Theorie behauptet er unter anderem, dass unausgegorene Versuche, der Isolation zu entkommen, Beziehungen zu anderen Menschen sabotieren. Und davon kann ich ein Gesamtwerk singen.
Das Scheitern ansich ist unproblematisch vertraut, aber wenn ich die Minotauren auch derzeit verschiebe wie Güterzüge im Verschiebebahnhof, dann sind da immer noch "die Anderen", zu denen keine Brücke geschlagen ist. Eine tragfähige Brücke. Fundamente im Baumarkt nicht lieferbar. Aber Ihre Frage ist berechtigt. Glaube ICH oder glaube ich nur, was geschrieben steht, weil es bequem oder gar tröstlich ist? Verstellt die Trostsuche den Blick auf oder in? Positiv ist, dass ich darauf keine A-Dur Antwort mehr finde. Sicher ist, dass ich etwas zu verändern suche, was Sie mir einmal sagten: Wir sprechen immer nur von mir. Wir sprechen nie von Ihnen. Womit Sie einen Schutzmechanismus entlarvten, der eben diese Sabotage bedeutet. Fiktionen sind mein Leben seit 200 Jahren, mitunter wäre etwas mehr Positivismus gar willkommen. Ah, non. "Es wäre alles noch viel schlimmer ohne Fußball und Dosenbier." (Lotto King Karl)
Gute Mützen sind schwer erhältlich und Stricken gehört auch nicht in mein Repertoire. Ich weiß schon. Würden Sie den Exodus denn gern rückgängig gemacht haben wollen können werden?
The Cure von 2004 hörte sogar ich - und das ist bedeutsam - nicht so oft, dass ich alle Texte auswendig könnte.
Systemisch nennen wir Seelenforscher - hüstel - die Einordnung des Einzelnen in ein System (in aller Regel die Ursprungs- später auch, wenn vorhanden, die Kernfamilie). Da das System nun mal mächtiger als der Einzelne ist, verfehlt es seine Wirkung auf dessen Entwicklung nicht.
Während zuviel von sich zu sprechen dann bedeuten kann, daß man plötzlich zuviele Brücken gebaut hat, aber mit der Vorstellung, die dann vom Genie des Baumeisters besteht, nicht eins werden kann. Rückgängigmachen des Exodus ist derzeit nicht möglich. Und doch stellt sich mir, wie Sie bemerkt haben, die Frage nach Macht und Verbleib gemeinsam geschaffener Universen. Wir hatten so sehr eine eigene Sprache, daß, wenn wir auf den Dachboden gestiegen sind, wo sich der Eierkopp-Nachbar gerade friedlich ein Schüßchen setzte, dieser nach 10 Minuten Mitanhörenmüssen von Beaumarchais-Gespräch entnervt sein Refugium verließ.
Ah, und geht es nicht letztlich darum, jemanden zu finden, der die eigenen Fiktionen schon seit weit über 200 Jahren teilt und versteht? Daß dies möglich ist, kann ich wiederum unter Positivismus verbuchen. Allerdings entsteht auch daraus ein System, das mächtiger ist als der Einzelne, scheint mir, auch mit der Eigenmacht negativer Kräfte, gegen die noch 200 Jahre ankämpfen zu wollen vielleicht aber, wenn die Alpträume ein Ende haben, der letzte Beweis der Liebe ist.
Die Sabotage der Schutzmechanismen ihrerseits zu sabotieren, Tagesbefehl Nr. 2 an die Kunstarmee. Die Angst selbst ängstigen mit dem, was sie nicht vorhergesehen hat. Der Zweifel hält ständig seine Kamera auf uns, aber wir können noch die Bilder zerreißen. Jeder Heutehammer will das Examinieren der eigenen geheimsten Wünsche zermalmen: verweigern wir uns.
Verzeihen Sie, dass ich gestern nicht stoppte, aber ich war in Gedanken und Eile. Es ist immer so, nun ja, Sie wissen schon (Vgl. The Cure, Cut Here, Zeile 15-18). Ich sinnierte über einen Nietzschesatz. Der Schlüssel zu einem erfüllten Leben liege darin, das Unumgängliche zu wollen und dann das Gewollte zu lieben. So ging der Satz in etwa. Ein wichtiger Satz, aber wem sage ich das, Sie schrieben ein Buch darüber. Eigentlich vertragen sich solche Gedanken schlecht mit der Teilnahme am Straßenverkehr. Zumal die Teilnehmende derzeit wiederholt Extrem-Multitasking betreibt und sich die Wirklichkeit mitunter als ganz unwirklich ausnimmt. Ich versinke in mir und bin nach außen nur sichtbar, weil es nicht anders geht.
