Donnerstag, 30. April 2020

Tourneur, Katzenmenschen. Teil 1












CAT PEOPLE (dt. "Katzenmenschen", 1942, Regie Jacques Tourneur) ist ein Low Budget-Film der RKO Pictures, produziert von Val Lewton, der 1904 als Vladimir Ivan Leventon auf der noch zum russischen Kaiserreich gehörenden Krim geboren wurde. Der Film ist ein atmosphärisches Meisterwerk des Horrorgenres, steht an der Wiege des Suspense, enthält Elemente des Film noir und erlaubt sich ein expressionistisches Spiel mit wenig Licht und vielen Schatten. Als einer der ersten Filme überhaupt zieht CAT PEOPLE offen die Verbindung zwischen Sex und Horror, zwischen Horror und weiblicher Sexualität, taucht allerdings das Wie dieser Verbindung in ein nicht so eindeutiges Licht. Der Film behauptet die wirkliche Gewalt sexueller Erregung. Man könnte sagen, daß der Film mit seiner scheinbar absonderlichen Prämisse einer bestimmten Wahrheit äußerst nahe kommt, denn er besteht auf einer Identität von Sexualität und Transformation. Kann man im Besitz der Wahrheit sein, wenn man Sexualität nicht als Transformation kennt?

Auch ist CAT PEOPLE, abgesehen vielleicht von DRACULA'S DAUGHTER, der erste bedeutende Horrorfilm, der ein übernatürliches Motiv nicht in zeitliche oder räumliche Ferne, an historische, exotische oder phantastische Schauplätze verlegt. Schloßruinen, entlegene Inseln, Bela Lugosis Transsylvanien oder Boris Karloffs Ägypten erlaubten den Zuschauern stets "enough distance from their own lives to suspend their disbelief" (Dyson, 104). CAT PEOPLE spielt im zeitgenössischen, urbanen Amerika, in dem normale Menschen normalen Beschäftigungen nachgehen. Zwar war auch King Kong schon in New York, aber er kam nicht nur von einer Phantasie-Insel, er fiel auch gleich unangenehm auf. Irena Dubrovna kommt aus Serbien und fällt angenehm auf.

Zwar wirkt die Darstellerin der Irena, Simone Simon, mit ihrer feline beauty (Sarris, 109) im Apple Pie-Amerika auch schon wieder exotisch. Gleichwohl brachte die realistische Erzählweise des Films eine Art von "neuer Sachlichkeit" in das Horrorgenre: in dieser lassen Lewton und Tourneur die Unterströmungen des Unheils verlaufen, um dann den Suspense so gezielt zu intensivieren, daß plötzliche Eruptionen des Schreckens einen fast hypertrophen Effekt erzielen, wenn man bedenkt, daß in den eigentlichen Horrorszenen das auf der Leinwand Sichtbare "unklar und fragmentarisch" (Everson, 191) bleibt.

Es ist die Geschichte einer jungen Frau aus Serbien, die in New York als Modezeichnerin arbeitet: Irena Dubrovna ist seltsam schön und einsam, eine Fremde und Verlorene nicht nur in der Neuen Welt. Das Mädchen vom Balkan lebt in selbstauferlegter Isolation, denn sie glaubt, einem Fluch zu unterliegen: sie ist überzeugt, einer Rasse von Frauen anzugehören, die im Mittelalter in der Folge satanischer und bestialischer Kulte die Anlage entwickelt haben, sich in Raubkatzen zu verwandeln, sobald heftige Leidenschaft oder sexuelle Erregung sie erfaßt. Dieser grotesk anmutenden Annahme Schritt für Schritt die Unglaubwürdigkeit zu nehmen, ihren Implikationen äußerste Ernsthaftigkeit zu verleihen, ist die Großtat dieses Films. Irena lernt Oliver Reed kennen, einen Schiffsbauingenieur, den das Mysteriöse dieser Frau anzieht und der sie bald heiratet; Irenas Furcht, sich in ein katzenartiges Tier zu verwandeln, verhindert jedoch den Vollzug der Ehe. Oliver sucht die Hilfe eines Psychiaters, Dr. Judd, und findet Trost bei seiner Kollegin Alice, der geborenen guten Kameradin. Irenas heftige Leidenschaft – Eifersucht – ist geweckt, und etwas Nichtmenschliches und Animalisches beginnt Alice zu verfolgen. Der Psychiater, dessen Ambition es ist, mit Irena zu schlafen, um sie zu "heilen", wird von einem schwarzen Panther getötet – von Irena. Am Ende stirbt Irena bei ihren einzigen Freunden – den Raubkatzen im Zoo des Central Park.

