Sonntag, 2. Oktober 2022

Die Stunde, wenn Barbara Steele kommt

 
 
 
 

 

 

 
 
 
 
 
 
SPIEGEL ONLINE Forum

16.01.2010



AndersSehend:
[Schwarzweiß]: Es ist einfach eine ganz andere Sicht auf die Dinge, Formen, Konturen, Licht, Schatten, Texturen, Kontrast und Komposition (...) In welcher Hinsicht der schwarzweißen "Cinematography" empfindest du "Die Stunde, wenn Dracula kommt" als hervorragend?







In Hinsicht auf Formen, Konturen, Licht, Schatten, Texturen, Kontrast und Komposition. :)

Mario Bava hat Malerei studiert, dann in 20 Jahren als Kameramann schon mit innovativen Lichtexperimenten und ausgetüftelten Spezialeffekten auf sich aufmerksam gemacht. An "La Maschera del Demonio" machte er sich mit dem Credo: "Beleuchtung macht 70% des Effekts im Horrorfilm" - die gezielt künstlerische Ausleuchtung als conditio # 1 fürs Schaffen von Atmosphäre. Muß Dir ja dann nicht sagen, was "Nordlicht" für Marlene Dietrich bedeutete oder was für ein Magier des Lichts George Hurrell war. :) Ähnlich wie Hurrell hat Bava in seiner opulenten Gesamtkomposition für "La Maschera del Demonio" Licht zentimentergenau eingesetzt.

Das Resultat ist ungeheuer stilvolle Beklemmung, phantastische atmosphäre Dichte, ein visueller Neoromantizismus, der in einer grandiosen Schreckensvision "alle Farben des Dunkels" ("All the Colors of the Dark" ist der Titel einer Bava-Biographie) offenbart, Furcht als sublimierte Sexualität versteht und das Gesicht der Barbara Steele als Fetisch etabliert. Von der wiederum hat ein Kritiker mal gesagt, sie sei die einzige Schauspielerin, deren Augenlider fauchen können. Der Regisseur Riccardo Freda dagegen: "Her eyes are metaphysical, unreal, impossible, like the eyes of a Chirico painting. There are times, in certain conditions of light and color, when her face assumes a cast that doesn’t appear to be quite human, which would be impossible for any other actress."

Zu dem, was Du oben über s/w-Photographie sagst: ich denke, daß Schwarzweiß, zumal in einem gothic horror-Film wie diesem, das Unbewußte auf tiefere, mindestens andere Weise anspricht als Farbe. Es entsteht eine Intimität jenseits des "Buchstäblichen" der Farbe. Was Bava in diesem Film macht, ist allerdings von einer Tiefe, die ihresgleichen sucht. Tiefe auch buchstäblich: es gibt eine Kutschfahrt durch einen nächtlichen Wald, die auf einer winzigen Studiobühne gedreht wurde, der Effekt der räumlichen Tiefe wird nur durch Kameratricks erzielt. Die surreale, dunkle Welt dieses Films scheint auch räumlich nirgendwo zu enden, so daß alles an diesem Film, vom mise-en-scène bis zu den Augen Barbara Steeles, dich geradezu einsaugt.

Die Eröffnungsszene, die ersten 5 Minuten des Films, in der besagte "Maschera del Demonio" der bereits gebrandmarkten, auf dem Scheiterhaufen stehenden, von einer Meute großen Kerlen um sie herum als "Hexe", aber wohl auch wegen Inzest verurteilten Asa aufs Gesicht geschlagen wird, wir sind im 17. Jhdt., ist von einer unvergeßlichen Intensität. Es gibt einen subjective shot, durch den wir aus ihren Augen ins Innere der mit Nägeln gespickten Maske sehen. Auch der Schlag des Henkers hat diese Perspektive; ein Thema des Films ist der Akt des Sehens selbst, die Macht des Blicks und die Verwundbarkeit der Augen.

Asa schwört vom Scheiterhaufen, ihr unsterbliches Dasein fortzusetzen. Ihren Geliebten Javutich ereilt das gleiche Schicksal. Vertreter der Wissenschaft, namentlich der Arzt Kruvajan, werden sie unfreiwillig zwei Jahrhunderte später wieder zu Leben erwecken. Barbara Steele spielt sowohl Asa als auch ihre Nachfahrin Katia. 2 Rollen: Opfer und dominante, raubtierhafte Frau.

