Donnerstag, 10. Mai 2018

Ladytron: Gravity The Seducer














Neues Video von Ladytron, "White Elephant". Kommt bei einigen nicht so gut an, ich hingegen nehme diesen Kommentar hier als Arbeitshypothese: "They transcend the very fabric of our boring universe. Gods, they are. Gods." - "Müssen denn alle Menschen Menschen sein? Es kann auch ganz andere Wesen als Menschen in menschlicher Gestalt geben." (Novalis, Neue Fragmente, 739). Vielleicht auch nur Augen weit geschlossen in einem Mulholland Drive-Chambre, das sich wiederum in einem Normandieschloß befindet. 

"A white elephant is an idiom for a valuable but burdensome possession of which its owner cannot dispose and whose cost (particularly cost of upkeep) is out of proportion to its usefulness or worth." 

Bringt das weiter? Schließlich sind Ladytron nicht dazu da, Mysterien zu lösen, sondern sie zu personifizieren. Song / Video als Traumstruktur, erhaben, wunderschön, todtraurig. 

(30.07.2011, SPON)
 
 









Mädchen, die vom Himmel fielen, die kühle erotische Provokation immer mit Wissen um die Kompliziertheit von Kommunikation verbanden, und die bei der Rückkehr in die Satelliteneinsamkeit noch ein paar kryptische Abschiedsworte funken. Spaceship returns, "it's over", Stimmen von hinter der Schwarzen Sonne, verhallt und deadpan. Eine unendliche Melancholie, eine unbeschreibliche Traurigkeit können Ladytron in ihre Melodien legen. "Alles Gold der Welt für Menschen, die es beherrschen, solche Stimmungen aus Silizium und Strom zu zaubern", schreibt ein Rezensent auf amazon.de zu Witching Hour. Es ist der sense of detachment, der da zu hören ist, das Gefühl von Bindungslosigkeit, Schwerelosigkeit, Unerreichbarkeit. Wenn es da keinen Sinn macht, daß das fünfte Studioalbum von Ladytron Gravity The Seducer heißt, macht nichts Sinn.

Wenn scheue Menschen wie Helen Marnie die Hand aufs Herz legen, wirkt das für den flüchtigen Beobachter immer noch wie eisige Gleichgültigkeit, aber nur für den. Offenbarungen wie in "White Elephant" mögen rätselhaft erscheinen, "suggesting a lingering fear of the inability to connect emotionally, an android-like anxiety" (avclub.com), und wenn ein Song jetzt "Melting Ice" betitelt ist, bedeutet das vor allem immer noch, daß Vertrauen ein Eisberg ist, und melting ice leaves nowhere to go. Ace of Hearts schreiben Ladytron noch immer Ace of Hz,
 
 





 
 
 
aber Begegnungen finden jetzt an entfernten Gestaden statt, wo unwirkliches Licht auf Schiffswracks fällt. Metaphern für rätselhafte Vergangenheit gehören zu einem romantischen Mystizismus, den jede Unmittelbarkeit verschreckt.

Ladytron-Songs handelten schon immer primär von Beziehungen und Gefühlen, nur auf ungewöhnliche, distanzierte Weise, und, vor allem, mit einem latenten Versus-Gestus und einem leicht feindseligen Blick, dem blank-eyed electrogaze, der Gefahr signalisierte. Der auch bedeutete: man beherrscht die Kunst der Verführung, aber auch die Kunst, ihr zu widerstehen.

Seit Witching Hour wurde die Ladytron-Klanglandschaft zunehmend dichte Materie: dramatisch, mitreißend, mächtig, gorgeous, dahinfegender big beat auf fusseligen Riffs und mit subtiler Distortion, darüber meist Helen Marnies Stimme, die schon immer einen unwirklichen Hauch hatte, deren Ungerührtheit mit der präzisen Diktion aber auch einer Agentin der Disziplinierung zu gehören schien, die den tease-and-denial-Eindruck, den Ladytron vermittelten, vollendete. Manchmal meinte man, in der funkelnden Schönheit echte Wärme zu spüren ("All The Way"), dann wieder wirkte es wie Mimikry, Täuschung des Signalempfängers durch Nachahmung. 