Nachdem es zum Paradigma erhoben war, daß alle Horrorfilme "freudianische Untertöne" hatten, litten einige dieser Werke schwer unter diesem nun derart "geschulten Blick", dessen "psychologische" Erklärung subtile Handlungskonstruktionen mit dem Feingefühl einer Abrißbirne behandelte. CAT PEOPLE war ein bevorzugtes Opfer dieser durch halbseidenes psychoanalytisches Vokabular für das tatsächliche Leinwandgeschehen betriebsblind gewordenen hermeneutischen Verstümmelung. Exemplarisch hierfür die Beschreibung von David Annan:

" (...) Val Lewton developed the cinema of suggestion, the hinting at horror without showing it, the psychological fear more terrifying than the actual sight of the beast. His Cat People (...) changed the look of horror films. The black leopard was the beast of the unconscious. Internal fear was the external killer. Freud was explicit." (Annan, 101). 

Der schwarze Panther in CAT PEOPLE ist nicht das Biest des Unbewußten. Irena ist sich über die von ihr ausgehende tödliche Gefahr bewußt; verzweifelt wiederholt sie gegenüber allen, die ihr ein "Geheimnis" unterstellen, daß sie keines habe – kein anderes jedenfalls als das, eine Katzenfrau zu sein. Es ist keine "internal fear", keine psychische Disposition, die sich hier zum "external killer" wandelt. Irenas "Erbe", ihre Macht zur Verwandlung, ist nicht – mit den Worten Dr. Judds – "a product of her own fear – her own overworked imagination." Die Transformation der Frau in eine Raubkatze ist, im plot des Films, eine reale. Die Metamorphose findet statt. Es geht, wie noch nie zuvor auf der Leinwand, um das Tier im Weib. Auch die Aussage, der Film handele "von der Bedrohung des amerikanischen Mannes durch die frigide Katzenfrau aus Osteuropa" (Stresau, 47), verlegt den Akzent fälschlich auf eine internal fear.

Die reißerischen Plakate, die den Film annoncierten, sind nicht unbedingt weiter von der Wahrheit entfernt als Annan oder Stresau; das bekannteste verkündete: "SHE WAS MARKED WITH THE CURSE OF THOSE WHO SLINK AND COURT AND KILL BY NIGHT!", suggeriert damit fälschlich, daß das Leben der tragischen Heroine aus Herumschleichen, Poussieren und Töten besteht, erklärt aber rundheraus, daß die schöne und faszinierende Irena mit einem Fluch belegt ist. Ein zweites Plakat verhieß: "A KISS COULD CHANGE HER INTO A MONSTROUS FANG-AND-CLAW KILLER!" – wogegen im Lichte der Fakten wenig einzuwenden ist, es sei denn, man weigert sich, ein schönes Tier wie den Panther als "monstrous killer" anzusehen. Ein drittes lautete: "SHE KNEW STRANGE, FIERCE PLEASURES THAT NO OTHER WOMAN COULD EVER FEEL!" Diese Behauptung basiert nun sehr auf der Macht der Einbildungskraft, und ihr Wahrheitsgehalt wäre abhängig vom Sinn des Wortes pleasure. Wir wissen nicht, welche Lust ein Panther empfindet. Der Film klärt auch nicht abschließend, ob Irena Dubrovna in der Lage ist, sexuelle Lust zu geben und zu empfangen, ohne sich in ein Raubtier zu verwandeln – er gibt ihr keine Gelegenheit mehr dazu.

