Samstag, 19. November 2011

Vorweihnacht mit Cured Catherine (7): Dita von Teese, intelligenztechnisch













Vor einigen Tagen saßen Ch. und ich vor dem TV-Gerät und bestaunten eine hinreißende Dita von Teese, she left us open mouthed und Ch. sagte nur: Die sieht aus wie gemalt! Ich tat der Dame unrecht, als ich sie einmal belächelte, wenn Sie erinnern. Sie ist wirklich eine beeindruckende Person.

Haben Sie schon von dem neuem Lenz-Roman gehört? Bin ja äußerst gespannt, die Kritiken sind interessant. Er gehört unbedingt zu den Guten, finden Sie nicht? Ich hielt einen Teil meiner mündlichen Abiturprüfung über "Deutschstunde" und denke immer noch gern an meine grandiosen Interpretationen... Mein ansonsten korrekter und distanzierter Lehrer umarmte mich nach der Prüfung. Ich glaube, er selbst staunte darüber wiederum mehr als ich.










Oh ja, Dita. Ihr opulentes "Burlesque / Fetish & The Art of the Teese"-Buch wurde mir als Weihnachtsgeschenk zuteil. Falls Sie auf die 10 Minuten bei der FruchtbonbonszwischendieZehensteckerin anspielen - es war ein siriusweiter Abstand erkennbar, there on the screen. Die ich nur sah, die 10 Minuten, weil Buchspende und Leben sich halt immer schon seltsam vermischen für mich, und ich Manson auch auf die Silbe verstand, als er von seiner Sehnsucht nach Nähe sprach, auch ist "Eat Me, Drink Me" hochnotfaszinierend als hochnotpersönliches pièce de résistance, indes, vielleicht hat der Mann ja auch selbst verbockt. Jedenfalls hat Ch. recht. Vermutlich war ja ein Ghostwriter mit dabei, aber das, was Dita / Pseudo-Dita z.B. über Fetischismus schreibt, ist nearer to the truth als manch anderes, was ich las. Werteste, ich fürchte, in Bälde muß ich Ihnen einmal unkryptisch kommen. Das aber würde länger.

Von Lenz' Roman hörte ich, aber ich kann gar nicht sagen, ob Lenz unbedingt zu den Guten gehört, ich habe den immer geschwänzt. Selbst lese ich derzeit, nach Tolstois "Kreutzersonate" (teilweise haarsträubend, teilweise in ein Schwarzes treffend, das tiefschwarz ist), Dostojewskijs "Jüngling". Schon deshalb interessant, weil es einen etwas rauhbauzigen, scheinbar ganz unliterarischen Stil pflegt, der aber natürlich wiederum sehr kunstvoll ist, den des "ungeschliffenen" Jünglings eben. Aber am wichtigsten bei Dostojewskij, fand ich immer, sind diese tiefen Blicke in die Seele von Menschen, die scheinbar ständig das Gegenteil tun von dem, wonach ihre Seele sich verzehrt, und dabei doch unbeirrt ihrer "Idee" folgen, atemlose Märtyrer, a martyr for my love for you, Masochismus muß eine russische Erfindung sein, jedenfalls gibt es eine spezifisch russische Spielart.

Grandiose Interpretation der "Deutschstunde", bis hin zu unerwarteten Umarmungen? Glaub ich aufs Wort!










Genau die 10 Minuten sahen wir. All die kleinen Mädchen, blass und leer neben dieser Dame. Eine schreckliche Sendung. Gestern sagte der Chefbeurteilerfrauenhassersack, die 16jährige sei natürlich noch ganz anders ins Geschäft zu bringen als die 24jährige, für die ja eigentlich schon alles zu spät sei. Absurdistan. Hm, mit "verbockt" meinen Sie Manson und Dita gegen die Wand? Sehnsucht nach Nähe haben ja die, die sie nicht aushalten. Also alle. Ich hab ja bisher nur den Idioten von Dostojewski gelesen und am besten gefiel mir die Geschichte von dem Mädchen auf dem Dorf, das von allen gehasst wurde. Und dann aber von den Kindern geliebt und dann wurde sie krank und starb an der Schwindsucht. Ich weiß nicht warum, aber das Schwindsuchtthema hat es mir sehr angetan. Auch die Kameliendame scheidet so konsequent autoaggressiv, jede Verletzung, jede Wut und Moralvorstellung gegen sich selbst gerichtet, geben die Frauen auf, das einzige Mittel, sich nicht anzupassen, aus den Alternativen Kampf oder Flucht die Flucht gewählt. Nur die, die sich selbst lieben, werden auch geliebt. Aber kann man es wirklich lernen, wenn es einem nicht geschenkt wurde? Dieser Moment, als Marguerite Gautier im Garten sitzt und für einen Moment auf eine Zukunft hofft, in der sie gesund ist und geliebt wird. Sie könnte es nicht aushalten und das weiß sie auch. Und doch hofft sie darauf. So sind Menschen.

