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Dienstag, 5. Mai 2020

Tourneur, Katzenmenschen. Teil 4




















Nacht. Irena liegt schlafend in ihrem Bett. Es folgt eine Sequenz, die Irenas (Alb-)Traum bebildert. Eine verschwommene, sich drehende Spirale, aus deren Zentrum – im Zeichentrickverfahren produzierte – schwarze Panther auftauchen, halb furchterregend, halb Art Deco-Schönheit. Fragmente aus den Diagnosen Dr. Judds ("There is in some cases a psychic need to loose evil upon the world"), wiederholen sich auf der Tonspur. Dann taucht das Bild des Doktors auf, er ist gekleidet als King John, der Ritter mit dem Schwert, der Serbien von den Katzenmenschen befreite. Er zieht das Schwert und hält es waagrecht empor; in einer Überblendung wird daraus ein großer Schlüssel – jener Schlüssel, den Irena im Schloß des Pantherkäfigs stecken sah – ihr Mittel, das "Böse", die große schwarze Katze, auf die Welt loszulassen. Irena schreckt aus ihrem Traum auf; die Kamera zieht abrupt von ihr weg.

Für Robin Wood ist dies "one of the finest dream sequences in the cinema because it's so packed, complex and suggestive" (zit. in: Dyson, 116) – "again all the more notable for its presence in a B-movie" (ebd.). Offensichtlich ist der Einfluß auch dieser Szene auf Hitchcock (VERTIGO).

Am nächsten Tag ist Irena wieder im Zoo; im schwarzen Pelzmantel natürlich, und dieses Mal, wie zur Tarnung, mit einer artigen weissen Tüllschleife. Sie zieht den erwartungsgemäß erneut vergessenen Schlüssel rasch aus dem Schloß und verbirgt ihn in ihrer Handtasche. Der Panther, der gerade ein Stück Fleisch verschlingt, blickt dabei – seltsam verstehend – zu ihr auf. Als Irena davoneilt, blicken ihr die Pantheraugen nach; die Gleichen erkennen sich.

Zunächst hatte Irena nur vermutet, nur Angst davor gehabt, daß sie zu den Katzenmenschen gehört; in der Central Park-Szene hat sie sich transformiert und Lebewesen getötet; sie weiß jetzt, was sie ist. Ihr Schluchzen im Bad ist erklärbar durch Schrecken wie durch Schuldgefühl; der Traum und der Schlüsseldiebstahl jedoch suggerieren "the growing dominance of her cat personality, and the next time she changes, it will be a deliberate act, intended to frighten her rival" (Newman, 47).

Durch eine Überblendung wird der Panther aus dem Zoo zu einer panthergleichen Gestalt, die als Galeonsfigur am Modell eines Kriegsschiffes zu sehen ist, in jenem Museum, in dem Irena, Oliver und Alice einen Nachmittag in einer maritimen Ausstellung verbringen. Mit spitzem Tonfall äußert Alice: "I'm afraid this is dull for Irena!" – obwohl Irena gerade besagtes Schiffsmodell äußerst interessiert betrachtet hat. Um Irena loszuwerden, stimmt Oliver ein: "Look, darling, there's some beautiful moderns upstairs. Why don't you take a look at them?" – Seltsame Umkehrung: Oliver und Alice, die "Modernen", schlagen der mit einem intensiven Bezug zur Vergangenheit ausgestatteten Irena vor, sich die "beautiful moderns" anzusehen, die sie doch mehr interessieren müssten. Irena will nicht abgeschoben werden: "But I like these little boats! I want to be with you. Don't send me away." – "We're not sendin' you away, we just don't want you to be bored!" – Wieder ist Irena mit jenem "Wir" konfrontiert, das Alice und Oliver, der jedes seiner Versprechen im nächsten Augenblick schon wieder vergessen hat, nicht mehr verheimlichen vor ihr. "By now it is clear that Alice and Oliver are on the verge of being a couple" (Dyson, 117).

Langsam geht Irena davon, zu der Außenseiterin erklärt, die sie von Anfang an war. Nachlässig ruft Oliver ihr noch über die Schulter zu: "We meet you in the main lobby, in an hour". Irena muß noch sehen, wie Oliver und Alice vor einem Bild die Köpfe zusammenstecken: "Ollie! Look! A drawing of the Victory!" Zurückgestoßen und gedemütigt schreitet Irena eine Treppe hinab, dem Ausgang des Museums zu, doch hält dann inne, bei einer großen, schwarzen, alt-ägyptischen Statue: ein Abbild des schakalköpfigen Anubis. Dyson erkennt hier eine "statue of a cat" (Dyson, 117). Tatsächlich ist es aber ein Anubis. An dieser Stelle ist vielleicht der Hinweis erlaubt, daß CAT PEOPLE für das lächerliche Budget von etwa $134.000 in drei Wochen, zwischen dem 28. Juli und dem 21. August 1942, gedreht wurde (Simone Simon: "Either we rehearsed once and we shot twice, or we rehearsed twice and we shot once" – Frumkes, 83). Daß die RKO Production No. 386 ein B-Movie war, erklärt vielleicht den Anubis: "(...) perhaps (...) the RKO props department didn't have a cat-headed Bubastis in stock (...)" (Newman, 48). Aber auch die Gestalt des Anubis ist halb Tier, halb Mensch.

Zögernd blickt Irena noch einmal hinauf. Die Nähe des Mischwesens scheint ihr Mut zu geben und sie in einem Entschluß zu bestärken. Mit energischen Schritten eilt sie die Treppe hinab und verläßt das Museum – gewillt, ihre "cat powers" (Newman, 48) einzusetzen.

Nach ihrem Museumsbesuch teilen Oliver und Alice ein Taxi, das Alice beim YWCA absetzt, wo sie offenbar wohnt. Sie bittet die Rezeptionistin um den Schlüssel für das Schwimmbad im Keller und nimmt ein kleines schwarzes Kätzchen in die Hände, das auf dem Schreibtisch sitzt: "Oh, what a darling kitten!" Es ist schon das zweite Mal, daß Alice entzückt ein Kätzchen auf den Arm nimmt. Alice geht durch eine Tür nach unten, zum Umkleideraum, während auf dem Schreibtisch das Telefon klingelt und die Rezeptionistin den Hörer abnimmt. Das Kätzchen huscht durch dieselbe Tür wie Alice. Die Erinnerung daran, daß Katzen auch klein und niedlich sein können, wird sofort wieder wirkungslos gemacht: Irena ist ihrer Rivalin gefolgt. Sie fragt die telefonierende Rezeptionistin "Is Miss Moore in?" und erhält einen Wink in Richtung Kellertreppe.

"The tension returns and this time, we feel, some harm must come to her rival." (Dyson, 17). Als Alice, in Badeanzug und Bademantel, das Licht in den Umkleideräumen löschen will, bemerkt sie, wie irgend etwas das Kätzchen erschreckt; etwas auf der Treppe. Alice dreht das Licht aus. Nur noch das Treppenhaus ist hell, nur die untersten Stufen der Treppe sind durch die Tür zu sehen, nur die Schatten des Geländers. Alice späht dort hinaus, als würde sie etwas wahrnehmen, aber zunächst sind nur fallende, hallende Wassertropfen zu hören – ein alltägliches, nun plötzlich unheimliches Geräusch, das davon kündet, wie allein Alice in diesem Augenblick hier unten ist. Und dann ist ein tiefes Grollen zu hören; der dunkle Schatten - eines großen Tieres? - auf der Treppe. Alice wirft ihren Bademantel ab, läuft zum Pool und springt in das Wasser. Die Halle ist nahezu dunkel, die Szene klaustrophobisch. Die Reflektionen des bewegten Wassers huschen über die Decke und über die Wände. Alice, ein Bild kläglicher, mitleiderregender Verletzlichkeit und völligen Ausgeliefertseins, tritt Wasser in der Mitte des Schwimmbeckens und dreht sich um ihre eigene Achse, panisch alle vier Seiten des Pools absuchend. Das animalische Grollen ist näher gekommen und hallt jetzt nach – die Kreatur ist hier. Die Szene ist "a fully-orchestrated symphony of shadows" (Newman, 48); für A.G. Frank ist ihr "horror impact" (Frank, 116) noch größer als bei der Central Park-Szene.