Wenn der Film, auf der ersten Ebene, in einer Art Rück-Feminisierung des klassischen Motivs der Transformation, das im Horrorfilmgenre durch das Werwolf-Thema vorübergehend auf die maskuline Sexualität projiziert war, von einer Frau handelt, die sich bei emotionaler oder sexueller Erregung in eine animalische, tödliche Macht verwandelt, dann wäre dies eine Zuspitzung des Femme fatale-Motivs, die, bar jeder Metaphorik, die alte Weisung Marlene Dietrichs: Ein kleines Blickgeplänkel sei erlaubt dir, doch denke immer: Achtung vor dem Raubtier, buchstäblich umsetzt. Klassisches "Opfer" dieses Szenarios: der Mann. Indes: die berühmten stalking scenes des Films betreffen Alice, Oliver überlebt, und Dr. Judd stirbt, weil sein Versuch einer Vergewaltigung Irenas sie in den Panther verwandelt: emotionale Erregung, nicht sexuelle, man könnte sagen: ein Akt der Notwehr. Klassische Femme fatale ist Irena keineswegs. Dem traditionellen Schema nach ist sie das "Monster" des Films. Aber der Film unterläuft dieses Schema: Irena ist das eigentliche Opfer

Daß es in CAT PEOPLE um Irenas "frigidity" (vgl. Dyson, 110) und nur um eine internal fear geht, ist ein Mißverständnis, das natürlich auch auf der hohen Kunst des Regisseurs beruht, sowie, in diesem Fall, des Produzenten. Es herrscht mittlerweile Einigkeit darüber, daß die "neun intelligenten Horrorfilme" (Everson, 190), die Val Lewton in den vierziger Jahren für RKO produzierte, Meilensteine des Genres darstellen. Mit CAT PEOPLE beginnt dieser "legendäre Horrorfilmzyklus", als "Kino der Suggestion" und als "Kunst des Andeutens" (Schifferle, 86), in der unsichtbarer Schrecken den Horror in die Imagination des Zuschauers verlegt. Was die Bilder nahelegen, was sie in die Vorstellung verlegen, ist schrecklicher als das, was sie zeigen, das Implizierte übersteigt das Explizierte, getreu "(...) Langs altem Motto, daß nichts, was die Kamera zeigen könnte, so schrecklich sein kann wie das, was sich die Phantasie ausmalen kann (...)" (Everson, 191). Wie Lewton selbst es ausdrückte: wenn man die Leinwand dunkel genug macht, wird das geistige Auge aktiv, und die Phantasie des Zuschauers wird die Dunkelheit beleben und bevölkern mit Formen des Schreckens, die ein Regisseur nicht inszenieren könnte.

Das wahre Entsetzen hält sich versteckt in einem Universum der Schatten. Geräusche, die vom Leinwandbild nicht erklärt werden, dabei aber nur eine Erklärung zulassen, intensivieren den Horror. "Terror borders on the subliminal, the viewer 'seeing' images far worse than any shown on the screen" (Frank, 116). Lewton (der, so geht die Mär, an einer Katzen-Phobie gelitten haben soll) spezialisierte sich auf "ominous mood, well-dosed moments of shock, and nearly subliminal hints of something almost too evil to be put into words and images" (Clarens, 166). Die stalking scenes "are made genuinely terrifying by masterly use of shadow and sound" (Frank, 116). Getragen von der "visuellen Ausdruckskraft" Tourneurs und dem für die Lewton-Filme charakteristischen understatement verwandelt CAT PEOPLE "das Alltägliche in eine schwarze Alptraumwelt voller unsichtbarer Bedrohung" (Everson, 190 ff). 