Bava ist wie eine Kreuzung aus klassischem Universal-Horror und einem monochromen Leonardo da Vinci. Während Barbara Steele sagt, alles am Set sei monochrom gewesen, sagt Tim Lucas, Bava habe mit Lichtern gearbeitet wie bei einem Farbfilm, um verschiedene Werte ins Schwarzweiß zu bringen. Ansonsten arbeitet er virtuos mit Tricks, die Ed Wood nie gelungen sind. Die alle aufzuzählen jetzt, wäre eine Lust, würde aber den Rahmen sprengen. Nur ein Beispiel, für besagte Kutschfahrt durch dunklen Wald trugen Helfer Zweige um die Kamera herum, um die Illusion einer schnellen Fahrt zu erzeugen, Resultat, ein einzigartiger Blick aus dem Kutschfenster, addiert mit ein, zwei faszinierenden Shots durch Baumwurzeln und Zweiggewirr hindurch, die nur als schwarze Schatten den Frame überziehen. Überhaupt steht die Kamera, wenn sie steht, selten da, wo man sie erwarten würde; vornehmlich aber scheint sie ohnehin ein Eigenleben zu haben, als müßte man sie in den Credits aufführen. Sie schleicht herum, sie sucht, sie spürt der evil presence nach, scheint manchmal Teil dieser unheilvollen Präsenz, sie erarbeitet das Böse geradezu. Mehrfach fährt sie langsam in die Flächen von reinem Schwarz hinein, die Teil eines ohnehin schon gruseligen Anblicks sind, wie um den Blick in den Abgrund zu führen und die Unausweichlichkeit des Geschehens zu betonen.

Mit einer Vielzahl anderer Effekte visualisiert Bava, wie sich das Böse einnistet im Schloß Vajda, aber allein der spektakuläre 360-Grad-Shot, mit dem die Kamera einmal die ganze Gruft absucht, in der Asa auf ihre Wiederauferstehung wartet, macht klar, wie oberflächlich der Terror in den meisten nurmehr brutal und blutig daherkommenden Horrorfilmen der Gegenwart ist. Also kurz, Bava wußte, wie man Licht benutzt, um zu zeigen, wie das Dunkle, Abgründige, Böse näherkommt. Aus seiner Erfahrung als Maler heraus ist er hier dazu übergegangen, es nachgerade zu choreographieren. Er kann mit Schichten von Licht arbeiten, das in einer Szene die Akzente verschiebt. In einer anderen Szene läßt er Javutich plötzlich erscheinen, indem er einen Dimmer über ihm aufdreht, aber der Schauspieler steht gar nicht selbst im Frame, wir sehen nur eine Reflektion in einem Spiegel, ohne den Spiegel natürlich – der Effekt ist unbeschreiblich, aber überaus schaurig. 

Das Ganze ist eine extrem stilisierte Arbeit, eine atemberaubende Komposition nach der anderen in einer Art gothic Rokoko, manchmal auch an Cocteau-Filme erinnernd, nur daß nie zuvor Horror und Sex-Appeal derart verwoben waren: wenn Barbara Steele als Asa wieder zu Leben erwacht, ist sie zugleich derart erotisch und furchterregend, wie ich es später eigentlich nie mehr in so konzentrierter Form gesehen habe. Tim Burton wollte immer ein Remake von "La Maschera del Demonio" machen; besser, daß er "Sleepy Hollow" gemacht hat. :)



















 
18.01.2010

AndersSehend:
Manchmal frage ich mich, wie das zentimetergenau eingesetzte Licht in der Filmpraxis umgesetzt wird, ist es doch bereits bei der "Stilllife-Fotografie" so, dass die Lichtsetzung und das Mitspielen aller Beteiligten eine Kunst für sich ist, absolut unglaublich.






