Donnerstag, 10. Mai 2018

Ladytron: Gravity The Seducer














Neues Video von Ladytron, "White Elephant". Kommt bei einigen nicht so gut an, ich hingegen nehme diesen Kommentar hier als Arbeitshypothese: "They transcend the very fabric of our boring universe. Gods, they are. Gods." - "Müssen denn alle Menschen Menschen sein? Es kann auch ganz andere Wesen als Menschen in menschlicher Gestalt geben." (Novalis, Neue Fragmente, 739). Vielleicht auch nur Augen weit geschlossen in einem Mulholland Drive-Chambre, das sich wiederum in einem Normandieschloß befindet. 

"A white elephant is an idiom for a valuable but burdensome possession of which its owner cannot dispose and whose cost (particularly cost of upkeep) is out of proportion to its usefulness or worth." 

Bringt das weiter? Schließlich sind Ladytron nicht dazu da, Mysterien zu lösen, sondern sie zu personifizieren. Song / Video als Traumstruktur, erhaben, wunderschön, todtraurig. 

(30.07.2011, SPON)
 
 









Mädchen, die vom Himmel fielen, die kühle erotische Provokation immer mit Wissen um die Kompliziertheit von Kommunikation verbanden, und die bei der Rückkehr in die Satelliteneinsamkeit noch ein paar kryptische Abschiedsworte funken. Spaceship returns, "it's over", Stimmen von hinter der Schwarzen Sonne, verhallt und deadpan. Eine unendliche Melancholie, eine unbeschreibliche Traurigkeit können Ladytron in ihre Melodien legen. "Alles Gold der Welt für Menschen, die es beherrschen, solche Stimmungen aus Silizium und Strom zu zaubern", schreibt ein Rezensent auf amazon.de zu Witching Hour. Es ist der sense of detachment, der da zu hören ist, das Gefühl von Bindungslosigkeit, Schwerelosigkeit, Unerreichbarkeit. Wenn es da keinen Sinn macht, daß das fünfte Studioalbum von Ladytron Gravity The Seducer heißt, macht nichts Sinn.

Wenn scheue Menschen wie Helen Marnie die Hand aufs Herz legen, wirkt das für den flüchtigen Beobachter immer noch wie eisige Gleichgültigkeit, aber nur für den. Offenbarungen wie in "White Elephant" mögen rätselhaft erscheinen, "suggesting a lingering fear of the inability to connect emotionally, an android-like anxiety" (avclub.com), und wenn ein Song jetzt "Melting Ice" betitelt ist, bedeutet das vor allem immer noch, daß Vertrauen ein Eisberg ist, und melting ice leaves nowhere to go. Ace of Hearts schreiben Ladytron noch immer Ace of Hz,
 
 





 
 
 
aber Begegnungen finden jetzt an entfernten Gestaden statt, wo unwirkliches Licht auf Schiffswracks fällt. Metaphern für rätselhafte Vergangenheit gehören zu einem romantischen Mystizismus, den jede Unmittelbarkeit verschreckt.

Ladytron-Songs handelten schon immer primär von Beziehungen und Gefühlen, nur auf ungewöhnliche, distanzierte Weise, und, vor allem, mit einem latenten Versus-Gestus und einem leicht feindseligen Blick, dem blank-eyed electrogaze, der Gefahr signalisierte. Der auch bedeutete: man beherrscht die Kunst der Verführung, aber auch die Kunst, ihr zu widerstehen.

Seit Witching Hour wurde die Ladytron-Klanglandschaft zunehmend dichte Materie: dramatisch, mitreißend, mächtig, gorgeous, dahinfegender big beat auf fusseligen Riffs und mit subtiler Distortion, darüber meist Helen Marnies Stimme, die schon immer einen unwirklichen Hauch hatte, deren Ungerührtheit mit der präzisen Diktion aber auch einer Agentin der Disziplinierung zu gehören schien, die den tease-and-denial-Eindruck, den Ladytron vermittelten, vollendete. Manchmal meinte man, in der funkelnden Schönheit echte Wärme zu spüren ("All The Way"), dann wieder wirkte es wie Mimikry, Täuschung des Signalempfängers durch Nachahmung. 

