SPIEGEL ONLINE Forum 05.07.2007
wonko_der_verständige:
Für mich ist großes Kino ein Film, der auch "große" Themen des Menschseins anspricht.
Ja, aber welcher tut das nicht? Gerade genoß ich
"Circus of Horrors", deutsch "Der rote Schatten", Regie
Sidney Hayers, ein englischer "Horror"-Film von 1960 im Pulp-Stil,
halb verwandt mit "Peeping Tom", halb mit "Les yeux sans visage".
Ein großes Thema des Menschseins, die Kombination aus genialer Skalpellhand und
perverser Disposition: heraus kommt Anton Diffring als Vorreiter der
plastischen Chirurgie namens Rossiter, dem ein weibliches Gesicht derart
mißlingt, daß er nach Frankreich fliehen muß, wo er sich einen
heruntergekommenen Zirkus unter den Nagel reißt (wobei Donald Pleasence in einer
gloriosen Nebenrolle ein böses Ende nimmt), für den er, jetzt als Dr. Schüler,
in der Folge vorzugsweise weibliche ähm, Ex-Schönheiten rekrutiert, die sich
bei der Ausübung ihres gefahrvollen Berufes garstige Entstellungen eingehandelt
haben. Mit dem Skalpell macht Rossiter / Schüler aus ihnen
Glamour-Pulp-Königinnen vom Schlage Erika Remberg, Yvonne Romain und Vanda
Hudson; Yvonne Monlaur betört kurz vor "The Brides of Dracula" wie
die anderen Damen als versierte Artistin dieser bemerkenswerten Zirkustruppe,
die im Triumph durch halb Europa zieht. Ein großes Thema des Menschseins ja
auch die Hoffnung auf ein selbstbestimmtes Leben, die Rossiter mit seinen
beiden Komplizen jedoch diabolisch zunichtemacht; wann immer eine der Schönen
aus dem Käfig auszubrechen versucht (der Manege), findet sie dortselbst ein
herbeimanipuliertes, gar schröckliches Ende. Plakativ, geschmacklos, blutig und
sexy. Und bei alldem seltsam atmosphärisch, um nicht zu sagen schön, ein echtes
Juwel. Ganz großes Thema des Menschseins auch der bei den Darbietungen
wiederkehrende Song "Look For A Star", an "Blue Velvet"
erinnernd, bei dem David Lynch ja die Untertöne der Perversion herausgehört
hat, ähnlich unheildräuend auch hier der schmeichelnde Wohlklang.
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