Ich hab mir Lenz zum Abitur nur deshalb ausgesucht, weil mein damals sehr verehrter Grönemeyer mal in einem Interview gesagt hat, dass er es gar nicht leiden kann, wenn in seine Texte so viel interpretiert wird. Er wäre ja schließlich nicht Lenz, über dessen "Deutschstunde" die Schüler im Deutschunterricht wochenlang die erste Seite auseinander nehmen müssen und er immer dachte, Mann, der hat sich bei jedem Wort soviel gedacht, wie macht der das nur? So kam ich zu Fetisch-Lenz und fand, soviel hat er sich gar nicht gedacht, aber dann eben doch. Anders als Dostojewski. Die Szenen auf dem Land, wo der Briefträger auf seinem Fahrrad weite Feldwege zurücklegen muß und schließlich am Ende den Frieden dabei hat in seiner braunen Briefträgerumhängetasche, beobachtet vom Protagonisten, der am Anfang und am Ende der Geschichte im Feld liegt und noch nicht so recht glauben kann, dass er überlebt. Dass auch Sie mal etwas schwänzen! Unkryptisch? Wann immer es beliebt.










Ah, auch ich liebe "Die Kameliendame". Kennen Sie auch "Manon Lescaut" von Prévost? Als Ballettomane darf ich auch mitteilen, daß der einzigartige John Neumeier beide Geschichten in seinem Kameliendamen-Ballett virtuos verwob. Sehen Sie? Kein Ende der Liebe – nur rituelle Opferung des Herzens. "A Martyr For My Love For You", wie der weißgestreifte Jack in gänzlich anderem Zusammenhang sagt. Ein Rezensent schrieb ja, "Aljoscha" wirke, als hätte ihn ein böser Geist aus der Belle Epoque gerissen, vielleicht meinte er aber auch die präzise Erinnerung an das Geräusch der Kutschräder im Bois de Boulogne einige Jährchen zuvor – die demi-monde war seinerzeit so faszinierend, wozu eine ganze? Wahr ist jedenfalls, daß SIE am 15. Januar geboren ist, wie Marie Duplessis, die eigentlich Alphonsine Plessis hieß. Sie haben recht, nichts Herzzerreißenderes als dieser Moment, in dem alle Fassaden nichts mehr bedeuten und nur noch das mädchenschüchterne, von der Überzeugung des Unverdienten bedrohte Bekennen da ist, zu der Hoffnung, die ja immer Hoffnung war. Liszt dachte an sie mit einem "geheimnisvollen Akkord aus einer antiken Elegie" im Herzen.

Der Sarkophag, von dem Aljoscha die magische Blüte nahm, eines jener Zeichen, die die Muster geben, Sie kennen ihn.

Das Unkryptische später. Die Franzosen haben ja eine ganz andere Einstellung. Zwar stammt von denen der aufklärerische Ruf "Beseitigt die Schnürbrüste!", aber sie haben dann doch schnell eingesehen, daß hohe Absätze das Denkvermögen keineswegs beeinträchtigen. Bei denen sitzt Dita eloquent in TV-Gesprächsrunden, die wir in dieser Form gar nicht haben. Und ich sage nochmals, Camille Paglia. Von dieser weiblichen Macht und Stärke, die klassischer Feminismus immer als servile Unterwerfung unter männlichen Blick zu betrachten geneigt ist, handelt sie eigentlich, handelten irgendwann wesentlich auch die über Bord gegangenen 100 Bände Horror. Darum ist beispielsweise Sacher-Masochs "Venus im Pelz" so interessant: weil Wanda im Verlaufe der Geschichte immer ein wenig weiter geht, als Severin eigentlich vorgesehen hatte. Sie übersteigt seine apollinischen Entwürfe permanent.