Daß Helen Marnie als Nachnamen den Vornamen der Protagonistin eines meiner Lieblingsfilme hat, ist mir lange gar nicht aufgefallen. Wahrscheinlich wegen "Helen's ability to crash ships with the mythical purity of her vocal chords", wie ein Rezensent auf amazon.com schreibt. Nicht selten wurde aber auch der Eindruck beschrieben, "that Marnie is mocking 'you,' whoever 'you' are"; "there's a feeling of vicious contempt when she addresses 'you'; "Helen Marnie, her sweet, intoxicating yet eerie vocals"; "(Ladytron's) singers sounded sophisticated, remote and contemptuous." Sophisticated, mocking, contemptuous: durchaus wie Hitchcocks Marnie. Daß Mira Aroyo immer wieder Stücke auf Bulgarisch sang, was sich im Ladytron-Kontext anhört wie Extraterrestrisch, paßte dazu. 

Velocifero - lies: "Bringer of Speed" - war ein Werk von bedrohlicher Brillanz ("I wrote a protest song about you"), wo meist alle Maschinen auf Alarmstufe standen und mit Hyperenergie zündeten. Gravity The Seducer bringt Ladytron zurück aus der Satelliteneinsamkeit, bedeutet aber zugleich die Einladung, hinter die vermeintliche Indifferenz zu schauen, das Mysterium zu akzeptieren und in der leicht geisterhaften Ästhetik, im eisigen Hall, im Unwirklichen, Traumhaften, Versponnenen die Dinge aufzufinden, die direkt von Herzen kommen.

Ein feingliedriges Handumdrehen der kühlen Schottin und der bulgarischen Molekularbiologin, und ihre seltsam unheimlichen, herzzerreißenden Melodien erscheinen ätherisch, schwebend, verschwommen; "an airy feel that often sounds as if its creators' feet are barely touching the ground" (pitchfork.com), den Beat tragen Luftgeister, wir befinden uns in einem wunderlichen, aber faszinierenden Traum: "Surrender with me, we're walking in our sleep." Bring eine Violine, Photographien und verlorene Dinge.

Das Wagnis der Annäherung vollzieht sich im Unbestimmten, undeutlich und schemenhaft. Helen Marnies surreale Stimme vermittelt Unmögliches: entfernte Nähe. Sie kommt aus einer unwirklichen Sphäre, in der sie den Kampf zwischen Sehnsucht und Zurückweisung der Sehnsucht austrägt. "Holding hands with a mirage / You do not exist." Strange girl mit immer schon eigener Phänomenologie: das Geräusch von Schritten auf einem Schulhof, aber niemand ist zu sehen. Wenn Ladytron zur Bandgeschichte gern den Mythos erzählten, man habe sich zufällig in einem Zug in Bulgarien getroffen, gab schon dies der romantischen Möglichkeit den Vorzug gegenüber profaner Realität.

Daß kein Ladytron jemals lächelt, weiß man seit den Zeiten des "Blue Jeans"-Videos, als Helen Marnie und Mira Aroyo so aussahen und klangen, wie sowjetische Musik zu "Gorky Park"-Zeiten hätte klingen sollen.
 
 













Jetzt sehen sie so aus und klingen, als wären sie in ihrer eleganten Schönheit Schwestern von Delphine Seyrig in "Les lèvres rouges", oder überhaupt so, als würden sie ihr eigenes Marienbad durchqueren. Auf der Suche nach der verlorenen... Verlorenheit. Abstrakt und atmosphärisch, so war der Band-Plan für Gravity The Seducer. Helen Marnie erscheint als Hohepriesterin der schönen Priesterinnen,
 
 





 
 
 
um in ein Reich betörender Bilder zu führen, die auf magische Weise betrügerisch sein könnten, in dem aber nicht mehr kühle Verachtung das zu Fürchtende ist. Die Frage nach ihrem "favorite sci-fi movie" beantwortete Mira Aroyo einmal mit "Solaris", Tarkowski.

