Mittwoch, 20. Februar 2019

Dieter Kurzhorst-Faust (Slight Return)







The Return of -> Dieter Kurzhorst-Faust: Leider hat ray05 seinen Blog "Letzte Lockerung" ins Nihil befördert. Im April 2011 erschienen dort Lebenszeichen von DKF, die nun also wieder verschwunden sind. Zur Strafe für dieses nichtgutzumachende Verbrechen drucke ich hier die von mir damals verfaßten Kommentare ab.




Zu "Neues von Dieter Kurzhorst-Faust"

Auch in diesem Film, der uns in Hoffnungslosigkeit zu entlassen droht, verweigert sich Kurzhorst-Faust einem pessimistischen Ende. Doch bei aller Brülljanz bleibt er hochkontrovers. Formulierte Blixa Bargeld einst als sein Movens: "Türen aufmachen, wo es vorher gar keine gab", scheint für Kurzhorst-Faust mittlerweile zu gelten: Gegen Türen bumsen, wo es immer noch keine gibt. Mit unverstelltem Blick. Wenn in einer atemberaubenden Einstellung dieses Films ein Kind Löwenzahn zerstückelt, bedeutet das in Kurzhorst-Fausts Welt ja letztlich nichts anderes als die Bedrohung des Kunstgewerblichen mit einem Korkenzieher. Vorbei die Zeiten, in denen Kurzhorst-Faust in Ermangelung eines wirklichen Feindes ein metaphysisches Hohnlachen anstimmte. Nein, Kurzhorst-Faust ist zurück als Spion in trügerischen Idyllen, als wütender Niederbrenner der kleinen Spaßhäuser, in denen immer der gleiche Irrtum der vermeintlichen Puristen aufhört, die Welt zwischen die Zeilen zu schreiben.




Zu "Der fünfte Stein von Dieter Kurzhorst-Faust"

Dankenswert, wie die Antipodie herausgewerkt wurd. Herzog wollte ja immer mit Jack Nicholson drehen, doch es kam nie zustunde, weil Nicholson "an island of sanity" sei. Verglochen mit Kinski. Wie nun hier Jack Nicholson, der seinen Gefährten schiebt, bei 2:14 den Kopf einzieht, unter der ganzen Wucht Kurzhorst-Faustscher Herangehensweise - das ist denkwürden, das ist epochell. Die Lüneburger Heidi. Die Lüneburger Alpen, eine mächtige Quelle des Erhabenen. Bei all ihrer strangulativen Majestät doch eine Königin der effektiven Unruhe. Es ist die große Kette der Fünf-Uhr-Sachen, die Kurzhorst-Faust zu interessieren scheint. "Der fünfte Stein" zieht uns zum Thron Gottes hin, den Gott sich eben dahin zu stellen beliebte, volle Möhre in die schwundelerregenden Höhen der Lüneburger Hochgebirge, wo auf speziöse und doch grazielle Weise die Schwerkraft werkt, zwischen diesen visuellen Objekten von immenshaften Dimensionen. Wenn Kurzhorst-Faust die Flachwelligkeit dieses norddeutschen Tourismusschwerpunkts gänzlich ausblendet, ist das nicht bloße Willkür. "Der Landkreis Soltau-Fallingbostel ist von so ausdrucksvoller Ungewißheit, daß mir die Sprache verschlug", sagt Kurzhorst-Faust. So bricht denn auch der verstörende Soundtrack (Gogol Wu und die Frau von Hans Moser) urplötzlich ab, die Stimmigkeit der Stummigkeit der Pferde, am Ende der einsame Mann - ist es Jack, ist es ein Heidebewohner? -, der mit seinem Veloziped noch einmal das Fundament der Proportionen zu durchglöten scheint: um hier affiziert zu sein, ist Mitwirkung des Willens unnötig.


