Wissen Sie, dass Dachböden für manche Seher die Zukunft symbolisieren? Keller stehen für Vergangenheit. Mehr als eine Dekade Fiktionen und Sprache zu teilen und darin mehrere Jahrhunderte zu vereinen, ist ein mächtiges System und ich wünsche Ihnen ernsthaft Streichhölzer. Setting fire to bridges, boats and all the dreary worlds, you know.
Geht es wirklich für Jeden darum, jemanden zu finden? Zunächst plage ich mich damit, ein "So war es" in ein "So wollte ich es" umzuschaffen. Ich wäre dann, meine ich, frei, die zu werden, die ich bin, was unbedingt vor dem Finden des Gegenübers steht.
Die Angst ängstigen... die Bilder des Zweifels zerreißen! Welch glückliche Wortverbindungen – ich danke Ihnen!
Trotzdem glaube ich ja, daß konzentrierte psychische Energie die Wirklichkeit zu irritieren vermag, und das muß dann auch wieder ins Phänomen "Bestimmung" integriert werden. Besser jedenfalls, aus Insichversinken unsichtbar zu sein, als aus Vagheit. "Dieser Nigel ist so vage, daß er schon fast unsichtbar wirkt." (so ungefähr jedenfalls, John Osborne, Blick zurück im Zorn).
Nein, daß Dachböden und Keller verschiedene Zeitebenen symbolisieren können, wußte ich nicht. Heute nacht träumte ich, daß ich ein entscheidendes Fenster im Philosophenturm aufriß, in luftiger Höhe, was den ganzen Betrieb durcheinander brachte, und ich dann den Rest der Nacht durch einen kafkaesk expandierten Philosophenturm von Versteck zu Versteck jagte, damit die aufgebrachte Meute mich nicht findet. Ich entkam.
Der intensive Wunsch, erst ein Selbst zu schaffen, mit dem man einem Gegenüber ohne "I'm not match" gegenübertritt, erinnert mich an Pjotr. Und es ist auch mir sehr gut vertraut. Indes, mittendrin kann es geschehen, daß jemand kommt und dir das Werden, was man ist, nicht mehr überlassen kann, weil er dich, take the Heidegger term and run, entbirgt.
Derzeit auf dünnem Eis, das manchmal geräuschvoll kracht, und ansonstem mit einem rasenden, leicht unverständlichen Austausch von Keller und Dachboden beschäftigt, als wäre Zeit ein Buster Keaton-Film, widme ich die Stunde des Wolfes derzeit Carlos Ruiz Zafón, "Der Schatten des Windes" – kennen Sie den Roman? Eine Ihnen aus der BS noch bekannte Ina lieh es mir, und ich muß sagen, Widerstand ist zwecklos. Man könnte sagen, die Geschichte handelt davon, wie ein Buch zu jenem Einfallsloch wird, durch das Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft sich zu munterer Vermengung treffen.
Dankeschön, auch an The little Princess! - ein Jahr, das derart unter vier Augen beginnt, hat gefälligst brave new zu werden. Sie sagten, das Kind gibt sich mit Bach ab, geigend? Kaum, daß sie sprechen gelernt haben, erzählen sie einem die phantastischsten Geschichten, als hätten sie über einen langen Zeitraum hinweg beobachtet, aufgespeichert und angereichert mit Dingen, die wir schon lang zu sehen verlernt haben. Und umgekehrt könnte man meinen, die verlernen bloß, Wunderkind zu sein. Aber daß Sie bereits Geigenklängen lauschen, ist überaus bemerkenswert. Gerade höre ich den Soundtrack zu "The Hunger", Bachs Cellosuite # 1 ist auch darauf, nebst einiger schamloser Diebstähle beim Soundtrack zu "Performance", aber das macht ja auch nichts. Bowie im Film wirkt oft so schrecklich verloren. Und das Schreckliche ist, daß man sich dann oft so fühlt wie Bowie im Film. Ich gehöre ja zu den wenigen Menschen auf diesem Planeten, die "Schöner Gigolo, armer Gigolo" gesehen haben. Da war er fast so verloren wie in "The Man Who Fell To Earth". Sie sind doch todsicher bei The Cure? Hinterlassen Sie doch geheime Zeichen auf der Gemüsematschbassistinnenseite.