Gilles Deleuze beschreibt, wie Tourneur mit der gotischen Tradition des Horrorfilms bricht: "Seine fahl leuchtenden Räume, seine Nächte auf lichtem Grund machen ihn zu einem Repräsentanten der poetischen Abstraktion. Im Schwimmbad von Cat People sieht man den Angriff nur in den Schatten auf der weißen Mauer: Ist die Frau zum Leoparden geworden (virtuelle Verbindung) oder ist es eben nur der Leopard, der ausgebrochen ist (realer Zusammenhang)?" (in: Schifferle, 86). Abgesehen davon, daß man den Schatten des Panthers in dieser Szene nicht auf einer "weißen Mauer" sieht, nicht einmal auf Weiß, sondern als ein sich bewegendes noch Dunkleres im Dunkel, verweist Deleuze auf eine Ambivalenz, die vom Gespann Lewton/Tourneur aufrechterhalten wird, während der Film auf seine übernatürliche Auflösung zuläuft, und erst die Intervention der RKO-Oberen führte dazu, daß in einer dritten stalking scene ein echter Panther zu sehen ist. Selbst hier gelingt es, dank "skilful editing" des Cutters Mark Robson, "to preserve our uncertainty" (Clarens, 166). Clarens bewundert die Vieldeutigkeit des Films, der von Obsession und Transformation handeln, aber auch "a study in frigidity" (Clarens, 164) sein könne. Daß Lewton und Tourneur keinen realen Panther zeigen, sondern nur mit Schatten und Andeutungen arbeiten wollten und es im wesentlichen auch tun, heißt jedoch nicht, daß Irenas Transformation in einen Panther nicht real ist.

Wie Kim Newman festgehalten hat, ist das Entscheidende an CAT PEOPLE nicht die Ambivalenz, sondern die Subtilität. Lewton und Tourneur verzichten völlig auf jedes "gruselige" visuelle Repertoire im Stil der Universal-Monster, und dennoch ist CAT PEOPLE letztlich nicht ambivalent im Hinblick auf Irenas Zustand: "(...) the film's last line ('she never lied to us') proves that Irena is really a Cat Person" (Newman, 37). Die einzigartige Kunst des Films liegt darin, trotzdem eine feine, geradezu zartfühlende psychologische Studie zu sein. Das heißt: ein "wirkliches Monster" kann trotzdem in einem Psychodrama leben, die Existenz des Übernatürlichen verhindert nicht die Komplexität emotionaler Verstrickungen. Irena verfügt über alle 17.500 unterscheidbaren Wesenszüge im Charakter einer Frau, mit dem einen Zusatz, daß sie sich in einen Panther verwandeln kann. 

"The extent of Irena's power is suggested but never blatantly shown" (Hogan, 60). Indes, die Konstruktion des Films ist sorgfältig. Im Central Park-Zoo gibt es mehrere Raubtiere, aber nur einen schwarzen Panther, und auf ihn fokussiert sich Irenas Interesse. Er befindet sich bis zur letzten Minute des Films in seinem Käfig. Zwar wird schon früh angedeutet, daß der Zoowärter nachlässig mit seinem Käfigschlüssel umgeht, und später bringt Irena diesen Schlüssel an sich. Tatsächlich ist der Handlungsablauf des Filmes aber zu dicht und seine innere Logik zu eindeutig, um die Möglichkeit einer "nicht gezeigten Szene" offenzulassen, durch die der Panther vorübergehend aus seinem Käfig befreit ist. Man könnte mit Recht hinzufügen, daß eine solche Möglichkeit nicht nur der Wahrheit des Films, der realen Transformation Irenas, widerspräche, sondern auch seiner klugen Ökonomie, in der keine Szene, keine Einzelheit zuviel oder zuwenig ist. Zwar beweist sich die Virtuosität des Duos Lewton/Tourneur auch darin, daß wir besagte Möglichkeit während der Schwimmbad-Sequenz oder in der Szene, in der wir den Panther im dunklen Büroraum sehen, nicht letztgültig ausschließen. Letztlich aber ist der Film eindeutig. Er suggeriert eine Wahrheit, die er dann durch viele kleine Kunstgriffe zu widerlegen scheint. Am Ende aber bestätigt sich die Wahrheit, deren übernatürlicher Charakter uns zwingt anzuerkennen, daß, im Gegenteil, ihre Widerlegung durch viele kleine Kunstgriffe nur suggeriert war.