"The screen is turned into a stark chiraoscuro of shadows and reflections. When combined with the accompanying soundtrack of reverbatory swimming-bath ambience, the overall effect is supremely evocative. The atmosphere – which exudes an almost hypnotic power – is so specific that we are placed into the environment totally, allowing us to empathize more completely with Alice than we otherwise would. As the sequence is shot in such a subjective manner (...) we feel it is us who are in the pool as much as Alice." (Dyson, 117). Die Wände werden abwechselnd dunkler und heller, unheimliche Muster zeichnen sich ab; für eine knappe Sekunde wirkt es, als wäre ein "heller Schatten" zu sehen; und dann ist ein amorpher, sich bewegender Schatten erkennbar, jenes Etwas, das in der Dunkelheit noch dunkler ist. Etwas umschleicht das Schwimmbecken, "looking for a chance to strike" (Hogan, 60), und das Fauchen am Rande des Schwimmbeckens macht den amorphen dunklen Fleck zum Schatten eines Panthers. Zwischen den bedrohlich grollenden Lauten dieses Nichtmenschlichen das Geräusch von Wassertropfen.

Schließlich stößt Alice in ihrer Panik gellende Schreie aus, die wiederum schrecklich von den Kacheln widerhallen. Die Rezeptionistin und noch eine Hausangestellte eilen herbei – und finden Irena, die das Licht angeschaltet hat, am Beckenrand steht, zurücktransformiert aus ihrer Pantherform, mit einem sardonisch amüsierten Lächeln und eiskalter Ruhe auf Alice herab blickend: "What is the matter, Alice?" – Alice wendet sich an die beiden herbeigeeilten Frauen: "It's nothing... it was dark down here and Mrs. Reed coming in unexpectedly frightened me... I'm terribly sorry." Und doch bittet Alice die beiden Frauen, sie nicht mit Irena allein zu lassen: "Don't go, I'm coming right out!" – Alice schwimmt auf die Treppe zu, weicht aber wieder zurück, als Irena ebendort an den Rand tritt: "Sorry to have disturbed you, Alice. I missed you and Oliver and I thought you might know where he is!" – "We waited for you at the museum... you'll probably find him at home..." – "If you don't mind then, I'll run on", sagt Irena spöttisch, überlegen, ihr Katzenwesen jetzt ganz und gar im Einklang mit ihrer Irena-persona. "Here, the two actresses manage insincerity with ease, each lying right back at the other; but Alice, dripping wet and hair in rat-tauls, is now the nervous, edgy, marginalised one and Irena, fresh from being a panther, is the composed, cool, sexually confident creature" (Newman, 50).

Irena geht an der Rezeptionistin vorbei, die ihr überrascht und mißtrauisch nachblickt. Alice steigt erschöpft aus dem Wasser und verlangt mit zitternder Stimme ihren Bademantel. Als die Rezeptionistin Alice diesen überreichen will, stellt sie fest: "Gee whiz, honey, it's torn to ribbons!" Ungläubig halten sie den in Stücke zerfetzten Mantel empor: einziger sichtbarer Beweis für das Geschehene. Risse im Stoff, gezogen wie durch die Krallen eines Raubtiers, vielmehr: durch die Krallen eines Raubtiers.

"The swimming pool sequence is often cited as the archetypical Lewton scare sequence, as if it alone encapsulates the power of his style of film-making. I would argue in fact that it is the archetypical Jacques Tourneur sequence (...)" (Dyson, 117). Tourneur hat, so jedenfalls sein Bericht, eine ähnliche Szene selbst erlebt (mit einem Affen). "The fact that Tourneur experienced this terror helps one understand why it is so well conveyed on screen. His willingness to reproduce his own fear on screen tells us much about his commitment to his work (...)" (Dyson, 119). Tourneur selbst äußerte sich zu der Schwimmbad-Szene:

"It is a scene everyone talks about: there's a girl, the heroine, in a deserted indoor swimming pool at night, and her enemy, the girl who becomes a cat, a leopard, prowls along the side of the pool howling, and the shadows are on the walls, and there's a feeling of terror. To get the right feeling of claustrophobia, we purposely selected a pool in an existing apartment building here that was like the inside of a shoebox: white walls and low ceiling, with powerful light reflections from the water. We believed in suggesting horror rather than showing it. The shadow you saw of the big cat on the wall (...) was actually my fist (...)" (zit. in: Newman, 50). 

Schnitt: Dr. Judd in der Lobby des YWCA. Alice hat ihn gerufen. "Thank you for coming at so late an hour, Dr. Judd. I phoned you because I'm troubled. I think you can help me. How much do you believe about the Cat People?" – "The Cat People? The story Mrs. Reed told me?" – "Yes." – "My belief, my dear Miss Moore?" An seinem phallischen Stock herummanipulierend, offeriert Dr. Judd seine rationale Erklärung: "Exactly as I told Mrs. Reed – the story is a product of her own fear – her own overworked imagination." Schließlich ist es seine Funktion, rational zu "erklären", was wir bereits als übernatürlich erkannt haben. – "What would you say, Dr. Judd, if I were to tell you that I believe Irena's story? Twice I've been followed by something that was not human, something that attempted to take my life. I believe that was the cat form of Irena!"

Alice glaubt also jetzt, daß Irenas Version glaubhafter ist als diejenige Dr. Judds; daß Irena die Form eines Panthers annehmen kann, daß sie eine Katzenfrau ist. Dr. Judd fragt: "Why should she wish to harm you?" – "Because I'm in love with her husband." – "Oh my dear Miss Moore, the story grows more and more charming. Simpler too, all the time. You're both victims of fear. Mrs. Reed fears the past and you fear the present. Mrs. Reed has a very strong imagination, and you have an equally strong conscience." – "Dr. Judd, the danger that threatened me was very real!" – "You disappoint me, Miss Moore." – "Here is my robe."

Nachdem Alice ihren zerfetzten Bademantel präsentiert hat, nutzt Dr. Judd die Chance, wieder mit Irena in Kontakt zu kommen – zumal Alices Verbindung mit Oliver ihm gewiß nahelegt, daß Irena jetzt "offener" dafür sei: "To understand this, I should first have to hear Mrs. Reed's version of the story myself. That should be a most interesting interview." Alice rät ihm dringend, sich nicht auf eine möglicherweise tödliche Begegnung einzulassen: "I shouldn't advise you to see her alone." – "Do you think I'm afraid of so charming a lady?" – "Dr. Judd, I know you don't believe me, but you must be careful." – "Oh, you want me to carry some means of protection – a gun, perhaps, with a silver bullet? Is that what you mean?" – "If you're lucky enough to have one."

Über eine silver bullet, Anspielung auf den Universal-Wolfsmenschen, verfüge er nicht. Aber er hat etwas anderes. "Hmmm... Of course - this isn't silver." Er zeigt ihr kurz die Klinge, die er in seinem exzentrischen Stock verbirgt. "Good night, Miss Moore." Und er geht, um seinen Phallus in Irena zu stecken. Und da sein Phallus-Substitut eine Art Schwertklinge ist, erinnern wir uns an King John.

In der nächsten Szene ist Irena tatsächlich in Dr. Judds Praxis erschienen. Aus welchen Gründen auch immer, jedenfalls findet diese Sitzung nicht im Dunkeln statt; vielmehr verhört Dr. Judd Irena bei hellem Tageslicht und bezichtigt sie umgehend der Unwahrhaftigkeit:

"You say you have lapses of memory for which you cannot account. They're becoming more frequent and you're afraid." – Irena fleht: "Help me." – "I can't help you. You're not truthful with me." Noch einmal richtet Irena ihre inständige Bitte an die Welt: "But I am! I've told you everything. I have not lied to you." – Dr. Judd setzt sich auf seinen Tisch, kommt sehr nah an Irena heran: "Do you sincerely believe that if your husband were to kiss you, you would change into a cat and rend him to bits?" – "I don't know. I'm only afraid." Dr. Judd lehnt sich weiter vorwärts: "And if I were to kiss you?" – "I only know that I should not like to be kissed by you." Newman beobachtet fein: "Like the animals in the pet shop, Irena knows who's 'not right' (...)" (Newman, 54).

Dr. Judd legt einen bedrohlichen Ton in seine Stimme: "My dear Mrs. Reed. Sometimes in my profession there comes a contest of wills between the doctor and his patient. Patients are clever, very clever, and they can fool the doctor – sometimes. You're very clever and perhaps you enjoy this little game you're having with me, but I shall discover your secret!" – Irena antwortet verzweifelt: "Dr. Judd, believe me – I beg you to believe me! I have no secret! I told you everything. I have not lied to you! I need your help!" – "I can't help you, but I can warn you. These hallucinations approach insanity. This nonsense about Miss Moore, at the park and in the swimming pool – it's a deterioration of the mind, an escape into fantasy. And it's dangerous." – Er richtet seine brennende Zigarette auf sie: "At this moment, I could go before a board and have you put away for observation. You're that close to real insanity. I can't help you. You can only help yourself. You keep going back to the mad legends of your birthplace. Forget them!" Er legt seine Hand auf ihre Schulter: "You surround yourself with cat objects, pictures. Get rid of them! Lead a normal life."