Daß Helen Marnie als Nachnamen den Vornamen der Protagonistin eines meiner Lieblingsfilme hat, ist mir lange gar nicht aufgefallen. Wahrscheinlich wegen "Helen's ability to crash ships with the mythical purity of her vocal chords", wie ein Rezensent auf amazon.com schreibt. Nicht selten wurde aber auch der Eindruck beschrieben, "that Marnie is mocking 'you,' whoever 'you' are"; "there's a feeling of vicious contempt when she addresses 'you'; "Helen Marnie, her sweet, intoxicating yet eerie vocals"; "(Ladytron's) singers sounded sophisticated, remote and contemptuous." Sophisticated, mocking, contemptuous: durchaus wie Hitchcocks Marnie. Daß Mira Aroyo immer wieder Stücke auf Bulgarisch sang, was sich im Ladytron-Kontext anhört wie Extraterrestrisch, paßte dazu. 

Velocifero - lies: "Bringer of Speed" - war ein Werk von bedrohlicher Brillanz ("I wrote a protest song about you"), wo meist alle Maschinen auf Alarmstufe standen und mit Hyperenergie zündeten. Gravity The Seducer bringt Ladytron zurück aus der Satelliteneinsamkeit, bedeutet aber zugleich die Einladung, hinter die vermeintliche Indifferenz zu schauen, das Mysterium zu akzeptieren und in der leicht geisterhaften Ästhetik, im eisigen Hall, im Unwirklichen, Traumhaften, Versponnenen die Dinge aufzufinden, die direkt von Herzen kommen.

Ein feingliedriges Handumdrehen der kühlen Schottin und der bulgarischen Molekularbiologin, und ihre seltsam unheimlichen, herzzerreißenden Melodien erscheinen ätherisch, schwebend, verschwommen; "an airy feel that often sounds as if its creators' feet are barely touching the ground" (pitchfork.com), den Beat tragen Luftgeister, wir befinden uns in einem wunderlichen, aber faszinierenden Traum: "Surrender with me, we're walking in our sleep." Bring eine Violine, Photographien und verlorene Dinge.

Das Wagnis der Annäherung vollzieht sich im Unbestimmten, undeutlich und schemenhaft. Helen Marnies surreale Stimme vermittelt Unmögliches: entfernte Nähe. Sie kommt aus einer unwirklichen Sphäre, in der sie den Kampf zwischen Sehnsucht und Zurückweisung der Sehnsucht austrägt. "Holding hands with a mirage / You do not exist." Strange girl mit immer schon eigener Phänomenologie: das Geräusch von Schritten auf einem Schulhof, aber niemand ist zu sehen. Wenn Ladytron zur Bandgeschichte gern den Mythos erzählten, man habe sich zufällig in einem Zug in Bulgarien getroffen, gab schon dies der romantischen Möglichkeit den Vorzug gegenüber profaner Realität.

Daß kein Ladytron jemals lächelt, weiß man seit den Zeiten des "Blue Jeans"-Videos, als Helen Marnie und Mira Aroyo so aussahen und klangen, wie sowjetische Musik zu "Gorky Park"-Zeiten hätte klingen sollen.
 
 













Jetzt sehen sie so aus und klingen, als wären sie in ihrer eleganten Schönheit Schwestern von Delphine Seyrig in "Les lèvres rouges", oder überhaupt so, als würden sie ihr eigenes Marienbad durchqueren. Auf der Suche nach der verlorenen... Verlorenheit. Abstrakt und atmosphärisch, so war der Band-Plan für Gravity The Seducer. Helen Marnie erscheint als Hohepriesterin der schönen Priesterinnen,
 
 





 
 
 
um in ein Reich betörender Bilder zu führen, die auf magische Weise betrügerisch sein könnten, in dem aber nicht mehr kühle Verachtung das zu Fürchtende ist. Die Frage nach ihrem "favorite sci-fi movie" beantwortete Mira Aroyo einmal mit "Solaris", Tarkowski.

