SPIEGEL ONLINE Forum "Lieblingsfilme - Was ist großes Kino?"
Juli 2010
ray05:
In
Babel [2006] von Alejandro González Iñárritu, den ich mir gestern abend
im WDR-TV ansah, wird die These durchdekliniert, dass es kein "globales
Dorf" geben kann, das auf "Kommunikation" aufgebaut ist, weder
Face-to-Face noch hochtechnisiert vermittelt, sondern nur eins, das die
monadischen Individuen in einer Art "Umarmung im Schmerz"
existenziell verbindet. Nicht mal der Vorteil einer gemeinsamen Sprache und
schon gar nicht die Tatsache, dass wir heute in Quasi-Echtzeit zwischen Hamburg
und München oder zwischen Tokio und LA irgendwie "kommunizieren"
täuscht also darüber hinweg, sagt der Film, dass wir im Grunde immernoch die
gleichen armen Schweine sind wie zu Kain & Abels und Hiobs Zeiten. Auf uns
selbst zurückgeworfen und existenziell verlassen. :) Ein Verstehen des Anderen
gibt es nur in der gemeinsamen Erfahrung der Not und des damit verbundenen
Schmerzes, sagt der Film, der Rest ist Illusion.
Ja, so sagt der Film vielleicht. Vielleicht sagt er aber auch nur, daß alles, was uns auseinanderbringt, die Vorstellungen sind, die wir voneinander haben und übereinander hegen, Images, die so gut wie immer falsch sind und eine endlose Kette von Mißverständnissen produzieren.
Andererseits sagt der Film aber auch ganz nach Zizek und Erdmann *g* : alles mit allem verbinden, weil alles mit allem verbunden ist.
Wer nach diesem Film Brad Pitt als "primär Schönling, als Schauspieler nicht der Rede wert" qualifiziert, redet einfach Brölk. Kein Film, der mein "Lieblingsfilm" werden könnte. Aber einer, der einem elend unter die Haut geht, Szene für Szene. Weil er im Zeigen der Distanz zwischen den Menschen eine Nähe zu ihnen herstellt, die ihresgleichen sucht. Fühlst Du Dich nicht, als hättest Du Cate Blanchetts blut- und dreckverklebtes Haar berührt?
Poppins, Mary:
"Babel"
ist wahrhaftig ein Film, wo wir alle klein werden angesichts der
Ungerechtigkeit der Welt: Die Szene, eine von vielen, wo Pitt am Ende, wo sie
gerettet werden, seinen Gastgebern und Helfern dankend Geld zustecken will und
der Mann abwinkt, es nicht annimmt, hat mich irgendwie gerührt: denn wenn wir
alle auf das Allzumenschliche zurückgeworfen werden, dann zeigt sich wahre menschliche
Größe, ich glaube Schiller würde sagen "Der Adel großer Seele zeigt sich
in der Not".
Sonst kann ich nur Aljoscha zustimmen (schön, "Sie" wieder zu lesen).
Liebe Grüße
Liebe Grüße
chevy57:
Zitat von
Aljoscha der Idiot
Andererseits sagt der Film aber auch ganz nach Zizek und Erdmann *g* : alles
mit allem verbinden, weil alles mit allem verbunden ist.
Hat
die Kanzlerin nicht neulich etwas ganz ähnliches verlauten lassen? Euer
Einfluss auf die Realpolitik scheint doch intensiver zu sein, als ich vermutet
hätte. ;)
Keine Ahnung, höre grundsätzlich nie auf irgendwas, das die Kanzlerin verlauten läßt. Zeitverschwendung, man lebt schließlich nicht ewig. Kürzlich "Sanjuro" von Kurosawa gesehen. Aus der Serie "Ah fuck. I can't believe you've done this":
Ebenso
epochal betont der Film auch Nylonstrümpfe als unverzichtbar. In einer ähnlich
berühmten Szene dieser phantastisch photographierten Schwarzweißperle galt es,
eine einzelne Blüte in einem strömenden Flüßchen zu filmen. Um die zu
dirigieren, überlegte man, sie an Klavierdraht zu befestigen, aber die Gefahr
bestand, daß das Licht auf dem Draht reflektiert. Eine Kostümdesignerin am Set
kam dann auf die Idee, einen Nylonstrumpf zu opfern, um die Blüte am festen, im
Film aber nicht sichtbaren Nylonfaden zu befestigen. Es funktionierte, und
Kurosawa fühlte ein unbeschreibliches Glück darob. Zen.
Zitat von
Poppins, Mary
Sonst
kann ich nur Aljoscha zustimmen (schön, "Sie" wieder zu lesen).
Liebe Grüße
Liebe Grüße
Eh,
arigato :)
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