Zu "La Maschera del Demonio" fallen mir z.B. diese beiden Szenen ein: Du mußt Dir vorstellen, daß Barbara Steele als Asa, die durch das Blut Professor Kruvajans wieder zu Leben erweckt wird, noch in ihrem Sarg liegt. Die Rückkehr der Augäpfel in die leeren Augenhöhlen hat Bava tatsächlich so gefilmt, daß er zwei poached eggs von unten in die "Augenhöhlen" einer Wachsmaske heben ließ. Das klingt auf dem Papier lächerlich, aber die Akzentsetzung durch das Licht wirkt Wunder und macht die Szene zu einem Stück denkwürdiger Filmkunst. Noch gezielter arbeitet Bava in dem Moment, als Asas Augen "zurück" sind, jedoch der Effekt erzielt werden soll, daß sie "noch nichts sieht". Mit einem wirklich punktgenauen Lichtstrahl akzentuiert Bava dabei das Weiße von Barbara Steeles Augen, und er hatte sie darauf "trainiert", am Lichtstrahl vorbeizusehen. Der Effekt ist wirklich grandios.
 
 
 
 








 
 


14.01.2007

Ein Gesicht wie kein anderes. Mysteriöse, bizarre, leicht perverse Schönheit, ein Gesicht, in dem sich all die Phantasien fokussieren, um die das Horrorgenre kreist, dieses große ANDERE. Roger Corman wurde poetisch über ihre "Tiefe", meinte, wenn man in ihre Augen sähe, wäre da "layer upon layer", Riccardo Freda meinte, unter gewissen Lichtverhältnissen würde ihr Gesicht geradezu nicht mehr ganz menschlich erscheinen. Und jemand anderes, ich weiß nicht mehr wer, formulierte über ihre Doppelrolle in "La Maschera del Demonio" mal sehr schön: "Steele damn near seduced herself".

"There is no excellent beauty that hath not some strangeness in the proportion." (Francis Bacon)















 

 

 
 

 
 
 
 
 
04.11.2008 

Mein frühes Geschäftsmodell, immer schon hinterm Sofa zu sitzen, wenn die erschreckten Mädchen sich verstecken wollten, funktionierte nicht, und so wurde ich dann nolens volens in den Bann des Vampirfilms gezogen. Ich betrachte Barbara Steele als eine meine Erzieherinnen.












Wie Barbara Steele die expressive Gestik ihrer Hände bei 0:12 praktisch ausrollt.



























(erstveröffentlicht / first published 03/2011)























Montag, 18. Juli 2022

Rowland S. Howard






"Der Mann der Stunde war Nick Cave, ehedem Sänger der Birthday Party, einer Combo, die so klang wie der eiskalte Samen des Teufels sich anfühlen mußte. Cave zog durch seine Texte wie ein Wanderprediger mit Dreck am Stecken zwischen Sumpfland, Strumpfband und Altem Testament. Sein Spießgeselle war jetzt nicht mehr der seltsame Rowland S. Howard, der mit seinen weinenwollenden großen Augen wirkte wie ein im Cabinet des Dr. Caligari Vergessener und von dessen Gitarre Georg Büchner sagte, daß sie wie ein offenes Rasiermesser durch die Gegend lief (man schnitt sich an ihr), sondern Blixa Bargeld, dessen luziferisches Gebrodel über Caves Lieder kroch wie eine Tarantel übers Bett. Kicking Against The Pricks und Your Funeral, My Trial von Nick Cave schärften den Sinn für die manische Unschuld der Obsession."


"Vor etwa zwei Stunden hatte Aljoscha eine LP der Birthday Party neben einen Spiegel gestellt und sich selbst davor, um einen Haarschnitt vorzunehmen. Der Kopf des auf dem Cover abgebildeten Gitarristen Rowland S. Howard diente ihm als Vorbild. Hallo, ich bin Butch, und ich nenne diesen Schnitt Scheitel am Ende. Man trägt ein artiges weißes Hemd dazu. Es ist ein Scheitel, dessen Sachlichkeit zugleich betont und zerfetzt ist, verheert, zerwirbelt, verderbt. Die Wirrnis der Fasson. Der Formschnitt der Zerrüttung. Keine Strähne verschafft eine Ahnung, was zum Teufel all das bedeuten sollte, jeder Wirbel verweigert die Mitarbeit. Der Scheitel des Bösen. Aljoscha hatte aufgehört zu funktionieren. Er hatte aufgehört zu resignieren."