Der Planet Solaris wird von einem riesigen, mysteriösen Ozean bedeckt, dem eine Frau entsteigt, weil dieser ominöse Ozean in Wahrheit eine von menschlichen Kommunikationsversuchen gelangweilte, intelligente Wesenheit ist, die sich dann aber, mit Röntgenstrahlen gereizt, dazu entschließt, Träume und Gefühle der Raumfahrer-Störenfriede zu materialisieren. So ähnlich kommt das Strange Girl mit der eigenen Phänomenologie auf Gravity The Seducer zu uns, und ähnlich bewegend wie Natalja Bondartschuk in "Solaris" kämpft sie um ihre Identität, und was sie dazu braucht, ist unsere Wehmut, dieses seltsame Sehnen, von dem sie lebt. Darum ist Gravity The Seducer so haunting und so full of mystery. Suggerierten Ladytron ehedem mit unterkühltem Gestus "unusual sexuality", wie der Telegraph einmal schrieb, ist die Erotik von Gravity The Seducer im Grunde ein Austausch von Wehmut, der Überleben sichert.


















(erstveröffentlicht / first published 02.01.2012)



















Montag, 23. April 2018

Monsters in the Parasol



























SPIEGEL ONLINE Forum

16.11.2009

Rykarda Parasol, kein Künstlername, Polnisch-Schwedischer Abstammung, ausgebildet in Operngesang, jetzt mehr betörendes Phantom der Oper mit Drawl und Make-Up, so blond das Haar, so tausend Nächte tief die Stimme. 

"For Blood And Wine", zweites Album, dramadunkel und von Dämonen verfolgt, luziferschöne Hymnen an die Ausschweifung, in der immer eine Schlange haust. Immer.












"Bei Rykarda Parasol wird das Dräuende, Abgründige und Dunkle zum Programm und zum wertvollen Pfand, mit dem sich die "fille noire" aus San Francisco in die Riege bemerkenswerter Debütantinnen gewuchert hat. Our Hearts First Meet heißt ihr erstes Album, nachdem 2003 bereits die EP Here She Comes erschienen war. Fünfzehn rätselhafte Folk-Songs, die schwere Titel tragen, etwa How Does A Woman Fall oder Lonesome Place, in denen verzweifelte Sätze fallen wie "The sky has gone black on us / Don't you weep" oder "I made a decision when nothing was good / And I knew I would lose". Worte also, die immer wieder auf das Abgründige unter der ansehnlichen Oberfläche verweisen (...) Es geht um Hereinfälle, verschmähte Liebe und Einsamkeit. Nur selten dringt durch den Sonnenschutz Licht an diese Lyrik (...), es sind gerade die obskuren Stellen, von denen eine eigentümliche Anziehungskraft ausgeht. (...) Und wenn die Musik den Hörer so erwischt wie auf Our Hearts First Meet, ist Stil ein willkommener Attraktivitätsbonus. Das nächste Album von Rykarda Parasol hat hoffentlich einen ähnlich hohen Lichtschutzfaktor. Der blasse Teint steht ihr nämlich vorzüglich." 

["Schwarzes Mädchen", Artikel einer/s "sz", irgendwo]












 (erstveröffentlicht / first published 07/2011)
 
 
 
 
MEHR:
 
 
 
 
 
 
 
 
  
 
 
 



















Samstag, 21. April 2018

Delphine Seyrig: Disziplinierte erotische Gier, Vorzimmer des Ungeheuerlichen, undefinierbare Determiniertheit, Kürtensache, Lukacs, Marienbad.













SPIEGEL ONLINE Forum

28.09.2010

Und Donnerstag gibt es auf arte um 0:45 "Blut an den Lippen" von 1971, Regie Harry Kümel, der auch "Malpertuis" gemacht hat, garantiert nicht jedermanns Sache, aber allein Delphine Seyrig als moderne Bathory-Vamp-Version lohnt das frühe Aufstehen.