Der Planet Solaris wird von einem riesigen, mysteriösen Ozean bedeckt, dem eine Frau entsteigt, weil dieser ominöse Ozean in Wahrheit eine von menschlichen Kommunikationsversuchen gelangweilte, intelligente Wesenheit ist, die sich dann aber, mit Röntgenstrahlen gereizt, dazu entschließt, Träume und Gefühle der Raumfahrer-Störenfriede zu materialisieren. So ähnlich kommt das Strange Girl mit der eigenen Phänomenologie auf Gravity The Seducer zu uns, und ähnlich bewegend wie Natalja Bondartschuk in "Solaris" kämpft sie um ihre Identität, und was sie dazu braucht, ist unsere Wehmut, dieses seltsame Sehnen, von dem sie lebt. Darum ist Gravity The Seducer so haunting und so full of mystery. Suggerierten Ladytron ehedem mit unterkühltem Gestus "unusual sexuality", wie der Telegraph einmal schrieb, ist die Erotik von Gravity The Seducer im Grunde ein Austausch von Wehmut, der Überleben sichert.


















(erstveröffentlicht / first published 02.01.2012)



















Montag, 23. April 2018

Monsters in the Parasol



























SPIEGEL ONLINE Forum

16.11.2009

Rykarda Parasol, kein Künstlername, Polnisch-Schwedischer Abstammung, ausgebildet in Operngesang, jetzt mehr betörendes Phantom der Oper mit Drawl und Make-Up, so blond das Haar, so tausend Nächte tief die Stimme. 

"For Blood And Wine", zweites Album, dramadunkel und von Dämonen verfolgt, luziferschöne Hymnen an die Ausschweifung, in der immer eine Schlange haust. Immer.












"Bei Rykarda Parasol wird das Dräuende, Abgründige und Dunkle zum Programm und zum wertvollen Pfand, mit dem sich die "fille noire" aus San Francisco in die Riege bemerkenswerter Debütantinnen gewuchert hat. Our Hearts First Meet heißt ihr erstes Album, nachdem 2003 bereits die EP Here She Comes erschienen war. Fünfzehn rätselhafte Folk-Songs, die schwere Titel tragen, etwa How Does A Woman Fall oder Lonesome Place, in denen verzweifelte Sätze fallen wie "The sky has gone black on us / Don't you weep" oder "I made a decision when nothing was good / And I knew I would lose". Worte also, die immer wieder auf das Abgründige unter der ansehnlichen Oberfläche verweisen (...) Es geht um Hereinfälle, verschmähte Liebe und Einsamkeit. Nur selten dringt durch den Sonnenschutz Licht an diese Lyrik (...), es sind gerade die obskuren Stellen, von denen eine eigentümliche Anziehungskraft ausgeht. (...) Und wenn die Musik den Hörer so erwischt wie auf Our Hearts First Meet, ist Stil ein willkommener Attraktivitätsbonus. Das nächste Album von Rykarda Parasol hat hoffentlich einen ähnlich hohen Lichtschutzfaktor. Der blasse Teint steht ihr nämlich vorzüglich." 

["Schwarzes Mädchen", Artikel einer/s "sz", irgendwo]












 (erstveröffentlicht / first published 07/2011)
 
 
 
 
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Samstag, 21. April 2018

Delphine Seyrig: Disziplinierte erotische Gier, Vorzimmer des Ungeheuerlichen, undefinierbare Determiniertheit, Kürtensache, Lukacs, Marienbad.













SPIEGEL ONLINE Forum

28.09.2010

Und Donnerstag gibt es auf arte um 0:45 "Blut an den Lippen" von 1971, Regie Harry Kümel, der auch "Malpertuis" gemacht hat, garantiert nicht jedermanns Sache, aber allein Delphine Seyrig als moderne Bathory-Vamp-Version lohnt das frühe Aufstehen.




 











30.09.2010

ray05:
... Wecker gestellt wegen Blut an den Lippen. Madame Seyrig ist außerhalb jeder Diskussion. Sage nur Nymphenburg. Und dann: Andrea Rau. Auch außerhalb jeder Diskussion. Lass mich raten, in wie vielen Produktionen die Frau ihre Ohren hingehalten hat: 500 in zehn Jahren? :)

Ach, ich schenk Dir jetzt was, schau:













Auf der Ile St. Louis, als wir die Regenrinne aus "The Ninth Gate" gefunden hatten und somit das Haus, aus dem Johnny Depp kommt, das sich dann auch noch als Hôtel de Lausun herausstellte, Club des Hashishins, 










stießen wir dann auch auf das Haus, in dem Nancy Cunard wohnte, die der dritte bedeutende Ray, außer Dir und Put a Raygun to my Head, so vortrefflich in Szene setzte, danke also fürs Geschenk, Du weißt einfach, wie Du "Jetzt reichts, du schläfst heute auf dem Sofa!" verhinderst. :)
 

Das Suchtmittel in Marienbad heißt Delphine, for sure. In "Le Rouge aux Lèvres" / "Daughters of Darkness" ist Andrea Rau eine Art, hm, Zofe für Delphine Seyrig, sehr entzückend mit ihrer Pagenkopf-Frisur, und sie wurde Kult als eine der schönsten - wie sage ich das, ohne zu spoilern - also es hat mit Wasser zu tun.