Christian Erdmann: Aljoscha der Idiot
 















Rowland war für mich immer ein entfernter Satellit, der an bedeutenden Punkten meines Lebens Signale sendet. Ich glaube, es war sein Gesicht, das mich zur Birthday Party brachte. Die Szenen in "Wings Of Desire", die sich einem ins Gedächtnis brannten. Im Winter unserer Durchgangsriten war er da mit "Wedding Hotel". "It's Still Living" neben meinem Spiegel, um mir den Scheitel des Bösen zu verpassen. These Immortal Souls live, damals, als Konzerte, die für 20:00 angesetzt waren, kurz vor Mitternacht begannen. Dann entdeckt man ihn als Entdecker der Lee Hazlewood / Nancy Sinatra-Größe, mit "Some Velvet Morning". Und dann kam "I'm Never Gonna Die Again" – "Crowned". Gott weiß wohin Genevieves Piano am Ende, das nochmal aus der Stille kommt, meine arme Seele schon geführt hat.
 
 
 
 
 

 








Über Rowland S. Howard @ SPIEGEL ONLINE Forum:




23.10.2007 

Kuechenchef: 
 
In der Tat habe ich gestern eine lange Crime & The City Solution- und Spätburgunder-Nacht veranstaltet. Angefangen mit der The Dolphins and the Sharks-EP ... bis Shine. Dabei ist mir folgendes Schätzchen in die Hände gefallen, dessen Existenz mir nicht mehr wirklich bewusst war, Nikki Sudden and Rowland S. Howard - Kiss You Kidnapped Charabanc. 







Und natürlich laufen bei alldem so viele Filme ab, daß ich auf den Spätburgunder lieber von vornherein verzichte, aber wie Lou Reed mal sagte, jeder Wirbelsturm hat ein Auge, und durch das muß man durch. Und auf der anderen Seite bleibt dann einfach, daß "Wedding Hotel" ein großer Song war, ist, und immer sein wird.











kpone: 
 
... Lydia & Rowland mit "Shotgun Wedding". Da läuft mir immer wieder ein Schauer über den Rücken.
Nicht immer zeugen viele Noten und Breaks für Qualität.












Was die Breaks angeht... im Nachhinein betrachtet... "Hee-Haw" hat zuweilen sehr vertrackte Rhythmen, diese seltsame Art von Beautiful Losers-Jazz, der Rhythmus als Strafaktion, und halb hält Howard genau das in der Hand, halb schneidet er mit dem Rasiermesser hinein.

Gerade auf der zweiten These Immortal Souls-Platte ("I'm Never Gonna Die Again") bindet er sich dann aber mal richtig die spitzen Schuhe zu, Stücke von ungeahnter Stringenz, und das etwa 10 Minuten lange "Crowned" - über das, was passiert, wenn man sich über längere Zeit hinweg über den Schlaf (und ein paar andere Dinge) erhebt - ist vielleicht das beste, was er je gemacht hat, die Beats, die Epic Soundtracks auf diesem Stück auf der Snare hinterläßt, kann kein Sterblicher zählen, und während sich das Ganze am Ende selbst manisch in den Boden dreht, entlarvt diese wunderbare Piano-Melodie von Genevieve McGuckin, die erstmal gegen die neun Höllenkreise ankämpft und dann aus der Stille nochmal wiederkommt, einen wie Howard ("I've been crowned in black, now I abdicate") als letztlich heillosen Romantiker. Ganz, ganz groß.










 


18.03.2008 

"Exit Everything" flattert hier seit Tagen mit schwarzen Engelsflügeln herum und sprüht "Das Herz ist eine Kampfzone" an die Wand.


















07.07.2008  

Hatte ich Dir eigentlich seinerzeit erzählt, daß es in dem nicht so berauschenden "Queen of the Damned" eine kurze Szene gibt, in der eine "Vampir-Combo" aufspielt, bestehend aus Aimee Nash, Robin Casinader, dem wunderbaren, Dir ja nun auch bekannten Hugo Race und *drumroll* Rowland S. Howard, ex-The Birthday Party, ex-Crime & The City Solution, ex-These Immortal Souls, ex-Lydia Lunch-Kumpan, ex-everything (Song seines Soloalbums "Teenage Snuff Film": "Exit Everything"), ex-Konsument-von-allem. Wie Du weißt, kann man ihn auch als "im Cabinet des Dr. Caligari Vergessener" bezeichnen, aber es war einfach schlagend, wie das natürliche unnatürliche Aussehen dieses Mannes ihn vampirhafter erscheinen ließ als den ganzen Rest der Filmvampire!