 











30.09.2010

ray05:
... Wecker gestellt wegen Blut an den Lippen. Madame Seyrig ist außerhalb jeder Diskussion. Sage nur Nymphenburg. Und dann: Andrea Rau. Auch außerhalb jeder Diskussion. Lass mich raten, in wie vielen Produktionen die Frau ihre Ohren hingehalten hat: 500 in zehn Jahren? :)

Ach, ich schenk Dir jetzt was, schau:













Auf der Ile St. Louis, als wir die Regenrinne aus "The Ninth Gate" gefunden hatten und somit das Haus, aus dem Johnny Depp kommt, das sich dann auch noch als Hôtel de Lausun herausstellte, Club des Hashishins, 










stießen wir dann auch auf das Haus, in dem Nancy Cunard wohnte, die der dritte bedeutende Ray, außer Dir und Put a Raygun to my Head, so vortrefflich in Szene setzte, danke also fürs Geschenk, Du weißt einfach, wie Du "Jetzt reichts, du schläfst heute auf dem Sofa!" verhinderst. :)
 

Das Suchtmittel in Marienbad heißt Delphine, for sure. In "Le Rouge aux Lèvres" / "Daughters of Darkness" ist Andrea Rau eine Art, hm, Zofe für Delphine Seyrig, sehr entzückend mit ihrer Pagenkopf-Frisur, und sie wurde Kult als eine der schönsten - wie sage ich das, ohne zu spoilern - also es hat mit Wasser zu tun.

In den verfallenden Luxus eines riesigen, menschenleeren Hotels in Ostende tritt "die halluzinatorische Gestalt der Gräfin Bathory in enganliegendem Silberlamé, maskenhaft weiß geschminkt und mit tadelloser Dauerwelle - das genaue Abbild eines Vamps der dreißiger Jahre" - so David Pirie in "Vampir Filmkult", der auch Delphines "disziplinierte erotische Gier" und den "entsetzlichen Stil ihrer Grausamkeit" zu würdigen weiß. Mind you: 1971, Kunstkino, slow, mit allem strangeness-Pipapo, das der moderne Oberchecker "ungeschickt" nennen wird, heutigen "Twilight"-Aficionados und Herzog-Bashern muß das schrecklich langweilig erscheinen, was sich da abspielt, wenn gar nichts geht, bleibt immer noch Kümels "Malpertuis", der ist MUSS.






















ray05: 
... Club des Hashishins ...
















Klasse. Danke. Das Dritte, das mir bei Delphine Seyrig einfällt: ihr strahlendes "Wie Hitler!" in "Geraubte Küsse". Strömt einem doch die Libido über, da. Memo from Aljoscha: "The Hashishin", Ry Cooder, "Performance", im Film allzusehr im Hintergrund, kommt auf der Soundtrack-CD viel besser zur Geltung, es gibt kein besseres Sitar-Tabla-Dulcimer-und-Maultrommel-Stück, 'ma sagen.











04.10.2010

ray05: 
Oh ja! ... :)






Mise-en-scène: Wunderbar die folgende lange Coffee-for-two-Einstellung. Austausch der Figuren Ehemann / Dienstbote in EINEM Move mit Tempogewinn. Unmittelbare physische Aktivierung des Seyrigvampirs: Mit Herrschaft über das Tablett ("ICH werde servieren") Herrschaft über die Szene mit Raumgewinn und direktem Swing ins Vorzimmer des Ungeheuerlichen zwischen Moccatischchen und Musikapparat. Ist gleich Herrschaft über Doinel gleich Raumgewinn im Kopf des Zusehers. Hypnotisierendes Servierritual, Todesangst des Opfers mit strammer Eiffelturmsymbolik. Alles EINE Einstellung bis zur Vorbereitung des berühmten Flucht-Montageclashs durch Zwischenschnitt ins Opferantlitz. Alfredismus pur. :)