Offensichtlich hat Irena eine Phase, in der ihr Katzenwesen in den Hintergrund getreten ist; jedenfalls scheint sie sich während ihres Besuches in Dr. Judds Büro ein letztes Mal sehnlich zu wünschen, "normal" zu sein. "The cold, calculating human Irena who bluffed her way into the YWCA and played icy poolside conversation games is as much an alternate personality as her cat form" (Newman, 54). Und darum denkt sie ernsthaft über das nach, was Dr. Judd soeben gesagt hat. Sie geht zur Tür und sagt: "You know, for the first time, you've really helped me." – Dr. Judd, offenbar selbst etwas überrascht, legt wieder Samt in seine Stimme: "Maybe it's because you interest me." Und sieht ihr nach mit gonna-get-you-Blick.

Dr. Judd ist blind für Irenas wahre Natur, lehnt überhaupt jede Beschäftigung damit ab. Und hier, wie überall, wird genau diese Haltung dem Anderen gegenüber das zerstörerische Potential des Anderen aktivieren.

Jene Irena, die Dr. Judds Büro verläßt, ist von neuem gewillt, sich mit Oliver auszusöhnen – ihn zu lieben und ihm ihre Liebe zu zeigen. Zuhause zündet sie, "all desperate smiles" (Newman, 55), Kerzen an für ein abendliches Dinner zu zweit am brennenden Kamin. Oliver erscheint, wirkt ernst und zieht seinen Trenchcoat gar nicht erst aus. Irena glüht ihm entgegen: "Oliver, I went back to Dr. Judd's office. I'm no longer afraid!" – Und sie ist in diesem Augenblick bereit für seinen Kuss und seine Umarmung; empfänglich für seine Wünsche; selbst wünschend, "wirklich Mrs. Reed" zu sein. Das Goya-Gemälde hängt nicht mehr über dem Kamin, Irena hat es abgehängt.

Dies ist wiederum ein bedeutender Augenblick: in dem die Frage auftaucht, was geschehen würde, wenn Irena jetzt zu "Mrs. Reed" würde. Wir wissen, daß Eifersucht und Zorn sie verwandeln; wir wissen, daß Eifersucht als der Katalysator gewirkt hat. Mehr nicht. Da sich Irena bereits in einen Panther verwandelt hat, ist es wenig wahrscheinlich, daß es sich in diesem Punkt, der sexuellen Erregung, nur um die Fallstudie einer Obsession handelt. Man könnte sich dennoch fragen, ob nicht der Schlüssel bei Oliver liegt; daß unterschwellig von seinem Horror vor einer ungeheuerlichen Erotik die Rede ist, wenn er Alice als die ihm angemessene Frau erkennt, ist deutlich. Ob jedoch erotische Ekstase, in einer bestimmten psychischen Disposition genossen, nämlich in ihrer Gewalt willkommen geheißen, den Fluch womöglich aufgehoben hätte, ob nur innere Ablehnung die Verwandlung Irenas während eines Sexualakts bewirkt hätte, all dies muß Spekulation bleiben, denn mit seinem "spectacularly bad timing" (Newman, 55) erklärt Oliver:

"Believe me, Irena, I'd have been the happiest man in the world if you'd told me that a little while ago. But things have changed. I had to learn, maybe through this marriage of ours. I didn't want to tell you this, but now, you see, I have to. I love Alice. Irena, it's too late." 

I had to learn, through this marriage of ours – das ist, in nuce, eine im Horrorgenre gängige Bewegung, mit der das Eigene (das Selbst) das Fremde (das Andere), dazu benutzt, sich zu konsolidieren. In CAT PEOPLE aber schlägt das Andere dadurch zurück, daß es die Ärmlichkeit dieser Konsolidierung (und der Liaisons, die sie gewährt) deutlich vor Augen führt.








"Too late..." – Irena verschränkt die Arme, schaudernd (als wäre eine Katze über ihr Grab gelaufen), ihre Fingernägel scheinen spitzer zu werden. – "There seems only one decent thing for me to do", fährt Oliver fort, "I'll give you divorce. Believe me, it's better this way."
"Again", beobachtet Newman, "she has an instant insight into a man's character" (Newman, 55). Sie antwortet:
"Better? Better for whom?"
"Irena..."
"Speak... you can't speak! There's nothing you can say, there's only silence..." Und mit diesem Satz geht ein sichtbarer Wandel in Irena vor. Sie wirft sich auf das Sofa, preßt ihr Gesicht gegen das Kissen, und wispert unter Qualen: "... but I love silence! I love loneliness..." – was sie dann flüstert, ist nahezu unverständlich,  inkohärent, sie sagt es nur noch sich selbst: "In me, they are in me... their strength... they're soft... they're soft..."

Oliver geht auf sie zu: "Irena, you're talking like an insane woman..." – Sie fährt ihn an: "Please go! I want you to go, please! Go. Go!" Geschockt verläßt Oliver das Apartment.
Irena will, daß Oliver geht – aus Furcht davor, daß sie ihn anfällt. Mit ihren Fingernägeln reißt sie anstrengungslos drei parallele vertikale Linien in den samtigen Sofa-Bezug: "this image is one of the film's most subtly chilling, suggesting what those same nails might do to a human face" (Newman, 56). Irena ist "eine Exilantin für immer. In der geordneten Welt von Oliver findet sie keinen Platz." (Schifferle, 86).

Eine spontane Versammlung bei Sally Lunn's. Minnie bringt das Bestellte für Alice ("Bavarian cream"), Dr. Judd ("Roquefort") und Oliver ("and you get the Apple Pie"), die unter dem Vorzeichen, das Beste für Irena zu wollen, ihre Verschwörung gegen sie schmieden – wenn auch mit unterschiedlichen Hintergedanken.

"I have pointed out two alternatives, Mr. Reed. Either have her put away for observation and restraint, or have your marriage annulled."
"It's tough for Oliver either way, Doctor", wirft Alice ein. Der smarte Doktor versucht Oliver und Alice auf die Linie zu bringen, die ihm die günstigsten Aussichten bietet:
"As a psychiatrist, I should recommend that you have her put away. As your friend, however, I have much more reasonable advice to offer. I think you should have your marriage annulled. In that way, you are free of responsibility. You two could marry."

Alice fragt: "And if Irena's sent away?" – "The law is quite explicit", antwortet Dr. Judd, "one cannot divorce an insane person." Oliver hat Skrupel: "If she's not well, I gotta take care of her." Alice fügt hinzu: "It's the only right thing, Ollie." Ohne weiter zu argumentieren, erklärt Dr. Judd, er werde also die Einweisungspapiere vorbereiten: "As you will. I'll have the commitment papers drawn up, and arrange an interview with Mrs. Reed at her apartment tonight. Shall we say – six o'clock?"

Doch Irena erscheint nicht. Das Trio wartet seit eineinhalb Stunden im – entsprechend verqualmten – Apartment; mit den Worten "Let's not play that" stellt Oliver das Grammophon aus, auf dem Alice gerade jenes Lied abspielt, das wir als Irenas Motiv kennengelernt haben. Oliver erklärt: "I don't think she intends coming. She's probably walking in the park." Alice schlägt vor: "Ollie, let's get back to the office. We've had a terribly broken-up day, and there's lots of work to be done." Entweder ist das Arbeitsethos dieser Frau erschlagend, oder sie sucht nach einer Gelegenheit, mit "Ollie" allein zu sein, wiewohl in "unverfänglicher" Umgebung.  "Suits me", stimmt Oliver zu. Dr. Judd hat währenddessen heimlich seinen mörderischen Spazierstock hinter einem Sofakissen verborgen. Im Treppenhaus gibt er dann vor, seinen Stock vergessen zu haben, bittet Oliver um den Schlüssel und kehrt noch einmal in das Apartment zurück. Heimlich macht er sich am Schloß zu schaffen, so daß die Tür unverschlossen bleibt – für spätere Benutzung.