07.09.2008

"Exit Everything" ist so richtig, daß es fast schon falsch ist, erinnert daran, daß Gott ein passiv-aggressiver Profilneurotiker ist, und bleibt dabei cool wie eine tiefgefrorene Gurke.










09.02.2009

Fad Gadget, "Ad Nauseam" von "Gag" (1984). Verstörender als 3 Death Metal-Bands auf 1 Pferd, Gitarre Rowland S. Howard.












12.02.2009

Eine der vielen guten Taten Rowland S. Howards: in einer Zeit, in der sich niemand darum kümmerte, auf die Klasse der Hazlewood / Sinatra-Songs zu verweisen, genau wie Nick Cave mit "Kicking Against The Pricks" Traditionslinien betonte. Die slightly demented Lunch / Howard-Version ist Geschmackssache, ich finde sie wunderbar.
 













09.07.2009

Von Alex Chilton hat Rowland S. Howard mit seinen These Immortal Souls mal "Hey! Little Child" gecovert. Der kann überhaupt gut covern.
















30.10.2009


Es gibt eine neue Platte von Rowland S. Howard (The Birthday Party, Crime & The City Solution, These Immortal Souls), "Pop Crimes".
 
Seine erste Soloplatte, "Teenage Snuff Film" von 1999, gehört zum Besten, das je aus Australien kam.

Und jeder sollte ihm Glück wünschen. "Basically I got liver cancer, I'm waiting for a transfer, if I don't get it things might not go so well... so..."










30.12.2009 

Heute morgen ist Rowland S. Howard gestorben.













30.12.2009 

Als Fad Gadget starb, war ich neu im Internet. Ich fand eine Art Kondolenzbuch auf seiner Website, und trug etwas ein. Aus den 80ern hatte ich noch so einen Artikel über ihn. Der war begleitet von einer Bilderserie; Frank Tovey (sein richtiger Name) und seine damals vielleicht 3jährige Tochter veranstalten eine Tortenschlacht. Sehr niedliche Bilder, sehr im Kontrast zu der damals gefährlich und diabolisch wirkenden Bühnenfigur Fad Gadget - der gerade das Album "Gag" veröffentlicht hatte; auf einem Stück davon spielt übrigens Rowland S. Howard Gitarre. – In meinem Eintrag also erwähnte ich diese Bilder. Kurze Zeit darauf stand folgender Eintrag online:

"Thank you for all of your messages. I'm still reading them so please keep writing. Thank you to Christian for the message about the photo shoot with me and dad and the cake. I still have one of the photos from that shoot framed in my bedroom, it's one of my most treasured possessions. Thanks and love to you all, Morgan."

Das, und zu lesen, wie viele Menschen around the world die Kunst dieses Mannes schätzten und liebten, ließ mich denken, das Internet ist womöglich keine schlechte Sache.

Ja, es hat ihm wehgetan, daß sein Werk nicht die Würdigung fand, die es verdient hätte. Ich finde es ebenfalls schmerzlich, wie manche, die ganze Heerscharen von Epigonen zu hoffnungsloser Mittelmäßigkeit verurteilen, so langsam im Nebel verschwinden. Auf der anderen Seite ist es immer eine Wohltat, auf YT, wie mir gerade bei Siouxsie & The Banshees wieder geschehen, zu lesen, wie 17jährige diese Musik entdecken und ihnen die Kinnlade runterfällt darob, daß es sowas mal gegeben hat.

Warum ich das alles erzähle, weiß der Himmel – vielleicht weil ich heute morgen diese Nachricht bekam: "I woke up this morning and someone told me Rowland died. I'm crying like a child."