In den verfallenden Luxus eines riesigen, menschenleeren Hotels in Ostende tritt "die halluzinatorische Gestalt der Gräfin Bathory in enganliegendem Silberlamé, maskenhaft weiß geschminkt und mit tadelloser Dauerwelle - das genaue Abbild eines Vamps der dreißiger Jahre" - so David Pirie in "Vampir Filmkult", der auch Delphines "disziplinierte erotische Gier" und den "entsetzlichen Stil ihrer Grausamkeit" zu würdigen weiß. Mind you: 1971, Kunstkino, slow, mit allem strangeness-Pipapo, das der moderne Oberchecker "ungeschickt" nennen wird, heutigen "Twilight"-Aficionados und Herzog-Bashern muß das schrecklich langweilig erscheinen, was sich da abspielt, wenn gar nichts geht, bleibt immer noch Kümels "Malpertuis", der ist MUSS.






















ray05: 
... Club des Hashishins ...
















Klasse. Danke. Das Dritte, das mir bei Delphine Seyrig einfällt: ihr strahlendes "Wie Hitler!" in "Geraubte Küsse". Strömt einem doch die Libido über, da. Memo from Aljoscha: "The Hashishin", Ry Cooder, "Performance", im Film allzusehr im Hintergrund, kommt auf der Soundtrack-CD viel besser zur Geltung, es gibt kein besseres Sitar-Tabla-Dulcimer-und-Maultrommel-Stück, 'ma sagen.











04.10.2010

ray05: 
Oh ja! ... :)






Mise-en-scène: Wunderbar die folgende lange Coffee-for-two-Einstellung. Austausch der Figuren Ehemann / Dienstbote in EINEM Move mit Tempogewinn. Unmittelbare physische Aktivierung des Seyrigvampirs: Mit Herrschaft über das Tablett ("ICH werde servieren") Herrschaft über die Szene mit Raumgewinn und direktem Swing ins Vorzimmer des Ungeheuerlichen zwischen Moccatischchen und Musikapparat. Ist gleich Herrschaft über Doinel gleich Raumgewinn im Kopf des Zusehers. Hypnotisierendes Servierritual, Todesangst des Opfers mit strammer Eiffelturmsymbolik. Alles EINE Einstellung bis zur Vorbereitung des berühmten Flucht-Montageclashs durch Zwischenschnitt ins Opferantlitz. Alfredismus pur. :)














... kapital, kapital. :) Unvergeßlich auch der kurze Zwischenschnitt auf Lonsdale nach "Comme Hitler!": klonk. Messer auf Teller, klonk. Ein so wunderbar behämmert pißnelkiges Klonk gilt es erstmal zu leisten. Größer war Lonsdale nur noch mit Mademoiselle Rosenblum. :)

Bei "Daughters of Darkness" wurde auch nochmal klar, daß Delphine Seyrigs Stimme zu den drei erotischsten Stimmen der Filmgeschichte gehört. Das bringt uns zu Marie-France Pisier. Der nächste obskure Film der ewig quatschenden Baguettefresser, den ich unbedingt auftreiben muß, ist "Le Vampire de Düsseldorf" von 1965, mit Robert Hossein als Peter Kürten, Hossein auch Regie und Beteiligung an Story und Drehbuch. Das hier ist Hossein mit Marie-France Pisier, und da habe ich dann schon keine weiteren Fragen mehr. :)




















ray05: 
Nun, vor "Daughters" erfuhr Vaddern wieder mal, dass es eine direkte Proportionalität zwischen der Anzahl entgangener Filmgenüsse ab null Uhr und zu Klump gehauener Elektrowecker geben muss. Die Kürtensache kenne ich auch nicht, aber Pisier musste ja mal die Clawdia Chauchat geben. Beim Geissendörfer. Von wegen Steppenwolfslichter! Von wegen kirgisenäugig! Bin da wohl irgendwie kopfkontaminiert, aber ich kann mir beim besten Willen keine ordentliche Zauberbergverfilmung vorstellen; einfach, weil ich mir keine materialisierte Clawdia Chauchat vorstellen kann. :)