Newman beobachtet die Reste bigotter Moral in der Unmoral: "It seems likely Oliver and Alice sublimate their desire for each other into their work (...)" (Newman, 57) – und so kehren sie also am späten Abend in das dunkle, verlassene Büro zurück und beschäftigen sich tatsächlich mit Schiffskonstruktion. Bis das Telefon klingelt, Alice einen weiteren stummen Anruf entgegennimmt und zu dem Schluß kommt, daß eine drohende Gefahr ganz in der Nähe lauert: "It happened once before like that. Telephone rang, and I answered. There was someone on the other end of the line. I could almost hear them listening. Then there was a little click as they hung up the receiver. That was the night I was followed on the transverse... Ollie, let's get out of here! I'm afraid! That was Irena! I know it was Irena who called. She could call from downstairs. She may be on her way up now!" – Oliver antwortet knapp: "Get your things." – Während sie sich anziehen, bemerkt Alice: "The door is open, we can see to get out into the hall." Oliver sagt, er wolle noch die Tischlampen ausmachen. Da fällt Alices Blick auf die Tür: "Shut now! Just a minute ago it was open!" Kein Geräusch war zu hören außer dem Rascheln der Mäntel. Oliver geht zur Tür: sie ist abgeschlossen.








Und dann ist das laute Fauchen des Panthers zu hören, und die Silhouette eines wirklichen Panthers ist zu sehen, zwischen den Büromöbeln durch die schattigen Winkel des Büros schleichend, und im Dunkel leuchten bedrohlich seine Augen. Oliver und Irena fliehen in eine Ecke, hinter einen der Tische, ihre Gesichter von unten beleuchtet durch die Zeichentischlampe. Hier, wie schon zuvor, scheint es: hätte Irena Alice, Oliver oder beide verletzen oder töten wollen – sie hätte es längst tun können. Oliver – jetzt endlich überzeugt – nimmt einen T-Winkel von der Wand, hält ihn umgedreht, so daß er einem Kruzifix gleicht, und beschwört das Wesen vor ihm: "Leave us, Irena... in the name of God, leave us in peace." An der Wand erscheinen übergroß die Schatten von Oliver und Alice, sowie der Schatten des "Kreuzes" – "adding more mythic resonance than if we were just shown them conventionally framed (...)" (Dyson, 119). Das Objekt produziert den erhofften magischen Effekt. Der Panther scheint demütig den Kopf zu senken, weicht zurück – und ist verschwunden. Ein zischendes Geräusch ist zu hören. Dann der Blick in den leeren dunklen Büroraum: nichts. Im Hintergrund ist die verschlossene Bürotür sichtbar. Dann ein Schnitt auf Oliver und Alice. Dann eine andere Einstellung des Büros: die eben noch verschlossene Tür ist jetzt offen, Licht dringt aus dem Flur. All dies in wenigen Sekunden, bei völliger Stille.

Oliver und Irena finden ihre Fassung wieder und fliehen aus dem Büro. Im Korridor Schatten an der Wand, die auf seltsame Weise an Zielscheiben erinnern. Der Fahrstuhl: offen, nicht einsehbar. "Let's go down the stairs", beschließt Oliver. Als sie sich umgedreht haben, um die Treppe hinabzustürzen, schließt sich – unsichtbar für sie – die Fahrstuhltür. Alice hat kurz vor dem Ende der Treppe einen leichten Schwächeanfall, erklärt aber, sie habe keine Angst. Als sie die Eingangshalle erreicht haben, ruft sie: "Look!" – die Drehtür dreht sich. Und Alice erkennt den Duft, der die Lobby durchzieht: "Irena's perfume... strong, sweet." Sie laufen durch die Halle, bleiben draußen noch einmal stehen, sehen sich um – nichts. "I need a drink", sagt Alice. Oliver nimmt sie in den Arm, und sie gehen durch die Nacht davon.

Irena hat sich während dieser dritten stalking scene nicht nur tatsächlich, sondern auch sichtbar in einen Panther verwandelt. "This is the scene that seems to excite the most criticism (...) and Tourneur wasn't keen on including an actual panther. (...) For those who want to preserve their ambiguity, at least until the very last scene, there is a possible rational explanation: Irena stole the key to the panther cage, remember – she could have released it and brought it to the office (...)" (Newman, 57). Daß Irena den Zoo-Panther befreit und in das Büro eingelassen hat, um ihn dann wieder in den Zoo zurückzubringen – theoretisch sicher möglich, aber völlig unwahrscheinlich. Newman gibt zu bedenken, daß auch der tatsächlich erscheinende Dämon in Tourneurs Night of the Demon (1958) durchaus nicht der Fehler war, den Tourneur selbst darin vermutete ("There's nothing wrong with a monster if it's a good monster, and the Night of the Demon fiend is tremendous" (Newman, 76).

Ebenso verhalte es sich mit CAT PEOPLE: "We have had two major transformation scenes without seeing the creature (...) The prowling, flashing-eyed big cat allows this scene to build on the earlier ones, showing us just a bit more. Even if he was grouchy about being made to use a leopard, Tourneur (...) pulls off a bit of bravura in this scene." (Newman, 57 ff.) Newman meint hier vor allem den Einsatz von Licht und Schatten: "With the strong underlighting from the drafting tables shining merciless spotlights on Oliver and Alice (...), the scene uses light as inventively as shadows to terrify. The cat inhabits pools of dark (...) but its potential prey are frozen in harsh, bright whiteness (...)" (Newman, 59). Der Einsatz des T-Winkels dagegen dünke dagegen manchen "as unintentionally funny" (Newman, 59); auch Dyson findet hier die eine schwache Stelle des Films: da man einen realen Panther sehe, wirke "the lame attempt at a spiritual appeal to defeat Irena (...) unconvincing" (Dyson, 119). Gewiß, man muß einiges dazudenken: Irenas King-John-Idolatrie, ihr Kreuz-Schlagen beim Erscheinen der Katzenfrau-Schwester. Es ist andererseits aber nicht einmal zwingend notwendig, den Rückzug des seltsam betroffen wirkenden Irena-Panthers als Reaktion auf gerade diese Geste zu sehen. Vielleicht erfüllt Irena einfach nur den Wunsch des Mannes, den sie liebt – "leave us, Irena, leave us in peace" – wissend, daß er von ihr erwartet hat, daß sie auf andere Weise ihre Liebe zeigt, tut sie es gleichwohl vielleicht auch in diesem Augenblick.

Schnitt: Dr. Judd wartet, Zigarette in der Hand, in Irenas Apartment auf die geplante Verführung – und wenn nicht Verführung, dann Vergewaltigung. Er hat sich in Stimmung gebracht mit der Schallplatte, die Irenas Lied spielt. Das Telefon klingelt. Oliver und Alice stehen in einer Telefonzelle, Alice ist am Apparat. "Dr. Judd?" – "Miss Moore!" – "Yes, we've been trying to get you on the phone, Dr. Judd, I called your hotel." (Darauf muß Alice eine Art weibliche Intuition hinsichtlich Dr. Judds augenblicklichen Aufenthaltsort ereilt haben). "Yes, I know, that's what I want to talk about. Are you alone? You'd better leave then, she may be on her way back, now! But she is dangerous, Dr. Judd, I warn you! Hello? Hello, Dr. Judd?"

Dr. Judd antwortet nicht mehr, er legt auf, denn in diesem Augenblick öffnet Irena die Tür zu ihrem Apartment. Sie gehen aufeinander zu. Noch einmal Schnitt in die Telefonzelle: "Dr. Judd!" Dann hängt Alice ein. "I think Irena just came in, he hung up on me!" – Sie nehmen ein Taxi.

Dr. Judd, mehrfach gewarnt, daß Irena gefährlich sei, weigert sich noch immer zu sehen, daß sie eine Bedrohung für ihn ist. Er steht nahe bei ihr und läßt seine Stimme schnurren:
"You're late, aren't you? I kept my appointment. You see, I've never believed your story." Er nimmt ihre Schultern in seinen festen Griff. Seine Sexualität, nicht ihre, ist die Bedrohung.
"I'm not afraid of you... I'll take you in my arms. So little... so soft... warm perfume in your hair... your body... Don't be afraid of me, Irena..."

Er küsst sie. Teilnahmslos läßt sie den aufgezwungenen, gewaltsamen Kuss über sich ergehen; ihr Auge blickt in weite Ferne. Er, der "Ritter", King John mit seinem Schwert, der glaubt, er könne das Biest mit seinem Kuss zähmen, führt die Transformation Irenas in einen schwarzen Panther herbei. Auch Dr. Judd erstarrt während dieses Kusses. Nach dem Kuss ist Irenas Gesicht zu sehen – leer, trancehaft und zugleich von einem furchtbaren Willen gezeichnet. Ihr Gesicht verdunkelt sich, ihre Augen glühen und funkeln, die Transformation in einen Panther nimmt ihren Lauf.








"There's some fine acting from Simone Simon, her expression suggesting a complexity of deviousness. Tourneur even sees to it that her eyes are highlighted with spotlights so that they sparkle mysteriously as she slowly descends out of the frame. This is the closest we're going to get to a transformation scene, but it is made effective by the cut to Judd and the expression of terror that grows on his face" (Dyson, 120).