... kapital, kapital. :) Unvergeßlich auch der kurze Zwischenschnitt auf Lonsdale nach "Comme Hitler!": klonk. Messer auf Teller, klonk. Ein so wunderbar behämmert pißnelkiges Klonk gilt es erstmal zu leisten. Größer war Lonsdale nur noch mit Mademoiselle Rosenblum. :)

Bei "Daughters of Darkness" wurde auch nochmal klar, daß Delphine Seyrigs Stimme zu den drei erotischsten Stimmen der Filmgeschichte gehört. Das bringt uns zu Marie-France Pisier. Der nächste obskure Film der ewig quatschenden Baguettefresser, den ich unbedingt auftreiben muß, ist "Le Vampire de Düsseldorf" von 1965, mit Robert Hossein als Peter Kürten, Hossein auch Regie und Beteiligung an Story und Drehbuch. Das hier ist Hossein mit Marie-France Pisier, und da habe ich dann schon keine weiteren Fragen mehr. :)




















ray05: 
Nun, vor "Daughters" erfuhr Vaddern wieder mal, dass es eine direkte Proportionalität zwischen der Anzahl entgangener Filmgenüsse ab null Uhr und zu Klump gehauener Elektrowecker geben muss. Die Kürtensache kenne ich auch nicht, aber Pisier musste ja mal die Clawdia Chauchat geben. Beim Geissendörfer. Von wegen Steppenwolfslichter! Von wegen kirgisenäugig! Bin da wohl irgendwie kopfkontaminiert, aber ich kann mir beim besten Willen keine ordentliche Zauberbergverfilmung vorstellen; einfach, weil ich mir keine materialisierte Clawdia Chauchat vorstellen kann. :)











05.10.2010

Versteh schon. Hab Affinität zu dieser Verfilmung ja schon zugegeben, einmal, weil sie mir nach demotivierendem Deutschleistungskurs mal nahelegte, den "Zauberberg" endlich auch mal zu lesen, parallel zum Mehrteiler, aber zum anderen, Eichhorn als Castorp, Blech als Behrens, Rod Steiger augenrollend, auch MF Pisier als Clawdia, für mich gingen die Figuren dann gut durch, und später habe ich liebevoll Patina drübergestrichen, vielleicht über Gebühr. Wußte damals natürlich nicht, daß der kleine magere Mann von ätzender Häßlichkeit, an dem alles "scharf" ist, "scharf sentenziös", nach Georg Lukacs modelliert ist. Katia: "Er legte sofort mit der Entwicklung seiner Theorien los, redete ununterbrochen auf uns ein und dozierte eine volle Stunde lang in unserem Zimmer. Mein Mann kam gar nicht zu Wort; er konnte gerade sagen: Ja, ja, das war ja sehr interessant. Da ging Lukacs schon wieder weg." - Da wirkt Charles Aznavour vielleicht zu scheu, zu wehmütig, zu hintersinnig, nicht ätzend genug... mag sein. :)













22.10.2010

Monika Cate:
Sah "Last Year at Marienbad" drei Mal in drei Tagen, jedesmal ein anderer Film und er hätte diese Qualität auch beim nächsten und hundertsten Mal. Er bestätigte all das, was ich vorher gelesen hatte und was mich faszinierte Last Year und die Krönung war der tiefe persönliche Bezug, der sich herstellte, weil er mir bei aller Andersartigkeit soviel näher war mit dem, was er sichtbar machte, als die Mehrzahl von anderen Filmen, die ich bisher gesehen habe. Ich könnte fast sagen, er ist mein liebster Film, jedenfalls im Augenblick :) Er müsste mit auf die Insel, nein, er ist eine Insel. An keiner Stelle wiederholte er sich beim wiederholten Sehen, es waren immer neue Verbindungen, die sich fast wie von selbst herstellten zwischen den Figuren, den Korridoren, und mir. Nie fühlte ich mich als Betrachter, eher waren die Bilder, die Figuren, die Abläufe, die Gespräche Teile von mir, wie alte Bekannte.













