Donnerstag, 17. Juli 2014

Sergio Larrain





Sergio Larrain, geboren am 5.11.1931 in Santiago de Chile, gestorben am 7.2.2012. Aus wohlhabender Familie, arbeitet in einem Café, um das Geld zusammenzubringen für seine erste gebrauchte Leica, die sein Schicksal als Vagabund besiegelt. Ab 1954 als freier Fotograf unterwegs, Straßenszenen aus Santiago, aus Andendörfern, oder aus Valparaiso, der Stadt, die er "die schönste der Dichtungen" nennt. In den 1950ern reist er auch durch die europäischen Metropolen und den mittleren Osten, 1958 bringt ihn ein Stipendium nach Großbritannien, die Bilder, die dort entstehen, vor allem in London, faszinieren Henri Cartier-Bresson, der Larrain nach Paris einlädt. Ab 1959 arbeitet Larrain zunächst assoziiert, seit 1961 als Mitglied für Cartier-Bressons Agentur Magnum Photos. Er fotografiert Reportagen über den Algerienkrieg oder, als Mission Impossible, über den von Interpol gesuchten sizilianischen Mafiaboss Giuseppe Russo, dem Larrain monatelang auf den Fersen ist, bis er ihn in Caltanissetta ausfindig macht. Der zurückhaltende Larrain fühlt sich der journalistischen Auftragsarbeit jedoch fremd, 1963 geht er zurück nach Chile. 1966 erscheint ein Fotoband über das Haus von Pablo Neruda, der Poet selbst schreibt den Text dafür. Von Neruda stammt auch der Text für das Buchprojekt "Valparaiso", darin das surrealistisch anmutende Foto der beiden Mädchen auf der Treppe in der Mittagssonne ("Bavestrello-Passage, Valparaiso, Chile, 1952").

Beeinflußt vom bolivianischen Mystiker Oscar Ichazo zieht sich Larrain in ein kontemplatives Leben zurück, studiert Religionen, Kalligraphie, Malerei, Yoga, Meditation, lebt ein zunehmend isoliertes Leben in den Bergen von Tulahuén im Norden Chiles. Er schreibt Briefe über den traurigen Zustand der Menschheit, in den 1980ern schickt er zuweilen Fotos von Objekten, vornehmlich aus seinem Haus, mit der Post an Freunde, hat die Fotografie aber aufgegeben wie Rimbaud die Poesie, desillusioniert von einer Welt, in der die Reinheit zerschellt; einer, der die Fotografie zu sehr liebte, um sie zur Karriere zu machen.

Larrain hat zu Lebzeiten nur vier Buchprojekte veröffentlicht, professionell kaum mehr als 10 Jahre gearbeitet, lehnte in späteren Jahren die Idee von Retrospektiven ab. "He was unique", sagt Agnès Sire, Directrice der Fondation Henri Cartier-Bresson, "he was really a free man."

Eines Nachmittags in den 1950ern macht Larrain in Paris Aufnahmen bei Notre-Dame, erst beim Entwickeln des Films bemerkt er, daß er dabei auch ein Liebespaar fotografiert hat. Die Episode inspiriert Julio Cortázar zu seiner Geschichte "Las Babas del Diablo" (1959), die wiederum Ausgangspunkt ist für den Film "Blow-Up" von Michelangelo Antonioni.
























































"Ich habe begriffen, daß Fotografie wie jeder künstlerische Ausdruck im tiefsten Innern zu suchen ist. Das perfekte Foto ist eine Art Wunder, es scheint in einem Lichtblitz auf - Thema, Form und perfekter Seelenzustand -, beinahe zufällig drückt man auf den Auslöser und das Wunder geschieht." - Sergio Larrain, 1960





 
















2 Kommentare:

  1. Anonym24.9.15

    So dankbar, Sergio Larrain durch Dich entdeckt zu haben. Das Buch "Sergio Larrain" published by aperture, mit Text auch von Agnès Sire, begleitet mich nun schon über ein Jahr. Zu dem Foto mit den beiden Mädchen, die Treppe herabsteigend, schrieb er "It was in Valparaiso that I started taking photographs, walking up and down its hills, around 1951…The image of the young girls descending the steps was the first of the 'magic' images that came to me…It's only in Valparaiso that such things can happen." Magical auch für mich die Verbindung zu "Blow Up"!

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    1. So wonderful to hear. Valparaiso wirkt wie ein Ort, an dem man verlorengehen möchte, natürlich so, daß man auf einem Larrain-Foto wieder herauskommt, in Schwarzweiß. - Weiß nicht, ob Du es gesehen hast, habe hier noch eine Impression über den Meryon Park angefügt, weiß leider nicht mehr, von wem sie stammt, fand den Text vor ein paar Monaten wieder, in the aftermath of notebook meltdown - schon Samuel Pepys war der Park unheimlich.
      Wie ich sagte, fange an, mich unvollständig zu fühlen ohne regelmäßige Zufuhr von "Blow-Up", gilt allerdings auch für "Malpertuis", und als wir vor ein paar Wochen in Gent auch den Malpertuis-Locations folgten, machte ich irgendwann innerhalb kürzester Zeit drei Fotos von der berühmten Häuserfront an der Graslei. Auch im frame dann der Alte Postturm, und erst zuhause sah ich auf dem dritten Foto, daß plötzlich irgendein Wesen auf diesem schlanken Turm erschienen ist (der für die Öffentlichkeit, soweit ich weiß, gar nicht zugänglich ist.) Ein lautloser Schatten, der in schwindelnder Höhe eine Fahne zu schwenken scheint. Keine Ahnung, ob das irgendwie zur Gent-Folklore gehört, daß um 20:54 der Dämon des Alten Postturms erscheint, oder was zum Teufel ich da eingefangen habe, zumal es so aussieht, als stünde er/es auf der Turmbrüstung. Will nicht behaupten, daß die Liebe zu "Malpertuis" mir einen "Blow-Up"-Moment beschert hat, aber, Digitalfotografie takes the mystery out of life? No way. :)

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