Die Äußerung Grönemeyers (seinerzeit ein guter Schumann) rief in Erinnerung, daß Lenz auch für mich in der Tat arg mit Deutschunterricht verbunden ist – Deutsch LK war ein Flop. Die Wahl beruhte auf einer Best of-Serie in der 10., als man uns interpretatorisch freie Hand gab, später hieß es dann, interpretier' so wie ICH will oder stirb, und ich streikte mich so durch. Im Grunde war mein Abi gänzlich improvisiert. Back to bed, keine Schwindsucht, undekorative Erkältung.











Gute Besserung und wie gut, dass es keine romantische Schwindsucht ist.










Danke! Professor Manson sagt ja, man müsse seinen Körper zu einem Ort machen, an dem Viren sich nicht wohlfühlen, Miss Apotheke 2008 sagt, Wasser bis man blubbert, Mighty Joe Strummer sagt, Pillen bis man rasselt, da soll einer durchfinden. Nee, doch nicht.
Seufzer, Ausgestoßener! THE OLD WOUND FEVER!! TUPELO BOUND! LOOKA YONDER!










Ich folge da wohl eher den weisen HausfrauInnen, die da fanden, eine Erkältung dauere etwa 7 Tage bis 1 Woche, ob nun mit Professor, Miss Zaubertrank, Schlossgespenst oder ohne.

Paglia und Prévost notiere ich mal auf der Sabbatical To Do Liste.

Ja, ich kam erst durch Aljoscha zur Kameliendame. Es ist wohl das Entscheidende an diesem Moment im Garten, dass die Fassaden fallen. Ohnehin im Leben meistens der interessanteste Moment, da wir bis dahin zu sehr unseren von den Fassaden zurückgeworfenen Projektionen ausgeliefert sind. Kennen Sie denn die La Traviata-Aufführung mit der bis dahin noch undivenhaften und unbekannten Netrebko? Großartig das. So ein zartes schwindsüchtiges Geschöpf. Ausschnitte davon findet man auf youtube, aber vielleicht wissen Sie das schon.

Nun ja, hohe Absätze beeinträchtigen nicht das Denkvermögen, aber die Unversehrtheit bei hoher Laufgeschwindigkeit. Müßte ich in hohen Absätzen nur dekorativ in eloquenten Gesprächsrunden, um die ich französische Fernsehzuschauer sehr beneide, herumsitzen, würde ich sie vielleicht auch tragen. Modisch gesehen war die Grunge Phase in den 90ern eine glückliche Zeit. Schwere schwarze Stiefel und dazu kurze Blümchenkleider, besser geht's nicht. Nun ja, obwohl mir kürzlich jemand sagte, meine Cure-Kleider seien so cure, dass ich den Mary Smith Lookalike Wettbewerb leicht gewinnen könne. Insofern bin ich da festgelegt. Äh, worum ging es gleich? Ah ja, Feminismus. Nun ja, ein anderes Mal vielleicht.

Grönemeyers frühe Schaffensphase weist einige Perlen auf. Ich hatte mal Radioaufnahmen mit Liedern aus seiner Klassik Phase. Ein guter Schumann und ein guter Bootsmann. Als er anfing, Stadien zu füllen, stieg ich aus, nein, stimmt nicht, ich stieg wohl schon aus, bevor Anna starb, aber nicht mal absichtlich oder füllte er die Stadien schon vorher? Ich weiß es nicht mehr. Ich glaube, "Luxus" war mein letztes Album. Oder "Chaos"? Hm.

"Pfeiffer, Sie faseln!"

Dass Sie die Erlebnisse im Deutsch LK verstimmten, glaub ich gern, ich hörte von anderen ebensolch Unglücklichen.
Ich hatte in der 11. das Glück, einer Stunde der vorgesehenen Lehrerin beizuwohnen. Schrecklich. Ich wich auf Englisch und Gemeinschaftskunde aus und verbrachte so eine glückliche Zeit im Deutsch Grundkurs, welcher mich zu eben der mündlichen Abiturprüfung führte. Beim zweiten Teil der Prüfung handelte es sich um Faust. Grandios, oder? Die einzige Prüfung für die ich lernte, und ich tat es gern.