"Am nächsten Morgen, nach Träumen schwer und süß, befindet sich Aljoscha in einem langen Korridor. Das Haupt-Gebäude, die Baukunst des Bewußtseins, muß von unermeßlicher Größe sein. Äußerst erstaunliche Architektur voller absurder, barocker, widersinniger, labyrinthischer, der Logik spottender und alles in allem doch wieder klarer Konstruktionen, die jedes Wort in Schweigen und jedes Schweigen in ein Wort verwandeln können. Das Echo ist eine Frage des Standpunkts. Die Begegnung ist eine Frage der Zeit."

Das ist Marienbad. Irgendwann vor "Cat People" war er Wegzeichen für Aljoscha, im Briefwechsel mit Pjotr würde man mehr darüber finden. :) Die Konstruktion des Roman-Anfangs trägt im Grunde dem in Filmthreads nicht beschreibbaren Phänomen Rechnung, daß sich Seinsströme durch Filme hindurch, nein, fast muß man sagen, in Form eines Films einen Weg in die Psyche bahnen und in der Innenwelt eine noch undefinierbare Determiniertheit mitgestalten. Nicht Determinismus, denn zwischen Erstaunen und Erkühnen machen wir dieses Schicksal. Just like you say: "nie fühlte ich mich als Betrachter". Genau! das erklärt, warum Aljoscha "am nächsten Morgen" von seinen nächtlichen Träumen in einen "langen Korridor" gelangt und dieser zur "Baukunst des Bewußtseins" gehört. Es ist das Wissen, daß es jetzt nach Marienbad geht, daß Marienbad schon immer da war.

Ich sah den Film seitdem nie wieder, wußte aber stets, wenn ich ihn wiedersehen würde, hätte ich dasselbe zu sagen wie Du, daß er auf bestimmte Weise beinahe zum "einzigen" Film wird.






















(erstveröffentlicht / first published 06/2011)















Dienstag, 17. April 2018

Vorweihnacht mit Cured Catherine (32): Letzte Nacht zwischen 2046 und 2968

















The man who LIVES Lacan... schauen Sie alles! Hot greetings xx


















Ah, madman Zizek. Danke tausendmal. Bester madman seit Nietzsche. Alles mit allem verbinden, weil alles mit allem verbunden ist. Sie kennen sicher auch seinen "Pervert's Guide to Cinema"? Schön, wie er im Außenborder Rod Taylor entgegentuckert.

Zizek / Hitchcock: Sie kommen an "Marnie" nicht vorbei. Seit einem halben Jahr halte ich auf SPON den Kopf für Marnie hin.

"The Birds" - why do the birds attack? Wir einigten uns darauf, daß "explosive outbursts of maternal superego" die Sache verkürzt.

"Through fantasy we learn what we desire", elementarer Satz. Die schönen, traurigen, rätselhaften, unheimlichen, oft schwarz-weißen Horrorfilme, die ich schon ganz früh zu lieben lernte. Für mich waren das immer Tore, durch die ich am liebsten gegangen wäre – Beweis auch, daß die Welt viel aufregender ist, viel geheimnisvoller, als wir lernen sollen. Sie erziehen, obwohl sie vordergründig etwas anderes suggerieren, zur Sympathie mit dem Anderen, Fremden. Horror-Prolog folgt. "Coughing, etcetera".

Elementar auch, daß wir gar nicht anders sollten, als Sexualität und Erotik mit Phantasien einzukleiden, weil wir gar nicht anders können. Nicht die Perversion ist pervers, die Bezeichnung "pervers" ist es. Perversion als philosophische Position des definitionsuntauglichen, phantasmagorischen, bewußt zur Lust am Anderen sich öffnenden Ich, sonnenklar, daß in den Horror auch Überlegungen zu Fetischismus oder S/M einzufließen hatten. Seit der Zeit, da er vor Aufregung Hemden durchschwitzte ("Wir haben's überlebt. Sehen Sie, was für eine Hölle das ist."), hat er, wie ich las, ein argentinisches Dessous-Model geheiratet, Tochter eines Lacanianers, und lebt jetzt partly in Buenos Aires. Ach, ein Mann von Geschmack.

