05.10.2010

Versteh schon. Hab Affinität zu dieser Verfilmung ja schon zugegeben, einmal, weil sie mir nach demotivierendem Deutschleistungskurs mal nahelegte, den "Zauberberg" endlich auch mal zu lesen, parallel zum Mehrteiler, aber zum anderen, Eichhorn als Castorp, Blech als Behrens, Rod Steiger augenrollend, auch MF Pisier als Clawdia, für mich gingen die Figuren dann gut durch, und später habe ich liebevoll Patina drübergestrichen, vielleicht über Gebühr. Wußte damals natürlich nicht, daß der kleine magere Mann von ätzender Häßlichkeit, an dem alles "scharf" ist, "scharf sentenziös", nach Georg Lukacs modelliert ist. Katia: "Er legte sofort mit der Entwicklung seiner Theorien los, redete ununterbrochen auf uns ein und dozierte eine volle Stunde lang in unserem Zimmer. Mein Mann kam gar nicht zu Wort; er konnte gerade sagen: Ja, ja, das war ja sehr interessant. Da ging Lukacs schon wieder weg." - Da wirkt Charles Aznavour vielleicht zu scheu, zu wehmütig, zu hintersinnig, nicht ätzend genug... mag sein. :)













22.10.2010

Monika Cate:
Sah "Last Year at Marienbad" drei Mal in drei Tagen, jedesmal ein anderer Film und er hätte diese Qualität auch beim nächsten und hundertsten Mal. Er bestätigte all das, was ich vorher gelesen hatte und was mich faszinierte Last Year und die Krönung war der tiefe persönliche Bezug, der sich herstellte, weil er mir bei aller Andersartigkeit soviel näher war mit dem, was er sichtbar machte, als die Mehrzahl von anderen Filmen, die ich bisher gesehen habe. Ich könnte fast sagen, er ist mein liebster Film, jedenfalls im Augenblick :) Er müsste mit auf die Insel, nein, er ist eine Insel. An keiner Stelle wiederholte er sich beim wiederholten Sehen, es waren immer neue Verbindungen, die sich fast wie von selbst herstellten zwischen den Figuren, den Korridoren, und mir. Nie fühlte ich mich als Betrachter, eher waren die Bilder, die Figuren, die Abläufe, die Gespräche Teile von mir, wie alte Bekannte.













"Am nächsten Morgen, nach Träumen schwer und süß, befindet sich Aljoscha in einem langen Korridor. Das Haupt-Gebäude, die Baukunst des Bewußtseins, muß von unermeßlicher Größe sein. Äußerst erstaunliche Architektur voller absurder, barocker, widersinniger, labyrinthischer, der Logik spottender und alles in allem doch wieder klarer Konstruktionen, die jedes Wort in Schweigen und jedes Schweigen in ein Wort verwandeln können. Das Echo ist eine Frage des Standpunkts. Die Begegnung ist eine Frage der Zeit."

Das ist Marienbad. Irgendwann vor "Cat People" war er Wegzeichen für Aljoscha, im Briefwechsel mit Pjotr würde man mehr darüber finden. :) Die Konstruktion des Roman-Anfangs trägt im Grunde dem in Filmthreads nicht beschreibbaren Phänomen Rechnung, daß sich Seinsströme durch Filme hindurch, nein, fast muß man sagen, in Form eines Films einen Weg in die Psyche bahnen und in der Innenwelt eine noch undefinierbare Determiniertheit mitgestalten. Nicht Determinismus, denn zwischen Erstaunen und Erkühnen machen wir dieses Schicksal. Just like you say: "nie fühlte ich mich als Betrachter". Genau! das erklärt, warum Aljoscha "am nächsten Morgen" von seinen nächtlichen Träumen in einen "langen Korridor" gelangt und dieser zur "Baukunst des Bewußtseins" gehört. Es ist das Wissen, daß es jetzt nach Marienbad geht, daß Marienbad schon immer da war.