Nein, so häufig der Name Netrebko an mein Ohr dringt, so selten ihre Stimme. Aber ich bin neugierig geworden, und tatsächlich scheiterte die Billigung der letzten Traviata-Aufführung, die ich mal live sah, vor Äonen, eben daran, daß die Kameliendame so unbedingt keinerlei Schwindsüchtigkeit evozierte, in etwa so überzeugend wie singende Vampire im Musical. Aber man soll Oper ja vor allem hören. Wagner wäre ja auch richtig gut ohne den ganzen Gesang. Mein Lieblingswagner ist die Minute "Rheingold" vor Hojotoho, Sie wissen schon.

Mary Smith Lookalike-Wettbewerbe zu gewinnen ist ehrenhaft! Ich werde ja immer noch, trotz fortschreitender Idiotisierung, spontan für "Künstler" gehalten, aber meist tippen die Leute auf "Musiker". Faust in der Abiprüfung, natürlich ist das grandios! Eins der besagten Themen der 10., bei denen ich abräumte, war ein Satz aus dem "Faust" – Denn eben, wo Begriffe fehlen, da stellt ein Wort zur rechten Zeit sich ein. Ein anderes war: "Ist Faulheit immer zu tadeln?". Beide Themen zusammen ergaben dann, daß ich "Faust" erst richtig in einem Pariser Hotelzimmer las, Hotel de Lausanne, bei tropfendem Wasserhahn und überhaupt sehr montmartresch. – Meine mündliche Prüfung in Bio galt einer Qualle, die im Sommer da ist und im Winter dort, und ich sollte erklären, warum. Hinterher meinte die Lehrerin, es war deutlich, daß ich von dieser Qualle nicht die leiseste Ahnung hatte, nur meine Intelligenz hätte mich gerettet. Tempi passati, intelligenztechnisch.



  




















Montag, 14. November 2011

Vorweihnacht mit Cured Catherine (6): Prinzessinnenmalen









Dear! What happened?? Souverän zurück!? Ich freu mich!!









Souverän weniger, nur zurück. War mal das Nirvana inspizieren, die Geschichte ist lang, alles später einmal, der Cut war vielleicht mehr symbolisch, but was it helpful? I don't know. Generell gilt ja, it's hard to tell the poison from The Cure. Freut mich jedoch, daß es Sie freut, und es tut mir leid, daß unser Austausch im Orkus gelandet ist. Ist er aber eigentlich nicht, denn ich überführe sowieso immer alles.

Hoffe, beide Prinzessinnen befinden sich wohl? Gehört übrigens zu meinen häufiger verlangten Tätigkeiten in der BS neuerdings – Prinzessinnenmalen. "Christian, kannst du mir heute eine Prinzessin malen?" Das macht man dann, und die wird wieder verschlampt, und schon ist man in einer kafkaesken Schleife. Hätte mir bei der ersten weniger Mühe geben sollen.









Von Zeit zu Zeit muß man symbolhaft verbrennen, um dann souverän aus der Asche zu steigen. Helpfulness zeigt sich ja oft erst später. Souveränität immer gleich. Oh, und im Orkus ist gar nichts, was glauben Sie wohl, ich überführe ebenso.
Ja, wir befinden uns (wieder) leidlich wohl und verhalten uns ansonsten souverän, wie es sich gehört. Die letzten Monate waren nicht sehr amüsant, tell the poison from The Cure, das kann ich, denn diese waren es, die mich durch eine schwierige Zeit brachten, mal wieder.
Noch bis Ende Mai dreifach belastet durch ein kraftraubendes Praktikum, danach etwas Zeit für die wichtigen Dinge des Lebens, um dann im Herbst das Finale meiner akademischen Phase anzutreten.

Indes erscheinen in den nächsten fünf Monaten jeweils am 13. eine neue Cure Single und schließlich das neue Album, vielleicht hörten Sie schon davon.
Ich wünschte, ich könnte Sie auch einfach um eine Prinzessinnenzeichnung bitten! Ob die Kleine in der BS in ihrer vermutlichen Raffinesse nur behauptet, sie habe die Zeichnung verschlampt, um die nächste dann gegen eine Handvoll Gummibärchen zu verticken?? Es schließt sich ein Kreis übrigens, denn einst malte die Prinzessinnentochter Sie! Gerade höre ich, dass NIN schon wieder etwas Neues bereitstellten und es sollen wieder Perlen dabei sein!