Oh ja, die meisten Lacanianer wohnen in Südamerika. Nur konsequent von ihm. So glad I found this. Life-changing-Lacan-Zizek-Freud-Triangle. Wenn ein Wunsch sich erfüllt, ist er schon wertlos. Wir begehren im Grunde die Leere hinter Objekt a. Und darin dürfen wir nicht nachgeben. "Through fantasy we learn what we desire", ja, und "the phantasma teaches us how to desire". Waren beide part of my Vortrag am 8. Ohne Ihre Horrorfilmpassion wären weder "SIE" noch Aljoscha in Ihr Leben getreten. Madman, ja. Hitchcock, ja. Großartige Szene, in der Zizek an den Kinoplakaten nicht ein gutes Haar läßt. Brecht in Amerika? No way. "Forgettt iht." Haha, Marnie! Texte Hitchcock / Lacan leider auch hard to understand bei Zizek. "Perverts Guide..." nur partly, die Bücher bisher als Vortrags- und Prüfungsgrundlagen. Zizek wurde meine Brücke zu Lacan, thankfully. Bitte schicken Sie ein weißes Kaninchen showing me the way to Wonderland. Time wanted!

Zerrissenheit ist das Schwierigste, nie Konzentration auf eins für länger. Beulen in Stunden boxen, dass sie länger dauern, das wäre es. Warum nur lehren Sie nicht Lacan / Zizek an einer phil. Fakultät. Elementary, Holmes.

















Ein weißes Kaninchen? Wie wäre es mit einem Tänzchen im Waldorf Astoria zur letzten Nacht zwischen 2046





und 2968.









Unser Hausbandleader heißt Sie willkommen und empfiehlt den Damen eine Absatzhöhe von maximal 9 cm.







Als Realist in der Sphäre des Phantastischen erreichen Sie die Tanzfläche am besten über das Bildarchiv des KGW, der Zentrale für die Katalogisierung Geheimer Wünsche.







Aus dem Bathorysaal kommt Mademoiselle Capri Folly oder so ähnlich und erzählt von Rot, Rot, Rot.






"Der Teufel ist ja sowas von elastisch", seufzt Bint-Anath die Jüngere,







und während wir uns fragen, wen zum Teufel sie meint:








BUT IF YOU COULD JUST SEE THE BEAUTY aus "Isolation" ist wahrscheinlich der Ian Curtis-Satz, der mir immer schon am heftigsten das Herz zerriß, beim Wiedersehen von "Control" fiel mir auf, wie auch Corbijn diesen Satz, diese Strophe besonders hervorhebt. These things I could never describe. Poetry, sein Traum, wie Rosen in dieser bleakness, weil es keine Verständigung gibt zwischen Menschen, du kannst nur an diesem Ort, der keiner ist, beschreiben, was wirklich ist und was du bist, das ist das tödliche Paradoxon. Auch wieder: die Empfindung, wie neben Joy Division so vieles, was mit Abstieg in Dunkelheit spielt, Kindercartoon wird.

Bald Prag, schon jetzt all my loving best for September and for every Now!




