Schnitt also auf Dr. Judds Gesicht, der zuerst beunruhigt, dann entsetzt Zeuge der Transformation wird. Er weicht zurück, als Irena näherkommt, und zieht dann die phallische Klinge aus seinem Spazierstock, wobei er die Lampe, die den Raum erhellt, vom Tisch stößt. Die Schatten an der Wand (und auf dem Paravent), die hektische Musik und Schnittfolge erklären jetzt, was geschieht: ein Kampf auf Leben und Tod zwischen Dr. Judd und einer Raubkatze. [Goya ist wieder zurück über dem Kamin]. Schließlich wirft sich der Panther mit einem spektakulären Sprung auf sein Opfer; Dr. Judd versucht, ihn mit seiner "Schwert"-Klinge aufzuspießen – die letzte Geste King Johns. Die Klinge bricht ab. Oliver und Alice erscheinen in der Eingangshalle, als ein horrender Schrei – ein Todesschrei – zu hören ist. Sie stürmen hinauf.

Irena hat das Apartment lebend und wieder in menschlicher Form verlassen. Sie hält ihre linke Schulter, und sie schwankt. Sie schafft ein paar Schritte die Treppe hinab und versteckt sich hinter einer großen Topfpflanze; Oliver und Alice laufen an ihr vorbei. Vor der Tür zum Apartment versammeln sich neugierige Nachbarn.

Als Oliver mit Alice die Treppe hinauf läuft, blickt Irena ihm ein letztes Mal nach – verwundet, auf jede erdenkliche Weise. Sie senkt den Blick. Alles ist verloren, alles war vergebens. Sie schleppt sich weiter. Jemand ruft Oliver in das Apartment. Irena steht unten am Treppenabsatz und sieht nochmals hinauf, macht eine schwache und vage Geste mit der Hand – ein Abschiedsgruß, den niemand mehr sieht.

Oliver und Alice entdecken in der tumultuarisch verwüsteten Wohnung die grausam zugerichtete Leiche Dr. Judds – und die Tatsache, daß seine Klinge in der Mitte zerbrochen ist. Die andere Hälfte steckt in Irenas Schulter; "broken off inside Irena" (Dyson, 120). Sie stürmen wieder aus dem Apartment, um Irena zu suchen.








Irena hat sich mittlerweile durch den Nebel der Nacht in den Zoo geschleppt – die letzte Flucht der ewigen Exilantin. Langsam nähert sie sich dem Käfig des schwarzen Panthers. Ruhig und wachsam liegt er da. Als er sie bemerkt, erhebt er sich, leise fauchend und erwartungsvoll. Irena steckt den Schlüssel, den sie gestohlen hat, in das Käfigschloß. Um das Tier zu befreien – und um es einzuladen, sie tödlich zu attackieren. Der Panther grollt und scheint zunächst zurückzuweichen. Aber Irena weiß, was geschehen wird, und sie macht sich bereit. Eine winzige, tapfere Geste, mit der sie ihren Körper spannt, wie um aufrecht vor dem Hinrichtungskommando zu stehen. Sie steht da in Erwartung. Und auch der Panther hat sich nur zurückgezogen, um seinen Körper für den Sprung in die Freiheit zu spannen. Dabei erfaßt das Tier Irena mit seinen mächtigen Krallen, und sie fällt zu Boden. Der Panther hat sie getötet, nicht die abgebrochene Klinge, die jetzt sichtbar aus Irenas Körper ragt. Das Tier springt über die Steinmauer des Zoos, wird aber beim Sprung hinab sofort von einem vorbeifahrenden Auto erfaßt – "visual metaphor for Irena's fate" (Dyson, 120). Zu hören ist nur der dumpfe Schlag. Zu sehen ist nichts; erst als die Fahrer sich das Malheur besehen, liegt ein dunkles fellbedecktes Etwas auf dem Boden.

Ein dunkles, fellbedecktes Etwas liegt auch auf der Erde, als Oliver und Alice den Zoo erreichen. Irenas Körper. Das Etwas ist so dunkel und undeutlich, "that if one chooses one can see it as a panther's corpse" (Dyson, 120). Oliver kniet sich hin, um die dunkle Figur zu betrachten; Alice, hinter ihm, kommt langsam näher. Genau in dem Augenblick, als sie entsetzt ihre Hand ausstreckt, ein Impuls, mit dem sie auf das Unglaubliche zeigt, das sie sieht, sagt Oliver die letzten Worte des Films: "She never lied to us."

Oliver nimmt Alice, deren Aufgabe es war und ist, Oliver in die normale Welt zurückzubringen, in den Arm, und sie gehen langsam in ebendiese Richtung.

Die Kamera zieht sich vom Schauplatz zurück, und ein (diesmal authentisches) Zitat aus den Holy Sonnets von John Donne beschließt, als Einblendung, den Film:

"But black sin hath betrayed to endless night / My world, both parts, and both must die". 

Durch schwarze Sünde wurde meine Welt zu beiden Teilen ausgeliefert einer ewigen Nacht. Und beide Teile müssen sterben.  (Heilige Sonette V.)





















Literatur:

Dyson, Jeremy: Bright Darkness. The Lost Art of the Supernatural Horror Film, London 1997.
Frank, Alan G.: Horror Movies, London 1974.
Frumkes, Roy: Interview mit Simone Simon, in: The Perfect Vision # 20, New York 1994.
Hogan, David J.: Dark Romance. Sexuality in the Horror Film, Jefferson 1997 (Reprint der Erstausgabe 1986).
Newman, Kim: Cat People, London 1999 (BFI Film Classics).
Schifferle, Hans: Die 100 besten Horrorfilme, München 1994.
















Montag, 4. Mai 2020

Tourneur, Katzenmenschen. Teil 3







Simone Simon






Am nächsten Tag, im Büro. Oliver arbeitet mit Alice an einer Kalkulation und gibt durch falsche Angaben seinen Gemütszustand preis. "That's the third wrong figure you've given me this morning!" Alice schlägt eine Zigarettenpause vor, und am Wasser-Automaten stellt sie mit ihrer clever-girl-Stimme fest: "Something's on your mind!" Als Oliver zunächst ausweicht, insistiert sie: "Must be marriage." – "Well, in a way it is. I'm worried about Irena." – "But I thought she was going to Dr. Judd?" – "Yeah, that's what I thought." Aber Irena ist seit ihrem ersten Besuch nicht mehr bei Dr. Judd gewesen. "But you told me she seems so anxious to be cured." – "Apparently not", zerdrückt Oliver seinen Becher. "I'm sorry, Ollie. Must make you very unhappy." Ollie offenbart seine Unfähigkeit im Umgang mit Irena – Eindimensionalität und Seichtheit: "You know, it's a funny thing. I've never been unhappy before. Things have always gone swell for me. I had a grand time as a kid, lots of fun at school, here at the office with you and the Commodore and Doc. That's why I don't know what to do about all this. I've just never been unhappy..."

Alice beginnt zu schnüffeln; ihre Tränen sind effektvoll genug platziert, um selbst Oliver etwas mitzuteilen: "Hey... now wait a minute!" Er reicht ihr ein Kleenex und schiebt sie hinter ein Regal, für eine etwas intimere Situation. "I can't help it", erklärt Alice. "I just can't help it. I can't bear to see you unhappy. I love you too darn much, and I don't care if you do know it, Ollie. I love you. I'm sorry, forget it. There's Irena – you're in love with her." Aber Oliver ist ins Grübeln gekommen:

"I don't know. All this trouble has made me think... I don't know what love really is. I don't know even whether I'm in love with Irena." Und Alice nutzt die Gunst des Augenblicks für Worte, von denen sie sicher sein kann, daß sie in diesem Augenblick Oliver wie eine Verlockung erscheinen müssen: 

"I know what love is! It's understanding. It's you and me and let the rest of the world go by. It's just the two of us living our lives together, happily and proudly. No self-torture and no doubt. It's enduring and it's everlasting. Nothing can change it. Nothing can change us, Ollie. That's what I think love is."

"Well, that isn't the way I feel about Irena", entgegnet Oliver. "It's a different feeling. I'm drawn to her. There's a warmth from her that pulls at me. I have to watch her when she's in the room. I have to touch her when she's near. But I don't really know her. In many ways, we're strangers." Trotzdem ist Oliver Irena in diesem Augenblick näher als in ihrer Nähe. Um die Sprache zu vollenden, die der Americano versteht, nimmt Alice seine Hand: "You and I – we'll never be strangers!"