Rowland S. Howard – The Birthday Party, Crime & The City Solution, These Immortal Souls, zwei gloriose Soloalben, massenhaft Kollaborationen. So einflußreich und innovativ, es bräuchte einen eigenen Museumsflügel für ihn. Im Grunde auch der Mann, der für die Postpunk-Generation das Interesse an Lee Hazlewood wiederbelebte, als dieser völlig aus dem Fokus war, mit "Some Velvet Morning", Duett mit Lydia Lunch.

Ein Nachruf:

-> Rowland S. Howard hangs up his guitar for keeps 

"I think that the most important thing about music should be that it expresses some kind of humanity and it should express the personality of the person who is playing it."







04.01.2010

Zum Tode Rowland S. Howards:

-> Geier unter Starkstrom 








05.01.2010

kpone: 
 
RIP 
"I think that the most important thing about music should be that it expresses some kind of humanity and it should express the personality of the person who is playing it." 

Sorry, Christian, hab' ich grad mal bei Dir rauskopiert. Natürlich war Howard kein "Supergitarrist" à la Malmsteen, Satriani, Moore und wie die ganzen Griffbrettmasturbanten alle heißen. Aber da wo Gefühl und Akzentuierung gefragt waren, da hat er sein Metier beherrscht wie kein Zweiter. Allein auf der kompletten LP "Shotgun Wedding" mit Lydia Lunch zeigen einzelne Töne zur richtigen Zeit, langsame Melodiefolgen einzelner Töne mit kurzem komplett Anschlag eines Akkords über drei Saiten, dass weniger meistens mehr ist.

Feeling für Strukturen, Harmonien (bei Birthday Party meist Disharmonien) und Riffs, die einen bis ins Mark treffen und Schauer über den Rücken jagen, müssen nicht immer technisch perfekt sein oder bis in jede 32tel Triole zu analysieren sein.

R.S. Howard war einer der ganz Großen.



 




Sorry, Christian, hab' ich grad mal bei Dir rauskopiert. 

Gern. Doch noch schön, das alles zu lesen hier; hatte heute morgen schon dem Herrn Buß mein Mitgefühl aussprechen wollen dafür, daß er den deutschen Kulturseppl nahezu todesmutig doch noch mal an etwas Spannendes und Bedeutendes erinnern wollte, bei einer 90:10-Wahrscheinlichkeit von "Rowland wer?". In jedem englischsprachigen Nachruf findet sich das Wort "influential", gern mit einem "most" davor und einem "komma, inventive" dahinter. Daß Rowland S. Howard in Deutschland vergleichsweise "einflußlos" war, würde ich gar nicht unbedingt bestreiten; eben daß Gitarristen dieses Kalibers – der Mann hatte einen Stil, den man 10 Meilen gegen den Wind erkennen konnte, präzise, schneidend, durchdringend, aber mit einem phantastischen Sinn für Klang, Struktur und Nuancen – vergleichsweise "einflußlos" geblieben sind, ist ein Teil der Erklärung dafür, daß deutsche Musik so grottenlangweilig ist.

RSH hatte eine Lone-Ranger-Stimme von düsterer Determiniertheit, die immer etwas Unheimliches hatte, aber eine Stimme, die selbst schon mehr erzählte als tausend in Verbindlichkeitsakkorden absaufende Wischiwaschitexte. Wer sich mit den Texten wirklich beschäftigt, erkennt darin natürlich kleine poetische Sprengköpfe allerorten, RSH hat immer literarische Einflüsse zugegeben, von denen er meinte, daß er sie noch durch einen vielleicht nicht immer leicht verständlichen, spezifisch australischen Humor filtert, der mit dem vermeintlich Morbiden ganz gut umgehen kann. Großer Mann des dunkelromantischen weißen Blues, der ein genieförmiges Loch in der Kultur hinterläßt. 

Aus einem Review zu "Pop Crimes":

"And it's a revelation. Howard comes across as an intriguing blend of world-weary cynic and romantic, with that oddly puritanical streak you often get in lifelong 'outsiders,' with a deliciously rich vein of black humour to bring it all to life. His cavernous voice sounds like it has smoked a forest of cigarettes but conversely has that rare power which comes from a sense of having really lived."






 
 
 
 
 
 
01.07.2010

Einer, der gehen mußte: von Rowland S. Howards nun erschienener "Pop Crimes".