I'M ASHAMED OF THE THINGS I'VE BEEN PUT THROUGH, I'M ASHAMED OF THE PERSON I AM. Beim Wiedersehen von Control ganz andere Dinge gesehen, als auf der großen Leinwand. Der Film war so sehr ein Debbie-Film, so sehr von der Enttäuschung, ihrer, geprägt, die ich auch kenne, leider. So vieles von dem, was sie im Nachhinein in seine Gedanken und Gefühle reinlegt, konnte ich nicht mehr glauben, aber genau die Szene, in der er Isolation einsingt, fiel mir auch besonders auf, viel mehr als damals. Das war er, da war sein Zerbrechen, diese Mauer, die er nie überwunden hat, auch nicht mit Annik. Diese Sprachlosigkeit, eines kleinen Jungen, der in seiner Zeit nie ein echtes Gegenüber fand und der nur aus der Not uns seine wunderschönen Lieder hinterließ. Ich war sehr traurig heute. Ich dachte, er hat so vieles nicht mehr erleben können, mit ein wenig mehr menschlicher Kraft, seiner, ihrer, ihrer, ärztlicher, freundschaftlicher wäre es vielleicht anders ausgegangen. Und jedesmal denke ich an unseren heute dicken, glücklichen Robert, der damals fürchtete, er müsste sich auch umbringen, damit seine Musik gehört wird. Schreibt er auch keine traurigen Lieder mehr, so lebt er doch ein langes, erfülltes Leben an der Seite von Familie, Freunden und Fans, die ihn verehren. Finden Sie es überspannt, dies auch Ian zu wünschen, gewünscht zu haben?

Das ist ja alles sehr bezaubernd, was Sie da durch den Äther schicken! Aber nun, ich habe ein sehr dickes Buch gekauft, heute, und viele Kopien nach Hause gebracht und es legte sich so eine Art Ruhe über meinen zerstreuten Geist und ich dachte, es wird alles wahr, ich schaffe es. Theorien und Testbatterien werden ihren Weg in meinen Kopf finden und am Ende wird doch noch alles wahr werden, was vor 7 Jahren als fixe Idee begann und seitdem hart verteidigt werden mußte gegen alle Wirren und Angriffe. Aber zurück zu Scott Walker, das hier gefällt mir auch sehr:



















"Wie lange kann man sich lieben, ohne sich zu verstehen", remember? Ian und Debbie, für mich. Ja, er ist auch daran zerbrochen, und an der Schuld, die er durch das "Wie lange kann man sich verstehen, ohne sich zu lieben" (Annik) empfand. Aber so viel mehr noch - Grönemeyer liest die Nebenwirkungen vor wie ein Todesurteil. Wie das Verdikt: Zu-Tode-Foltern. Die wahrscheinlich klinische Depression, die Angst vor Amerika. Und eben das tödliche Paradoxon.

Ja. Aber letztlich kann unser Wünschen nicht immer hoffen, es gab sie, diese Künstlermärtyrer, die für das, was sie fanden und beschrieben, den konsequenten Aufbruch in die denkbar entlegensten Regionen unternahmen, die Abkehr vom wärmenden Herdfeuer des Sozialen, und der Preis ist in der Regel irgendein Zustand der Verdammnis, Ankunft an einem point of no return, von wo aus es so tragisch wie folgerichtig nicht mehr den Willen oder die Kraft gab, sich von der Kunst in ein längeres, glückliches Leben zurückzuretten.

Oh, "Duchess"! Überhaupt Scott 4 (mit "Boy Child"), die damals schon so befremdend wirkte auf die Fans des Matinee Idol, wenn die geahnt hätten, wo der noch ankommt, damals noch irgendwie ein Mann auf der Suche nach der verlorenen Zeit, die zwischen europäischen Filmen abläuft, eine unerklärliche, traurige, einsame Forgotten Courtyards-Schönheit vor Augen.

Es wird alles wahr! Ohne die Panik, die Zerstreuung und die Zweifel wäre irgendwas nicht richtig! Ma chère, my dear dear Watson, night starts to empty, have wonderful dreams tonight.
















 


Ihnen wünsche ich tschechische Momente, wie man sie schöner nicht wünschen könnte! Vielleicht begegnen Sie sogar Karel Gott in einer Bankfiliale am Staromestske Namesti. Und wenn Sie Prag am Holesovice wieder verlassen, werden Sie ein anderer sein als vorher. Es ist schon so lange her, aber achten Sie mal auf die Ansage in der U-Bahn, bevor die Türen schließen. Unglaublich, ein Satz mit etwa 29 Wörtern. Überhaupt, die Sprache. Und die U-Bahnhöfe. Haben Sie eine gute Reise, my Dear!