Gemüsematschbassistinnenseite? :) Geheime Zeichen können Sie haben, aber wenn die Seite so geheim ist, dass ich sie nicht kenne, bleiben die Zeichen siebenschleierhaft.
Ist ja auch gar nicht so geheim – selbstverständlich suche ich den Mann auf, dessen Musik seit mehr als 20 Jahren mein Dasein begleitet. Was auch immer mich dort erwartet, allgemein werden die besten Live – The Cure erwartet, die es je gab. Porl ist wieder dabei. Dreistündige Konzerte. Irgendwo spielten sie im Herbst gar "How Beautiful You Are". Es zu verpassen ist undenkbar. Notieren Sie das.
Amor fati? Fatalismus wohl? Ich neige zu diesem. "There is no if, just and." Auch dies sang Smithy.
Sie schrieben erstaunlicherweise gerade gestern über das Kind, dem Tag, an dem es ein weiteres Jahr seiner Kindheit beendete. Sie spielt, wenn auch nicht wunderkindisch, so doch herzig und entschlossen. Heute machten sie und ihr Geigenlehrer sich zweistimmig an Vivaldis Herbst. Zuweilen ist es nicht einfach, dabeizusitzen. Auch an Tagen wie dem gestrigen wird die Mutter etwas wehmütig und es ziehen Bilder vorüber von vergangenen Momenten, an denen eben diese Wunder sich offenbarten, die Sie meinen.
Gemüsematsch. Sie haben doch wieder die Möhren anbrennen lassen!? Wir sollten ein Kochstudio für intellektuelle Nichtskocher eröffnen. Nach Muppets Vorbild ist es darin Pflicht, das Gemüse mit geschlossenen Augen in den Kochtopf zu befördern – werfenderweise selbstredend. Außerdem werden nur gut durchanalysierte Milchprodukte verwendet und Uhren sind zwar nicht verboten, aber verpönt. Gemüsematsch. Kennen Sie denn meine Matschtheorie? Die aus der Philturm Mensa? Angewiderte Kommilitonin und ich entwickelten diese. Der Chef de Cuisine des Studierendenwerks unterhält geheime Beziehungen zum Lauchplantagenbesitzer auf Kummerland. Um die Mindestabnahmemenge zu erfüllen, müssen Studenten täglich mehrere Tonnen von dem depressiven Zeug ertragen. Weiterhin gibt es in der Küche einem Nebenraum, zu dem nur Mensabedienstete Zugang erhalten, die genügend Sadismus Studenten gegenüber bewiesen haben. Hier stehen große Eimer, in denen grobes Pulver in verschiedenen Farbvariationen von Ocker bis Umbra lagert. Auf die Lauch- oder anderen Gemüsekreationen, die erst zufrieden stellend die Küche verlassen dürfen, wenn sie ordentlich verkocht sind, werden große Kellen aus eben dem Pulver angerührten Matsch gehauen. Die Farbwahl (Welche Farbe Matsch nehmen wir heute, Eckhart?) trägt täglich zur Belustigung des Personals bei.
Ich habe das Buch noch nicht gelesen, obwohl es mir schon von anderer Seite empfohlen wurde. Oder nein, es muß wohl heißen, ich habe es nicht gelesen, WEIL es mir von gewisser Seite empfohlen wurde. Da Sie es sind, werde ich dem Werk nun eine zweite Chance gewähren und es nach geschriebener Terminabgabearbeit zur Hand nehmen. Schatten treffen sich ja in der Dunkelheit und halten Tratsch über ihre Besitzer. Deshalb muß man immer drauf achten, ob am Morgen auch der richtige Schatten zu einem zurückgekommen ist. Es kommt da schon mal zu Verwechslungen.
Ich glaube, diese Filme, aus denen dieses Gefühl entsteigt, "so zu sein", finden uns von ganz allein. Bowie und Sie, wer würde keine Parallelen finden? Ich sah kürzlich einen Film, in dem Corinna Harfouch auf unglaubliche Weise Bozena Nemcova gab und war berückt und verstört für Tage. Ich war nie so arm, nie so krank und nie so konsequent wie sie, aber ich konnte mich nicht des Gefühls erwehren, ihre Zustände bestens zu kennen.