Die Prinzessinnentochter malte MICH??!! Gibt es davon ein Relikt? Wenn, und wenn Sie mir das posten, stehle ich die letzte Liegengebliebene für Sie, für die Emilie und Amelie eigens einen Plan entwickelt hatten, wer sie wann haben sollte. Heute wußte Amelie schon wieder nicht, wo die geblieben sein soll. Müßte also noch da und auffindbar sein, da ich für der Dame Langbeinigkeit eigens zwei Papiere zusammenkleben mußte. – In meiner Küche hängt die sehr lebensgetreue Zeichnung, angefertigt von einer gewissen Clara, von mir mitsamt drei Kindern auf meinem Mittelalterkarren.

Sic, noch hat man "Ghosts I-IV" nicht ausreichend gewürdigt, schon erfaßt einen die nächste Welle dieses Kreativschubes, und genau da gehe ich jetzt hin, unter diese Welle.

"Wir kennen uns schon lange, der Phoenix und ich", aber der Vogel schluckt Wasser, die ganze Tiefe eines Songs auslotend, der immer nur ein Gassenhauer im eigenen Labyrinth war, der von woanders her kam. Da standen halt four lads und sangen sehr beeindruckend "With Or Without You". Mehr war nicht. Jetzt weiß ich, wie sich das anfühlt. Gut, daß bald Ende Mai ist, in jeder Hinsicht.









Emilie und Amelie? Diese Damen sind mir doch bekannt, es sollte nicht noch eine gewisse Hannah als Dritte im Bunde agieren? Der Mittelalterkarren verhilft Ihnen offenbar zu besonderen Ehren. Ich fand heute nur eine der damals angefertigten Skizzen, die ich höchst dilettantisch abfotografierte. Das mir eigentlich in Erinnerung gebliebene Werk muß noch von seinem Aufenthaltsort, vermutlich der Dachboden, geborgen werden.









Skizze?! Mehrfachportraitierung gar?! Dies aber ist doch ein Paradebeispiel für Pjotrs Diktum: manchmal gibt es nichts Vollendeteres als eine Skizze. Die schwarzen Haare scheinen mein Primärmerkmal zu sein. Schön, daß eine Sonne so nah über mir lächelt. Interessante Linienführung, man könnte meinen, daß mich täglich eine Giraffe mit Kurbel begleitet. Und wer weiß, Kinderaugen sind da wie Katzenaugen. Merci bien, bin entzückt! – Hannah, genau, an sich bilden Miyong, Emilie und Hannah das Prinzessinnenanforderungstriumvirat. Die von mir gestern erwähnte Erbsenspezialistin befand sich tatsächlich noch dort, wo ich sie vermutete, und ich entführte sie. Bitte unbedingt zu bedenken, daß diese Damen zwischen Tür und Angel angefertigt werden.
 
 
 
 
 

 
 
 

Verbrachte die Nacht mit NIN's "The Slip" und das ist kein Wunder – RW Fassbinder: "Schlafen kann ich, wenn ich 'The Slip' gehört habe."









Hah! Allerliebst! Klassisch blond und blaugrünäugig gar! Eine Reverenz an die Damen? Der Blick der Hoheit dann aber doch irgendwie... mhm... dark. :) Ich hoffe die Damen werden Ihnen die Missetat nachsehen, sollten sie davon erfahren.
 
Ach ja, Hannah! Eine Weile war sie mein kleiner Schatten, wann immer sie sich davonstehlen konnte vom heimatlichen Rockzipfel. Ein derart zartes kleines Fischlein, dass ich vor Rührung manchmal nur noch sprachlos schluckte, wenn ihre Kulleraugen träumerisch abdrifteten.

Oh ja, Her Royal Darkness fertigte auch ein Werk von Ihnen mit Buntstiften an, welches Sie noch deutlicher und auch detaillierter zeigt, wenn ich mich recht erinnere. Aber wie gesagt, ich müßte mich, ggf. am Wochenende, mal der Suche widmen. Was ich schon lange fragen wollte: Pjotr? Sie versackten mit DEM Pjotr? Es gab also ein Wiedersehen!
"Der Vogel schluckt Wasser"? *kopfschüttel* Grandioser Einfall, mal wieder!