Zwar würde es ja fast genügen, daß Irena nicht ganz richtig im Kopf ist und Wahnvorstellungen hat, aber gerade weil sie tatsächlich eine Katzenfrau ist, verstärkt sich der ideologische Aspekt, der auf einer anderen Ebene des Films greift; dort, wo es um die Faszination des Fremden und die Angst vor dem Fremden geht; dort, wo man überhaupt die "epische Struktur" des Horrorgenres "in die Formel vom Kampf des 'Eigenen' gegen das 'Fremde' (...)" bringt:

"Wie die Frau gewarnt wird, sich mit 'fremden Männern' einzulassen, die ihr das Blut aussaugen werden, so wird der Mann davor gewarnt, 'ausländische' Frauen, Exotinnen zu begehren (etwa in 'Cat People' – 1942 – Regie: Jacques Tourneur). Dabei wird das Fremde nicht als das bewußt Böse diffamiert, es entfaltet seine Grausamkeit erst, wenn es durch den abtrünnigen Yankee – Mann oder Frau – dazu provoziert wird." (Seeßlen/Weil, 62).

Wichtiger Punkt: Irena ist nicht vorsätzlich bösartig oder zerstörerisch. Im Gegenteil tut sie ihr Möglichstes, um das "Böse" in ihr ("something evil in me") nicht freizulassen. "Böse" wird Irena durch zweierlei Provokation: ihr Mann, an sich schon auf verletzende Weise verständnislos, unklug bis zur Gimpelhaftigkeit, läßt sich mit einer anderen Frau ein; und ein anderer Mann versucht, gegen Irenas Willen, eine sexuelle Eroberung an ihr. Eifersucht und der Wunsch, nicht vergewaltigt zu werden, sind zutiefst menschliche Regungen. Lediglich ihr Ausmaß, oder besser die Form, die diese Regungen annehmen, machen Irena anders – wenn auch unvorstellbar anders.

Sehr Menschliches nimmt in Irena sehr monströse Form an, aber wir hören nicht auf, mit Irena zu sympathisieren und mit ihrer extremen Verletzlichkeit bei dem Versuch, ihr Problem zu überwinden, mitzufühlen. Und so fragt sich, ob die Funktion der "Warnung", die für das Jahr 1942, ein Kriegsjahr, noch plausibel klingt, dem Film tatsächlich gerecht wird. Seeßlen und Weil – unbestrittene Pioniere der Erarbeitung einer Theorie des Horrorfilms im deutschen Sprachraum – leisten sich einen Faux-pas, der, wollte man boshaft sein, als Indiz für ungenaues Sehen gewertet werden könnte ("Die Ehe wird deshalb nicht vollzogen, und nach einer Weile wendet sich der Mann einer anderen Frau zu. Diese wird bald darauf von einem wilden Tier getötet", Seeßlen/Weil, 77 – Alice wird nicht getötet.). In weniger boshafter Stimmung wäre vielleicht die Theorievorgabe ein wenig zu modifizieren, die da lautet:

"Eine der Funktionen des Horror-Films ist es, vor den 'Gefahren' des fremden Liebhabers oder der fremden Liebhaberin zu warnen, denen allesamt 'verschlingende', 'reißende', also destruktive Attribute beigeordnet werden. In dieser abstrakten Form von Rassismus und Klassen- oder Gruppenisolation wird die Wirkweise des Mythos deutlich: Wenn man 'King Kong' als den Neger interpretiert, der einen (verbotenen) erotischen Reiz auf die 'weiße Frau' ausübt und von ihr angezogen wird, wenn man Bela Lugosi (Dracula) als das – böse überzeichnete – Bild des europäischen Liebhabers versteht, der eine erotische Raffinesse zu haben scheint, die dem Amerikaner fremd ist, und wenn man schließlich die 'Katzenfrau' Irena als die exotische (...) Liebhaberin sieht, die den amerikanischen Mann seiner Mutter / Frau entfremdet, so sind dies Ableitungen aus dem Mythos, die in bestimmten räumlichen und zeitlichen Gegebenheiten als einzig vorstellbare Aussagen gesehen werden können. Tatsächlich aber ist die eigentliche Aussage des Mythos vom Halbwesen nicht: 'Der Neger (der Europäer, die ausländische Frau) ist das Fremde!', sondern die wesentliche Aussage ist: 'Alles Fremde ist erotisch und (deshalb) gefährlich.'" (Seeßlen/Weil, 77 ff.).