Habe zunächst mal "undenkbar" notiert. So geheim ist die Seite nicht: es ist die linke. Da stehen gern die Bassisten wie Jeordie White, wenn er mit Nine Inch Nails in die Berliner Columbiahalle kam. Oder eben auch die Smashing Pumpkins-Bassistinnen. Deren erste ein langjähriges Faszinosum ist, die aber erst in Substanzen- und dann in Geheimnebel abtauchte – man hört Dinge wie Pferdezüchterei und Antikenhandel. Gern würde ich einen blauen Fayencering der Bint-Anath bei ihr kaufen, da ich aber nun einmal der sanften Ironie Ihrer Worte eingedenk mitnichten mich hoch über dem Genfer See mit Tomaten aus dem teuren Bowiesandwich vollkleckere, muß das ein Traum bleiben. Diese Ihre Matschtheorie gefiel mir aber blendend. Bevor ich meine eigenen Beobachtungen aus der HS-Küche lieber für mich behalte, fällt mir ein, daß Gallup gar nicht links steht. Jetzt ist also D'Arcy durch eine gewisse Ginger Reyes ersetzt, beim RaR klang das ja alles hinreißend.
Auch Ihre Schattentheorie hält natürlich jeder Überprüfung stand, von Carl Theodor Dreyers "Vampyr" bis zu Nick Caves "Jack's Shadow" finden sich dankenswerterweise Indizien, daß man nicht allein ist mit diesem Gefühl, daß der Schatten einen zuweilen einen guten Mann bzw. eine gute Frau sein läßt. Wenn man also das Gefühl hat, nicht über seinen Schatten springen zu können, könnte zuweilen das eigentlich Interessante daran sein, daß es der Schatten eines anderen ist. Hm. Wirklich. ("Wirklich" wie in: "Now really Mansfield, must you!").
Über Bozena Nemcova weiß ich leider gar nichts, außer eben, nun ja (wie oft haben SIE es gesehen, in den Weihnachsferien?), und daß man sie rund um Prag vor allem für "Babicka" liebt. Aber ich denke, ich weiß, was Sie meinen, und ich will jetzt nicht wieder von dem Moment anfangen, in dem ich in Paris vor dem Haus stand, in dem Lautréamont verhungerte. Die Sache mit Carax, nun, sobald ich mehr als 342 Exemplare verkauft habe, nehme ich alles zurück, aber trotzdem stellt sich die Frage, ob man auf Papier schlafen und Tinte saufen soll für den Rest der Tage. Und ich wohne noch nicht mal über dem Roten Salon. Und der Mann hatte noch ein anderes Problem, an dem vor allem andere litten. Aber am Ende wußte er zumindest eines: daß wir tatsächlich alle durch eine seltsame Kette von Schicksalen und Zufällen miteinander verbunden sind. Keiner weiß eigentlich genau, welche Rolle er im Leben eines anderen spielt.
So ist die kleine Virtuosin also Sternzeichen Steinbock. Überrascht mich bei dem Blick gar nicht. Sie wissen, daß man als Steinbockmädchen immer ein paar Jahre klüger, schlauer, weiser ist als die blöden Mitschülerinnen? Dafür werden diese Mädchen später partout nicht älter, man kann fast sagen, sie werden jünger. Mit Ballett und Sheridan Le Fanu aufwachsen, und natürlich jeden dieser ziselierten Sätze aus "Onkel Silas" verstehen, ja auswendig können, dann mit Mitte 30 Marilyn Manson entdecken und später am Bühnenausgang stehen und Josh Homme den einzigen sein lassen, der zu schlapp ist, um als Steinzeitkönigin noch ein Autogramm zu geben.
Sie fanden Ironie in meinen Worten, die ich dort nicht reinlegte. Wenn ich von Parallelen schreibe, so meine ich nicht die Unterschiede, sondern die Parallelen ;) Ah, ja, die Smashing Pumpkins waren auch der einzige Gemüsematsch, der mir einfiel. Werden Sie diese denn aufsuchen, wenn sie dieselbe Arena beehren, wie meine Hausband? Simon Gallup, in Berlin stand ich vor ihm und als jemand Simoooon! rief, bemerkte ich, dass ich es war (aber "Simon, du geile Sau" rief eine andere). Ich wusste nicht, dass Bassist(inn)en Sie so faszinieren, finde es aber verständlich. Wenn man dem Film glauben darf, schlief Bozena Nemcova tatsächlich auf Papier am Ende ihres Lebens. Man kann die naive Idylle der Babicka erst verstehen, wenn man die Tragik ihres Lebens kennt. Sie wusste nicht, dass sie das Kind einer Adligen war, die sie nach einer heimlichen Affäre nicht behalten konnte. Sie wuchs deshalb bei Angestellten auf, die sie zeitlebens für ihre Eltern hielt. Wahre Liebe begegnete ihr nur einmal, und nur sehr kurz, während ihr Ehemann spielte und trank und ihr jedes Geld abnahm, das sie verdiente. Und doch war sie bereit, allem zu entsagen, was ihr noch die geringsten Bequemlichkeiten ermöglichte, nur, um schreiben zu können, da sie im Schreiben die einzige für sie zugängliche Schönheit fand.