Mit Irena und Alice – die "seltsame Ausländerin" und das "ganz normale Mädchen" – stehen sich Welten gegenüber: undurchschaubare Erotik, das Fremdartige und der Hauch des Perversen einerseits; unkompliziertes Zusammenleben mit der Maxime: nothing can change us andererseits. Das Annehmen des Komplizierten gegen das Ausschließen des Komplizierten als "self-torture". Die magnetisch anziehende, "gefährliche" Frau, exotisch und mysteriös – und die Frau als "ungefährlicher" Kumpel. Eine Welt jenseits der Vorstellungen und eine übersichtlich geordnete Welt. Das den Film nun dominierende Thema der weiblichen Rivalität verschärft sich durch Olivers fortgesetzte Ignoranz; er bricht sein Versprechen an Irena, für ihr Glück alles zu tun (Handstände auf der Straße!), schon am nächsten Tag, indem er seine Nöte zu vertraulichen Mitteilungen an Alice macht. In seiner Ratlosigkeit über Irenas Zustand, mehr noch über seinen eigenen Zustand des ihm bislang unbekannten Unglücklichseins, sucht er Trost bei Alice. Diese nutzt den günstigen Augenblick und gesteht ihre Liebe zu Oliver. Die "gute" Alice, der gute Kumpel, such a good egg – all dies wird von Lewton und Tourneur unterhöhlt. Was tatsächlich geschieht und dazu beiträgt, daß es nicht gelingen will, Irena als "die Böse" zu betrachten, ist, daß Alice sich an einen verheirateten Mann heranmacht.

Irena, die Oliver zugetan und dankbar ist, hatte niemals vor, die Büchse der Pandora zu öffnen und das "Böse" in ihr auf die Welt loszulassen; sie wird dazu getrieben. Das Dämonische antwortet auf seine Dämonisierung als es selbst, hätte aber ohne seine Dämonisierung vielleicht geschwiegen. Oliver ist besorgt, aber mehr um sich selbst. Jenes Andere, das Irena repräsentiert, mag bezaubern, betören, hypnotische Faszination ausüben; letztlich wird doch von ihm erwartet, daß es sich durchschauen, einordnen und auf die Ebene der Normalität bringen läßt. Da dies nicht gelingt, wird ihm sein ursprünglich hilfesuchender und vertrauensvoller Kontakt mit dem Normalen als bedrohlicher Übergriff gespiegelt: immer deutlicher wird Irena zu verstehen gegeben, daß sie ein unerwünschter Eindringling ist. So wird das "Böse" gezwungen, sich zu sich selbst zu bekennen, obwohl dieses Andere gewillt war, sein dunkles Wesen im Zaum zu halten. Lewton und Tourneur stellen sich, indem sie diesen Prozeß erkennbar machen, auf Irenas Seite. 

Newman nennt Alices Konfessionen "the film's worst speech", jedoch:

"This flatly-shot, rather prosily-written scene is curiously affecting: Smith and Randolph sense that they have a moment on screen without competition from Simon, and struggle for the meaning in their lines as their characters struggle with a world beyond their comprehension. Given that the scare stuff in the rest of the film depends upon an audience empathising with Alice, who is the possible victim in two famous stalking sequences, this scene is also supposed to make us to some extent write off our sympathy for Irena and think more fondly of Alice. If Irena is the monster then Alice is, after all, the heroine. Though the fright scenes work, demonstrating that it's possible for audiences to be unnerved on behalf of an unsympathetic character, nothing could make us really like the calculating Alice or the cloddish Oliver. Is it possible that square audiences of the time identified with these limited 'Americanos' and were repulsed by the sinisterly foreign Irena? If so, it's a bizarre effect for a film directed and produced by immigrants, a Frenchman and a Russian" (Newman, 39 ff.)

Ebenso äußert sich Dyson: Alice erscheint als Version des "good clean all-American girl, in contrast to Irena's European neuroticism"; jedoch sei auffällig, "and not surprising, given Lewton's lineage, (...) that whereas one might expect our sympathies to extend to Oliver, they remain increasingly with Irena." (Dyson, 112). – Alice wiederum zielt am Punkt vorbei, wenn sie zu Oliver sagt: "You and I, we'll never be strangers", just in dem Augenblick, als Oliver seine Faszination für Irena beschrieben hat. So unzulänglich er für dieses Wesen ist und bleiben wird, so sehr erweist er sich in diesem Augenblick auch als tragischer Charakter. Auch wenn im Film nicht unbedingt sichtbar wird, was er in diesen Sätzen äußert: er hat etwas ganz Besonderes wahrgenommen, das er nicht versteht. Andere nehmen das Außerordentliche noch nicht einmal wahr.

Die nächste Szene, wieder im Central Park-Zoo. Während das Liedchen zu hören ist, das der Zoowärter singt, geht Irena an den Käfigen vorbei. Sie bemerkt, daß der Zoowärter den Schlüssel zum Käfig des schwarzen Panthers im Schloß vergessen hat. Sie öffnet das kleine Tor, das den direkten Zugang zu den Käfigen erlaubt, läßt den Zuschauer für einen Moment im Ungewissen, zieht den Schlüssel auch tatsächlich aus dem Schloß, folgt aber dem Wärter (wobei der Panther sie laut anfaucht): "You forgot your key!" – "Aww, I'm always forgettin' it!" – Aber das sei nicht weiter schlimm: "Nobody'd want to steal one of them critters!" – Lächelnd wendet sich Irena zum Gehen, doch sie muß feststellen, daß jemand sie beobachtet hat: Dr. Judd, der sich a) gedacht hat, wo sie zu finden ist und b) ein intensives Interesse daran hatte, sie zu finden. Er spricht sie an: "You resist temptation admirably." – "Temptation?" fragt Irena scharf und frostig zurück. "The, uh... key." Er zeigt mit seinem ominösen walking stick in Richtung Käfigschloß. – "Oh. Why would I want it?" – "For many reasons. There is in some cases a psychic need to loose evil upon the world, and we all of us carry within us a desire for death. You fear the panther, yet you're drawn to him, again and again. Couldn't you turn to him as an instrument of death?" Irena blickt ihn kurz an, als fühle sie sich ertappt. 

"You didn't come back to see me Friday. I've had to come to you!", erklärt Dr. Judd. – "How did you know where to find me?" – "You told me many things", lächelt der Durchtriebene. "Why didn't you come back?" – Irena erklärt ihm offen, daß er auf dem Holzweg sei, wenn er ihre Angst einem mentalen Problem zuschreibe: "I don't feel you can help me. You're very wise, you know a great deal, yet when you speak of the soul, you mean the mind, and it is not my mind that is troubled." – "What a clever girl", antwortet der selbstgefällige Doktor. "All the psychologists have tried for years to find that subtle difference between mind and soul, and you've found it." – "It does seem presumptuous of me, doesn't it? Goodbye, doctor."

An diesem Abend ist es Oliver, der unruhig auf und ab schleicht, während Irena ihre Malutensilien reinigt. Schließlich beginnt er: "Irena... I'm worried. What's happening to us?" – "I love you, Oliver." – "I know, but... people can love and people can still drift apart, and that's what I feel is happening to us. We don't talk together openly. You're not frank with me." Oliver beklagt eine Entfremdung, ohne daß er wahre Annäherung versucht hätte.

Irena antwortet auf den Vorwurf, sie sei nicht offen, mit einer gewissen Gereiztheit und der Versicherung ihrer Wahrhaftigkeit: "I've never lied to you." Als Oliver sie damit konfrontiert, daß er Dr. Judd getroffen habe, erklärt sie es auch ihm: "He can not help me." Oliver behauptet, sie wolle sich nicht helfen lassen: "You won't let him help you. You won't let me help you. You won't even help yourself. It's what I said to Alice this afternoon, you're content to go on – " 

Bei der Erwähnung des Namens jener Frau, mit der Oliver sich offenbar so leicht und gut verständigt, blitzen Irenas Augen auf, und sie wiederholt den Namen als Peitschenknall: "Alice!" Fünf Sekunden Stille. "I... I promised you we'd never quarrel", murmelt Oliver. Irena schluckt. Er sagt: "Let's calm down a bit. I go back to the office. I've got some work to do."

Dies ist ein entscheidender Moment, "because the thing that was not supposed to happen has happened and Irena has lost her temper. And it's no coincidence that at this point (...) Tourneur begins to become a more visible presence. Up until now it's really been Lewton's show, but when it comes to the evocation of fear Tourneur proves himself to be the maestro. From now until the film's climax we are treated to a number of sequences of escalating tension, all based around a teasing is it real?/is it imagined? structure" (Dyson, 113). 