Alles sehr nachvollziehbar; wenn man CAT PEOPLE aber heute sieht, scheint der Film vor allem vor den Gefahren der "Normalität" und vor dem Vertrauen in die falschen Menschen zu warnen. Daß die Sympathie für Irena nicht schwindet, bedeutet, daß der Film für sie und für das, was sie ist, wirbt. Lewton und Tourneur etablieren mit diesem Film einen Zuschauer, der den "seltsamen Phantasien" des Horrorgenres mit Einfühlungsvermögen, Faszination und Zuneigung zu begegnen imstande ist.

Seeßlen/Weil behaupten, daß "Frauenfeindschaft (...) im amerikanischen Kino dieser Jahre verbreitet" sei; in den von Lewton produzierten Filmen dagegen gelte: "Das Bild der 'fremden Frau' bleibt ambivalent zwischen Schönheit und Gefahr, sie wird nie zum Opfer eines aus erotischer Furcht entstandenen Sadismus wie in den zahllosen B-Filmen der vierziger und fünfziger Jahre" (Seeßlen/Weil, 77). Daß es zu kurz greift, die Darstellung der Femme fatale als frauenfeindlich zu sehen, wird später gerade von Frauen behauptet (vgl. Sabine Reichel, Bad Girls) und sei hier nur nebenher angemerkt; daß Irena in CAT PEOPLE nicht zum Opfer eines aus erotischer Furcht entstandenen Sadismus wird, mag stimmen, ändert aber nichts daran, daß sie gleichwohl zum Opfer wird. Wem oder was fällt sie zum Opfer?

Seeßlen/Weil zitieren Hans Scheugl: "Mit den Tier-Frauen war die verbotene Sexualität außerhalb der durch den Krieg gefährdeten Ehe gemeint, aber auch die (sexuell) aktivierte Frau überhaupt. Die scheinbare Frigidität Irenas ist in Wirklichkeit ein im dunkeln liegender und noch gehemmter Geschlechtstrieb. Die Angst vor den Konsequenzen legt ihr Zurückhaltung auf: daher erscheint sie frigide" (in: Seeßlen/Weil, 77).

Hier ist ein lohnender Ansatzpunkt. Frigidität? Nein. Vielmehr: Angst vor den Konsequenzen einer ungehemmten Intensität. Genau dafür bleibt der Film, bzw. die Gestalt Irenas, auch dann noch Metapher, wenn Irenas tatsächliche Metamorphose einsetzt. Und genau dann ist das Über-Natürliche des Films auch nur noch Metapher für das Über-Normale, das Außergewöhnliche, das – Lust und Schrecken zugleich erregende – Unbekannte. Und dann ist Irenas Tod Metapher für einen Opfergang, unser aller Opferung am Altar des Normalen, mit der niemand, der den Horrorfilm wirklich liebt, sympathisieren kann. Und genau darum ist dieser Film nicht einfach eine Warnung vor dem "Anderen" – eher das Gegenteil.

Daß etwas einen Zwang auf uns ausübt, dem wir zum Opfer fallen müssen – dies, nichts anderes, ist Irenas Horror – ist in ihrem Fall in die Vergangenheit projiziert: der Zwang ist ein Erbe, eine durch Vorfahren erlangte und übertragene Macht. Im Horrorfilm ist die Vergangenheit erstens die Vergangenheit und zweitens jener Hort, aus dem die Dinge stammen, denen wir nicht entkommen können.