Simone de Beauvoir wurde am 9. Januar 1908 geboren. Letzte Nacht sah ich einen schlechten Film über sie. Alice Schwarzer fragte dümmlich, warum sie und Sartre sich konsequent siezten und sie erhielt eine wunderbare Antwort, die keine war, was mich erfreute. Ich habe Alice Schwarzer vorher nie so naiv erlebt, wie sie es seinerzeit gewesen sein muß. Das Interview fand in Beauvoirs Wohnung statt und Schwarzer besaß die Dreistigkeit zu fragen, warum ihre Wohnung nicht die eines Autors, sondern die einer Frau wäre! Ich dachte, ich springe in den Fernsehapparat, tat es aber nicht, da ich vermute, es gibt Kopien dieser Aufzeichnung. Also wäre es eine sinnlose Verzweiflungstat gewesen. Naja, die Schwarzer eben, ihre Gefühllosigkeit ließ sie überhaupt nur so erfolgreich werden. La Beauvoir reagierte wiederum gelassen und erzählte von den Reiseerinnerungen, die sich in der Wohnung türmten.
Ja, ich weiß von der Besonderheit der Steinbockfrauen. Glücklicherweise habe ich horoskopisch ebensolche Anteile in mir und das macht es leichter, Verschiedenes zu verstehen. Ich kann nur selten mitreden, wenn andere von ihren Kindern und v.a. von Schwierigkeiten mit diesen erzählen. Meistens schweige ich dazu, da es nicht ankommt, wenn ich versuche zu erklären, was bei uns anders ist. Treffend beschrieben, "die blöden Mitschüler". Manche behandeln sie fast ehrfürchtig, was sie gelassen akzeptiert, da es ihr selbstverständlich erscheint.
Das Setting der Geigenstunde ist übrigens eine der größten Herausforderungen für mich. Ich habe Grund zu der Annahme, dass auch der Lehrer im Zeichen des Steinbocks geboren wurde. Menschen, die eine solche Stunde von außen beobachten würden, könnten nicht das Geringste erkennen; zur Begrüßung murmelt einer der drei eventuell ein Hallo, es wirkt, als würden Fremde sich vollkommen desinteressiert zu einer eher unangenehmen Aufgabenerfüllung treffen. Doch wenn die beiden zu spielen beginnen, sammeln sich in dem kleinen Raum psychische Energien. Über die Geige und das Kind hinweg strahlt er mich aus seiner sonst unzugänglichen Welt heraus an und in einer Weise, die kaum auszuhalten und nur schwer zu verstehen ist, empfinde ich die Musik wie keine andere. Wenn ich zurückblicke, erscheint Verwunderung in seiner Mimik. In seinem Blick auf das Kind sehe ich wiederum das Erstaunen über ihr Anderssein neben den anderen Schülern und das tiefe, aber unbewußte Verstehen unseres Gleichseins im Anderssein. Am Ende der Stunden gehen wir fast ohne Gruß wieder auseinander, wie Flüchtende.
Als die Stunden im letzten Mai begannen, nahm ich Ihr Buch erneut vor und das Wesentliche Ihrer Geschichte offenbarte sich wie nie zuvor; Gefühle, die Aljoscha durchlebt, schauten mich belustigt an, als wollten sie sagen: siehst du, so ist das. Aber keiner weiß genau, welche Rolle er im Leben eines anderen spielt, lernte ich heute Mittag und vielleicht ist das auch besser so.
Eingestellt von
Antirationalistischer Block / Christian Erdmann
um
28.6.11
Donnerstag, 23. Juni 2011
Montag, 20. Juni 2011
Creatures in Love
Eingestellt von
Antirationalistischer Block / Christian Erdmann
um
20.6.11
Labels:
Photo
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Dienstag, 14. Juni 2011
The Aljoscha House
Eingestellt von
Antirationalistischer Block / Christian Erdmann
um
14.6.11
Labels:
Kunsthalle,
Monika Cate
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