Freitag, 15. Februar 2019

Helmut Griem












2. September 2018. Nach einer ersten erfolglosen Mission im Frühjahr fand ich schließlich beim zweiten Versuch das Grab von Helmut Griem, versteckt und überwuchert. Ich schnitt einige Zweige ab, die den Grabstein verdeckten, entfernte Efeu, betrieb tatsächlich ein bißchen Grabpflege beim großen Helmut Griem. Ein Edelmann, wenn man den - erschreckend wenigen - Berichten, die man findet, zuhört. Nur eine kleine Auswahl seiner Filme: 1968 "Bel Ami" mit Erika Pluhar. 1969 Aschenbach in "Die Verdammten" von Luchino Visconti. 1972 Baron Maximilian von Heune in "Cabaret". Dürckheim in "Ludwig II.", erneut Visconti. 1976 Hans Schnier in "Ansichten eines Clowns". Auch in der "Zauberberg"-Verfilmung von 1982 - jener Dreiteiler mit Christoph Eichhorn und Marie-France Pisier, für den ich eine inkurable Schwäche habe - taucht er auf, als James Tienappel. Chabrols "Wahlverwandtschaften" mit Stéphane Audran. "Die Spaziergängerin von Sans-Souci" mit Romy Schneider. Im TV-Mehrteiler "Peter der Große" (1986) ist er zu sehen als Alexander Menshikov.

Einige Fundstücke:

"Das war der Udo Proksch. Und der war ein ganz faszinierender Kerl, ein sprühender Mensch, der mich mit seiner Ideenfülle und Unbekümmertheit anzog. Ich war ja eher brav und pflichterfüllt. Obwohl er ein kleiner, klobiger Mann mit breitem Gesicht war, sind ihm die Frauen buchstäblich nachgerannt. Diesen seltsamen, leicht verrückten Menschen habe ich sehr geliebt. Die Ehe war sehr schwierig. Er war immer unterwegs und hat mich ständig beschissen. Und er wurde Alkoholiker. Das war das Schlimmste. Im Alkohol hat er mich zweimal wirklich verprügelt. Was mich da gerettet hat, und das sage ich mit großer Zuneigung, war der Helmut Griem, mit dem ich beim Drehen von Bel Ami eine Affäre hatte. Diese Beziehung gab mir die Kraft, mich von meinem Mann scheiden zu lassen."

(Süddeutsche Zeitung Magazin, Interview mit Erika Pluhar, Oktober 2011)


"Helmut Griem war von so einer unglaublichen Bescheidenheit, wie ich es sonst nie erlebt habe. Er war ein so besonders feiner Mensch. Er hat sich immer zurückgenommen und ist in einer ganz feinen, respektvollen Weise mit allen umgegangen. Er hat sich nie beschwert, auch wenn wir etwas ein paar Mal drehten und er warten musste. Er war ein ganz uneitler, sehr aufmerksamer, sehr leiser, sehr angenehmer Mensch.

Griem hat sich in sein Privatleben nicht hineingucken lassen, das machen die wenigsten Schauspieler, weil sie Sorge haben, dass sie etwas preisgeben, was die anderen nichts angeht und sie schützen das. Sie wollen für sich einen Bereich erhalten, wo kein anderer Zutritt hat und das ist absolut richtig und verständlich, weil ein guter Schauspieler so viel in seine Rollen hineinlebt - von seinem Leben - bei Griem war das viel von seiner Melancholie und das ist ein ganz heikler Vorgang vor der Kamera, denn die ist unbestechlich. Griem war immer sehr konzentriert und immer in seiner Rolle...

Ich war erschrocken, wie man damit umgegangen ist, als er starb. Da stirbt ein Weltstar, der so bekannt war, und man hat ihn nicht gewürdigt."

(Bernd Böhlich, Regisseur und Drehbuchautor)


"Wir sind uns beim Drehen leider nicht begegnet, aber im Hotel in Budapest. Ich ging auf ihn zu, ich sagte, Herr Griem, ich bin so froh, dass ich endlich die Gelegenheit habe, Ihnen mal was zu sagen, ich war in München auf der Schauspielschule, damals, ich habe sie gesehen, live, damals, am Resi, als Philoktet ..., ich weiß nicht, wie ich es sagen soll, aber ich glaube, Sie haben mich für das ganze Leben beeindruckt. - Er lächelte, und sagte: "Hast Du auch Hunger?"

(Peter Sattmann)




6.4.1932 - 19.11.2004