Ich sah den Film seitdem nie wieder, wußte aber stets, wenn ich ihn wiedersehen würde, hätte ich dasselbe zu sagen wie Du, daß er auf bestimmte Weise beinahe zum "einzigen" Film wird.






















(erstveröffentlicht / first published 06/2011)















Donnerstag, 12. April 2018

Soledad Miranda, Jess Franco














SPIEGEL ONLINE Forum



20.10.2006 

Genau! Sic transit Gloria Swanson! Dann lassen wir doch mal den Saum raus, erstens: Jess "Gott" Franco, und in erster Linie natürlich seine Filme mit Soledad Miranda. Beim Dreh von "Il Conte Dracula" ("Nachts, wenn Dracula erwacht") soll Christopher Lee, der ja schon alles erlebt hatte, gesagt haben, sowas habe er noch nicht erlebt: Soledad Mirandas Augen, ihre unheimliche Intensität, ihre Hingabe, weiß der Himmel was.

Die Trilogie "Der Teufel kam aus Akasava", "Vampyros Lesbos" und "She Killed in Ecstasy", alle kurz vor Soledad Mirandas Tod entstanden (sie starb 1970 bei einem Autounfall), gehört in jeden bizarren Haushalt. "Vampyros Lesbos": Gräfin Nadine (SM) lebt ein vampirisch sexuelles Leben in Istanbul, unterstützt von ihrem Diener Morpho (in allen 2746 Jess-Franco-Filmen heißt irgendjemand Morpho). Sehr hilfreich ist, daß sie während ihrer aufreizenden lesbischen Tanzshows in Nachtclubs junge Damen mental becircen kann, schließlich ist sie die letzte Geliebte Draculas.
 









Franco kommt in diesem Film fast ganz ohne seine berüchtigten Zooms aus und schafft es fast, eine Atmosphäre traumhafter, lasziver Mattigkeit durchzuhalten, die ihm den Titel "Bester Joseph Sheridan LeFanu's 'Carmilla'-Ausbeuter der 1970er" eingebracht hätte, wenn nicht der Soundtrack, den "avantgardistisch" zu nennen humanistische Schönrednerei wäre, die Türnägel zum Rotieren brächte.











06.07.2009 

Franco wollte ja den "Dracula" drehen, der Stoker endlich mal gerecht werde, was dann aber Franco-typisch in alle Hosen ging, jedoch ein Stück Film erzeugte, das aus vielerlei Gründen seinesgleichen sucht. Unter anderem ja mit einem Kinski, der als Renfield im ganzen Film nur ein einziges Wort sagt ("Varna..."), aber seine komische weiße Zelle da mal wieder querrüber mit seinem Genie tapeziert. Herbert Lom kriegt einen albernen Schlaganfall ins "Drehbuch" geschrieben, weil er am folgenden Drehtag unabkömmlich war, den er dann aber gleich so schlecht spielt, daß man gar nicht mehr weiß, ob Herbert Lom überhaupt je anwesend war oder ob Franco den gleich von Anfang an durch einen Lom-ähnlichen spanischen Finanzbeamten ersetzt hatte.








11.10.2009 

Ein sehr phantastischer Soundtrack von Bruno Nicolai auch: "Il Conte Dracula", der Film von Jess Franco mit den drei Singularitäten Christopher Lee, Klaus Kinski und, auf die Knie bitte, Soledad Miranda. Fängt mit halbwegs stringenter Eerieness an und verliert sich dann in mystischem Perv-Gesprenksel.
 
 
 
 
 









14.05.2010

Neben allem mit Soledad Miranda – "Eugenie de Sade", "Vampyros Lesbos", "She Killed In Ecstasy" und "Der Teufel kam aus Akasava" (mit Horst Tappert!) – natürlich unbedingt Kinski als "Jack The Ripper", der einem auch nochmal klarmacht, was für ein großartiges Leben Herbert Fux gehabt haben muß. Ständig umgeben von den schönsten Frauen Europas, alle nichts im Sinn als... bizarren, perversen, erotischen Rollen an der Seite von Herbert Fux in Euro-Trash-Filmen nachzujagen.


















(erstveröffentlicht / first published 04/2011)