10.12.2010

kpone: 
 
Der hat sich einfach die Zeit genommen, Emotionen in Musik zu packen & Töne auch mal stehen zulassen, um damit zu korrespondieren & kommunizieren. Demnächst jährt sich sein erster Todestag. R.I.P., Rowland. Never got the chance to see you on stage.







Thx. Ja, man möchte pathetisch werden, und warum auch nicht, ich danke den Göttern, die zwischen den Atomen sitzen und kichern, daß sie uns Diesen Unsterblichen Seelen zuführten, damals, als bestimmte Konzerte aus bekannten Gründen ca. 3 Stunden später begannen als angekündigt. Hager, ausgemergelt, als wäre Sonne ihm nur vom Hörensagen bekannt, schien er mehr Wesen als Mensch, später, in "Queen of the Damned", bei seinem erstaunlichen Cameo, war er wohl der einzige, den man nicht eigens zum Vampir hinschminken mußte. Seine Art, sich zu bewegen, beeindruckte mich zutiefst. Eben die Art eines sehr schlanken, sehr großen Mannes, der ein Messer gegessen hatte. Die wunderbare Jutta Koether schrieb mal, These Immortal Souls stanzen in kostbarer Düsternis Blumen in schwarzes Glanzpapier. Und das ist natürlich das genaue Gegenteil von "depressiv". Er liebte James Ellroy und verriet immer so interessante Dinge wie etwa, daß Blixa Bargeld eine Schuhputzmaschine besäße. Die drei besten "Wedding"-Songs: das "White Wedding"-Cover der Queens of the Stone Age, "Wedding Dress" von Mark Lanegan, und "Wedding Hotel" von Rowland S. Howard und Nikki Sudden.

Ein paar Platten, die der Mann todsicher zuhause hatte: die großen, großen Shangri-Las. Wenn der nicht auch a crush on Mary Weiss (Capricorn, weiß man schon, bevor man es nachliest) hatte, will ich einen Besen fressen.






 
 
 
 
 
 
 
 
"Worte und Sounds lange nach Mitternacht. Winter-Pop. Was kümmert uns der schmutzige Schnee? Behende eilen die Immortal Souls spitzschuhig darüber hinweg." - Jutta Koether











"Autoluminescent" Movie Trailer













The Birthday Party "Junkyard" on Gotterdammerung










The Birthday Party












"Rowland S Howard (the "W" in Rowland and the "S" in the middle were not negotiable) was one of this world's most ridiculously singular and charismatic individuals. He was himself to the nth degree. He was beautiful, extraordinary, intelligent, funny, wickedly talented, wickedly human, affectionate, warm loving and always entertaining to the precious people in his life. He was as dapper as the devil, at times as shabby as an aristocrat who'd fallen on hard times.

He felt things in a wholly unimpeded way, there were no walls between his heart and his mouth, his skin was thin. When he loved he loved with all his heart, soul and mind, he could break hearts and did. He railed and writhed in agony when his own heart was broken. He devoured life and books and films and music and pop culture with a curiosity and zest for new information that was astonishing. He was a popular criminal. He was great and he was flawed, and life tested him again and again, but he arose from times of gloom and adversity to charm and amuse and spark and spin and produce songs and music that came straight from the centre of his being with an honesty and intensity that was bone-deep. He didn't suffer fools gladly, if at all, yet he was always a gentleman.

His life was 50 years long, different periods of friends, cities, bands. So much happened it would be impossible to cover or do justice to them all. This is a eulogy, not a biography.

I'll miss his blue eyes, his face, his downturned smirk, his raised eyebrow, his fount of information, his devilish humour, the sound of his voice. His compassion and empathy, his loyalty, his chuckle, his mocking laugh, his huge vocabulary. I'll miss him telling me exactly what to read and see. I'll miss his presence, the light he shed on those around him, his music, his singing, his words that made us cry, and watching and hearing him skip and strut and swing that guitar like a screechy demon, wringing the most bone shatteringly beautiful noises out of the ether while he sang his heart out all over the place. It all came from the most profound regions of his soul. It was how he expressed himself.

Through everything Rowland, you were the best friend of my life. I couldn't have asked for more." 

Genevieve McGuckin
 
 









 
 
 
"Rowland's quest is to banish banality from the kingdom." - Harry Howard