Irena fürchtet eine alles überwältigende Intensität ebensosehr, wie sie es ersehnt, sich ihr zu überlassen. Am Normalen scheitert sie; an der Unmöglichkeit, im Normalen irgendeine Lösung für diese Ambivalenz und Zerrissenheit zu finden. Sie fällt also gleich mehrfach zum Opfer: dem Ungeheuerlichen in ihr wie dem Konformismus und common sense-Puritanismus der phantasielosen Einfalt ihrer "normalen" Umgebung. In der Dreierbeziehung ist sie der kulturelle wie erotische Außenseiter. Und schließlich ist sie das Opfer von Verrat. Katzen, sagen manche, sind verschlagen und falsch. Verschlagen und falsch indes sind vor allem der Psychiater, bei dem Irena Hilfe sucht, ihr angetrauter Ehemann, der, um im Katzen-Jargon zu bleiben, herumzustreunen beginnt, und die "gute Freundin" Alice.

Was Irena erleidet, hat nichts mit Eros-Unterdrückung oder Hemmung des Sexualtriebs zu tun; sie verwandelt sich, sobald ihre Leidenschaft erregt wird, in einen Panther, der den Liebhaber töten muß. Sie hat es noch nicht erlebt, sie weiß nur, daß es so kommen würde, und alle Ereignisse bestätigen sie. Im Wissen um ihre Veranlagung entzieht sie sich dem sexuellen Akt, und so dreht sich dieser Film weniger um Sex, vielmehr um Sehnsucht und Verlangen. Simone Simon als Irena "was ideal at projecting a quiet sense of frustration" (Linaweaver, 5). Die Sehnsucht, sich hinzugeben, die Momente der Hoffnung, der Horror vor dem Unausweichlichen: all dies vermittelt Simon auf zutiefst berührende Weise. Hier findet der Film seine entscheidende Ebene: wo er von der tiefen Einsamkeit des Anderen und Fremden handelt, von den Ängsten und Nöten des Außenseiters, der am Unverständnis, der Ungeschicklichkeit und auch der Unverfrorenheit der scheinbar Wohlwollenden leidet und zugrundegeht.

Und so ist dies auch eine ganz einfache Geschichte von der verzweifelten Suche nach Verständnis. Was Brad Linaweaver für die Lewton-Filme überhaupt bemerkt, gilt in erster Linie für CAT PEOPLE: "These pictures capture the saddest moments in American cinema" (Linaweaver, 4). Nach Linaweaver handeln Lewtons Filme nicht primär von "fear, or terror, or death"; ihr "strongest theme" sei vielmehr: "what it means to be alone." (ebd.) Das geheime Thema von CAT PEOPLE ist die Einsamkeit, "and how this is at the heart of spiritual terror" (Linaweaver, 5). CAT PEOPLE erzählt davon, wie schwer es ist, jemanden zu finden, der einen wirklich liebt.
















Literatur:

Annan, David: Cinema of Mystery and Fantasy, London 1984.
Clarens, Carlos: Horror Movies, London 1971.
Dyson, Jeremy: Bright Darkness. The Lost Art of the Supernatural Horror Film, London 1997.
Everson, William K.: Klassiker des Horrorfilms, München 1979.
Frank, Alan G.: Horror Movies, London 1974.
Hogan, David J.: Dark Romance. Sexuality in the Horror Film, Jefferson 1997 (Reprint der Erstausgabe 1986).
Linaweaver, Brad: Spiritual Terror - The Horror Films of Val Lewton, in: Wonder Magazine # 11, Atlanta 1995.
Newman, Kim: Cat People, London 1999 (BFI Film Classics).
Sarris, Andrew: Val Lewton - RKO's Prince of Darkness, in: The Perfect Vision # 20, New York 1994.
Schifferle, Hans: Die 100 besten Horrorfilme, München 1994.
Seeßlen, Georg / Weil, Claudius: Kino des Phantastischen. Geschichte und Mythologie des Horror-Films (Grundlagen des Populären Films 2), Reinbek bei Hamburg 1980.
Stresau, Norbert: Der Horror-Film, München 1987.















 

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