Um also nicht Irenas Eifersucht und Zorn durch einen Streit anzufachen – oder weil er hofft, Alice dort zu treffen -, verläßt Oliver das Apartment in Richtung Büro. Als er das Gebäude erreicht, stutzt er, denn die Drehtür bewegt sich – ein phantastischer Effekt bei völliger Stille. Wir wissen, daß Irena kurz die Kontrolle über sich verloren hat. Wir wissen nicht, was dann passiert ist. Ist jemand, oder etwas, vor Oliver in dem Gebäude angekommen? Wartet es auf ihn in dem dunklen Gebäude? Oliver sieht, was der Zuschauer erst nach einigen Sekunden als Entwarnung erfährt: wie sich nämlich eine Putzfrau bei der Arbeit aus dem Inneren des Gebäudes durch die Drehtür robbt. Die Putzfrau ist eine der Nebenfiguren, denen durch ein signifikantes Detail Authentizität verliehen wird: sie wischt ständig imaginäre Zigarettenasche von der Bluse. Diese kleinen Details erhöhen den Glaubwürdigkeitsfaktor einer Geschichte, die übernatürlich enden wird; sie gehören zur Grundierung für den Riß im Universum.

Oliver entscheidet sich, bevor er das Büro aufsucht, noch zu Sally Lunn's zu gehen. Minnie, die schwarze waitress des Cafes, bietet ihm Chicken Gumbo an, doch als guter Americano bestellt er Kaffee und Apple Pie. Wenn Minnie davonzieht mit der Bemerkung "My goodness, don't nobody like Chicken Gumbo?", ist klar, daß hier nur gute Americanos verkehren.








Schnitt: Alice, zur selben Zeit, im dunklen, nur vom Licht eines Zeichentisches erleuchteten Büro mit seinen unheimlichen Schatten. Auf dem Zeichentisch sitzt eine Katze. Alice will gerade gehen, als das Telefon läutet. Sie ruft mehrmals "Hello?" in den Hörer, aber niemand meldet sich. Schnitt: es ist Irena, die von ihrer Wohnung aus anruft, vielleicht in der Hoffnung, den Streit wieder gutzumachen und sich mit Oliver zu versöhnen, vielleicht, weil sie einen Verdacht hat. Sie steht neben der King-John-Statue. Langsam legt sie den Hörer auf. Wir, die Zuschauer, müssen davon ausgehen, daß Oliver Alice zu diesem Zeitpunkt im Büro weiß. Und Irena muß davon ausgehen, daß Oliver mehr als nur Freundschaft mit Alice verbindet. Alice legt auf und fragt empört die Bürokatze: "John Paul Jones, don't you hate people who do that?" Das Tier, offenbar von Alice importiert im Hinblick auf Olivers plötzliche Neigung zu Katzen, wurde auf den Namen eines amerikanischen Schiffskommandeurs und Nationalhelden getauft. Alice löscht das letzte Licht und verläßt das Büro.

Schnitt: Irena nimmt ihren Pelzmantel und verläßt das Apartment. Schnitt: Alice verläßt den Fahrstuhl des leeren Bürogebäudes. Auf dem Soundtrack beginnt das Geräusch der hohen Absätze zu dominieren. Schnitt und Gegenschnitt erzielen "the rise in tension that is to culminate in the famous walk through Central Park" (Dyson, 114). 

Die Putzfrau ist noch immer in der Bürohalle zugange, und bei einem kurzen small talk erfährt Alice, daß Mr. Reed soeben hier war und wo er jetzt zu finden ist. Alice beschließt natürlich, Oliver im Cafe zu treffen. Keine Musik mehr auf dem Soundtrack, seit Minuten. Als Alice das Sally Lunn's betritt, ist im Hintergrund ein Schatten zu sehen, der einem schwarzen Panther gleicht (erst auf den zweiten Blick sieht man, daß dort eine Frau mit Hut reglos an einem Tisch sitzt). Alice findet Oliver grübelnd am Tisch: "What are you doing in this part of town at this hour of night?. Mmmhh... stormy weather!" Schnitt: Irena hat sich dem Sally Lunn's genähert; parallel dazu schleicht sich ein unheimliches Motiv auf dem Soundtrack an. Irena steht jetzt vor dem Cafe und blickt hinein; sie sieht Oliver und Alice, die letzten Gäste. Gerade sagt Alice: "Ollie, you're gonna have to solve your problems your own way. I'm goin' to drink out and go home. I think you better go home too and make it up with Irena." – "Alice... you're very swell." – "That's what makes me dangerous. I'm the new type of other woman." – Irena belauscht diese Worte mit sinistrer Selbstbeherrschung, verborgen hinter dem Fenster. Bild für Bild wird Spannung aufgebaut; über allem liegt die bedrohliche Frage, ob und wie sich Irenas anger manifestieren wird. Als Oliver und Alice kurz darauf das Restaurant verlassen, verbirgt Irena sich hinter einem Blumenarrangement. Sie gehen den Weg, den Irena vor Sekunden ging, und Alice überläuft ein Schauer. Oliver: "You cold?" – Sie antwortet: "A cat just walked over my grave!" Konturiert erscheint das Buchstäbliche im Metaphorischen: a cat just walked.

Dunkle Straßen, nur Laternenlichtschein. Oliver bietet Alice an, sie nach Hause zu bringen, doch sie lehnt ab mit einem albernen "No thanks, I'm a big girl now and I'm not afraid." Sie verabschieden sich, indem sie sich die Hand geben. Irena hat den Weg der beiden beobachtet. Alice ist jetzt ihre Feindin. "The threat of violence from a woman to another is far more disturbing than a more conventional crossgender menace – everyone is aware of the savage rage sexual jealousy can inspire between rivals (...)" (Dyson, 114).

So beginnt die erste der stalking sequences, für die der Film berühmt ist, ein Kunststück des Horrorgenres, "truly frightening" (Dyson, 114). Eine dunkle Park-Unterführung, als langgezogene Ellipse; der Weg, den Alice vor sich hat, verläuft entlang einer hohen Steinmauer. Alice geht also allein durch den Park – "a concept modern audiences probably find more terrifying than those of 1942" (Newman, 42) –,  tiefer in die Dunkelheit hinein. Das einzige Geräusch ist jetzt der Klang der Absätze auf dem Pflaster, während Alice sich durch Regionen der Dunkelheit von einem Laternenlichtkegel zum nächsten bewegt – und Irena ihr folgt, "her face a determined blank" (Newman, 42). Es sind zwei verschiedene Taktfrequenzen; die Schritte Irenas sind kürzer und energischer. Jeder Anschlag ihrer high heels auf dem Steinpflaster verkündet ihren Zustand: zurückgewiesen, unverstanden, erzürnt – gefährlich. Die ersten Einstellungen zeigen die beiden Frauen abwechselnd in full shots: die Kamera steht im rechten Winkel zum Weg, so daß zuerst Alice zu sehen ist, die den Bildausschnitt von links nach rechts durchmißt, im Hintergrund die Steinmauer, kurz darauf Irena. Dies wird abgelöst durch close-ups, die sich auf den Gang, die Schritte, die Schuhe mit den hohen Absätzen konzentrieren, die einen noch gleichmäßig und langsamer, die anderen rasch, furios und determiniert.








Dann eine Einstellung von Alice, wie sie aus einer Zone der Dunkelheit wieder in den Radius eines Laternenlichtkegels gelangt. Die Kamera bleibt stehen, und wir warten darauf, daß Irena jetzt, wie zuvor, durch denselben Bildausschnitt geht. Aber die Schritte, die wir als Irenas erkannt haben, sind verklungen. Ein weiterer Geniestreich des Films: Alice bleibt alarmiert stehen, mit dem Gefühl, daß jemand – oder etwas – sie verfolgt, just in dem Augenblick, in dem der Klang der anderen Absätze verschwunden ist. Alice dreht sich langsam um: der zurückgelegte Weg, die leichte Biegung des Weges entlang der Steinmauer, leichter Nebel, etwa 30 Meter Sicht, zwei Straßenlaternen. Eine leere Straße. Nichts und niemand. Langsam nimmt Alice ihren Schritt wieder auf, während sie verängstigt auf das lauscht, was sie als bedrohliche, unsichtbare, tödliche Präsenz noch immer hinter sich spürt; dann beginnt sie zu laufen, sieht sich noch einmal panisch um, die Kamera blickt mit ihr zurück, sie läuft schneller, nach wie vor sind nur ihre Schritte zu hören, schließlich bleibt sie außer Atem an einem Pfahl stehen – das toughe Karrieremädchen "shrinking like a terrorised silent movie ingénue" (Newman, 42). Und in diesem Moment, als wir auf alles gefaßt sind, hören wir ein Grollen, dann zerfetzt ein Geräusch die Spannung, das wie das Fauchen eines großen Panthers klingt, der zum Sprung ansetzt.

Dieses Geräusch, das Kinozuschauer vor Schreck aus den Sitzen riß, hat Filmgeschichte geschrieben. Seine tatsächliche Ursache ist die nervenerschütternde Ankunft eines Nachtbusses, der abrupt bremst, um an der Straßenkante zum Stehen zu kommen und dessen Fahrer gleichzeitig die Türhydraulik betätigt. Der Bus schießt von rechts nach links ins Bild, was um so erschreckender ist, als die Gefahr von der anderen Seite erwartet wird. Alice hält sich vor Schreck an der Griffstange der Bustür fest, und dreht sich um: sie erblickt oberhalb der Steinmauer, fahl erleuchtet, eine Reihe von Büschen, deren Zweige sich bewegen und rascheln, als würde etwas darin lauern oder sich gerade darin verstecken. Sie steigt in den Bus; der Fahrer ruft: "You look as if you've seen a ghost." Alice keucht: "Did you see it?" Der Fahrer schüttelt verständnislos den Kopf und startet den Bus. Noch einmal sind die Zweige vor dem dunklen Nachthimmel zu sehen – etwas relativ Großes muß sie bewegen. Etwas geht hier vor, außerhalb unseres Sichtfeldes. Schnitt zu dem schwarzen Panther im Central Park; er befindet sich in seinem Käfig. Unruhig grummelnd, aber an seinem Platz. Dann das Blöken von Lämmern, die durch das Dunkel laufen: offensichtlich ein Areal des Zoos mit freilaufenden Schafen. Ein Parkwächter mit einer Laterne entdeckt drei oder vier Lämmer auf der Erde liegen, blutig zerfetzt. Er bemerkt im Schein seiner Laterne die Abdrücke von Tatzen und trillert mit seiner Pfeife Alarm. Die Kamera folgt der Spur der Tatzenabdrücke, die sich wandelt in eine Blutspur, Blut an den Sohlen und spitzen Absätzen eines Damenschuhs; währenddessen ist der Klang der Absätze wieder zu hören. Dyson erkennt hier einen weiteren "brilliant moment" – "the animal pawprints gradually changing into human footprints – it's hard to think of a more economical method of communicating what's happened" (Dyson, 116). Brillanter noch wird dieser Moment durch die Abwesenheit jeder "dramatisch betonenden" Musik auf dem Soundtrack.

Jene Sekunde, in der das Geräusch von Irenas Absätzen im Central Park verklang, war die Sekunde, in der ihre Metamorphose in einen Panther begann.

Und dann sehen wir Irena wieder, in ihrem schwarzen Pelzmantel, sich ein Taschentuch vor den Mund haltend (oder Blut von den Lippen wischend). Ihr scheint übel zu sein. Sie ist benommen. Sie hört das Trillern der Pfeife, es ist ganz nah; sie ist noch nicht weit vom Schauplatz entfernt, aber wieder auf dem Weg neben der Steinmauer. Auch sie fährt zusammen, als ein Wagen neben ihr hält: "Taxi, Lady?" – Irena steigt ein.

Ein bestimmter Moment dieses Films also, die Szene mit dem Bus, kreierte einen neuen terminus technicus der Filmsprache: ähnlich konstruierte Szenen hießen fortan bus. "This trick is now so much a part of the horror movie repertoire that it is hard to imagine anyone inventing it: John Carpenter's Halloween (1978) is constructed around its 'busses' (...)" (Newman, 43). 

Dyson geht der Szene auf den Grund: "The gap between the noise and the visual cue is all important because it allows the space for our minds to think one thing (big cat) and experience the full rush of fear. This provides the jump – and with it the release of tension – that the build-up requires. And that jump is considerable because it has been fed not just by the walk through the park, but by the less obvious screw-tightening of the previous scenes. A close analysis of the noise reaveals how much it contributes to the frisson. Its first half is definitely feline, which is then crossfaded and overdubbed with the sound of pneumatic breaks. Our imaginations are not working in isolation. They are being guided by Tourneur and his editing team to draw the conclusion they want." (Dyson, 115).

Newman zitiert Tourneurs editor, Mark Robson, hinsichtlich des "panther-like hiss of air-brakes": "Looking over her right shoulder in terror, this girl backed away from the mysterious sound, ready to accept anything that might jump on her. From the other side of the park a bus came by, and I put this big, solid sound of air-brakes on it (...)" (zit.in: Newman, 42). Die Spannung und der Terror der Szene steigern sich, bis das pneumatische Zischen nahezu den Effekt eines physischen Schlages hat. Alles hat uns vorbereitet auf die Attacke eines Panthers, bis hin zu Alices Blick über ihre Schulter – das letzte, das wir erwarten, ist, daß aus der anderen Richtung ein Bus ins Bild jagt mit Bremsgeräusch und hydraulischer Türöffnung. 

Geschickt an der Konstruktion der Bus-Szene ist ebenfalls, "that while it allows some of the tension to be released, a considerable amount remains unsolved – after all Irena's rage still hasn't manifested itself because Alice has escaped, and it hovers like a fog until the next scare sequence, helping create a subtle atmosphere of dread" (Dyson, 116). Dunkelheit ist eine der Qualitäten, für die Lewtons Horrorfilme berühmt (aber nicht berühmt genug) sind; Dunkelheit, die ihr eigenes Leben hat. Wie Lewton sagt: "Most people will swear they saw a leopard move in the hedge above her [Alice] – but they didn't!" (zit. in: Newman, 43).

Nach all den "psychologischen" Spuren gibt die Central-Park-Blutspur genauere Kenntnis von Irena. Und die Szene ist "the first real indication (...) that the film's 'monster' might actually hurt someone other than herself" (Newman, 42). 

Irena kommt nach Hause. Oliver, der unruhig auf sie gewartet hat, macht Licht. Sie kann sich kaum noch auf den Beinen halten. Sichtbar wird jetzt, wie ihr schwarzer Pelzmantel zerrissen und schmutzig (blutig?) ist. Oliver will ihr helfen, doch sie wehrt ab: "No, please don't... don't touch me..." Irena reagiert und erscheint wie eine Frau nach einer Vergewaltigung, der jede Berührung zuwider ist. Jedes Detail der vorangegangenen Szenen aber hat vermittelt, daß sie die blutige Angreiferin war – daß sie in ihre Panther-Wesenheit gefallen ist. 

"Irena... I'm sorry", stammelt Oliver. "I've been worried to death... I didn't know where you were, I thought... now what happened tonight happens in every family! I was all on edge. You gotta understand and you gotta forgive me!" – Irena geht an ihm vorbei, zu Boden blickend, zu Tode erschöpft, und mit einer herzzerreißenden Stimme der endlosen Trauer und Verzweiflung, für die all das nicht mehr zählt, antwortet sie: "I forgive you..."

Sie zieht sich in das Bad zurück, das an ihr Schlafzimmer grenzt. Sie läßt Badewasser ein und kann sich ihrer Kleider kaum schnell genug entledigen. Für die Verhältnisse von 1942 ist in dieser bewegenden und tragischen Szene, in der Irena versucht, sich zu reinigen, so bemerkenswert viel von Simone Simones Beinen zu sehen, während sie ihre Strümpfe auszieht, daß sogar wir, die Zuschauer, ihr gegenüber eine Art Schuldgefühl haben; als wolle Tourneur klarmachen, daß Irena sich nirgendwohin mehr zurückziehen kann, daß es keinen Ausweg mehr für sie gibt, daß sie von jetzt an unwiderruflich ausgeliefert ist.

Oliver steht vor der Tür und ruft Irenas Namen. Wir hören ihre Stimme von innen: "What?" – "Are you alright?" – "I'm alright..." –  eine helle Stimme, die Oliver zu suggerieren versucht, daß er sich nicht sorgen solle. Aber dann ist die Kamera wieder bei Irena, und ihr Schluchzen ist zu hören. Die Kamera zeigt zunächst den Fuß der antiken Badewanne – ein Krallenfuß – und gleitet dann hinauf; Irena sitzt nackt in der Wanne, zusammengekrümmt, weinend, ihr Gesicht in den Händen bergend. Auf ihrem Rücken und ihrer Schulter perlen Wassertropfen – sie hat das Blut abgewaschen. Sie weiß jetzt, daß sie sich unter gewissen Umständen, in ihre "monströse", "böse", tödliche Raubkatzen-Persönlichkeit transformieren kann.



















Literatur:

Dyson, Jeremy: Bright Darkness. The Lost Art of the Supernatural Horror Film, London 1997.
Newman, Kim: Cat People, London 1999 (BFI Film Classics).