Eine Reverenz an Miyong, am ehesten, aber Sie haben vermutlich recht mit dem, was Sie da in den Augen sehen, wahrscheinlich gibt es einige Passagen im Roman, die das erklären. Im Grunde war das wohl ein Auto-Rorschach?
 
Yeah, Hannah. Still the same, nur daß sie jetzt halt nicht nur mit den Augen spricht. Wenn freilich, dann so leise, daß man sich immer zu ihr herunter kniet, auch weil man meint, wenn man ihr laut sprechend antwortet, trägt sie ein Wündchen davon. Andere MitreisendInnen, aus der HS, erzählen mir neuerdings die Alpträume, die sie nachts erschrecken. Eine, Laura, meinte mal zu mir: "Weißt du was, Christian? Ich bin eigentlich ein anderer Mensch."















Freitag, 21. Oktober 2011

Vampirglaube: Historisches zur Hysterie







"Ein gescheites Weib kann es verhindern, daß der Vampir sie besucht."
(Sprichwort, Balkan)


Berichte über vampirisches Wiedergängertum gibt es schon im 12. Jhdt. in England (in De Nugis Curialium von Walter Map und in William of Newburghs Chronicles), im 14. Jhdt. auch in Deutschland. Hier glaubt man zunächst an den Nachzehrer, ein Wesen, mit dem man zu erklären sucht, daß aus manchen Gräbern schmatzende Geräusche zu hören sind und in manchen Gräbern Leichen gefunden werden, die so wirken, als hätten sie damit begonnen, ihr Leichentuch zu verschlingen. Luther hatte mit einer Anfrage bezüglich eines Nachzehrers zu tun: Dorfbewohner würden sterben, weil ein Weib sich selbst im Grabe fresse. Angenommen wird eine sympathetische Wirkung: der Nachzehrer, der im Grabe schmatzend seine Laken und sein Fleisch verzehre, sei auch Nachzieher; das im Grab Verzehrte ist symbolischer Ersatz für das Opfer. Luther hält den Nachzehrer für törichten Aberglauben, den Teufel mitnichten. Man muß Prioritäten setzen.

Martin Böhm erwähnt in seinen Predigten (1601), sich auf das Jahr 1553 beziehend, "daß tote Leute, sonderlich Weibespersonen, die an der Pest gestorben, im Grabe ein Schmätzen getrieben" (Sturm / Völker 1973, 441). Durch das "Schmätzen" habe dann wiederum die Pest heftig zugenommen. Einen ähnlichen Zirkel schließt ein Bericht von 1698 aus Schlesien: da ein Vampir umzugehen schien, ließ man "einen verdächtigen Körper aus dem Grabe deswegen nehmen, und demselben den Kopf abschneiden, welcher frisch Blut von sich gab: die Leute wurden hierdurch noch furchtsamer, und zogen ethliche davon anders wohin" (Sturm / Völker 1973, 442).

Der Verdacht läßt Blut fließen, fließendes Blut nährt den Verdacht. Floß Blut aus einem unverwesten oder (infolge der Auftreibung durch Gase) angeschwollenen Körper, schloß man daraus, daß dieser "Un-Tote" sich mit Blut vollgesogen haben müsse. Beim Nachzehrer wie beim Vampir suchte man dem Graus mit Zeremonien wie Pfählen oder Abschlagen des Kopfes ein Ende zu bereiten.

Wie man den Nachzehrer mit der Pest in Verbindung brachte, so verhalf die im 17. Jhdt. wütende Pest auch dem Vampirmythos in Mitteleuropa zu umfassender Präsenz. Wellen der Vampirhysterie überfluten den Kontinent an immer neuen Punkten. 1679 veröffentlicht Philippus Rohr in Leipzig seine Dissertatio Historico-Philosophica de Masticatione Mortuorum. Wo der schwarze Tod wütet, stürmt das Volk wiederholt die Friedhöfe, um Gräber zu öffnen und mit dem Pfählen von Leichen die vermeintliche Ursache des Übels zu bekämpfen: den Vampir. Ratten, Träger des Pestbazillus, galten als Begleiter des Vampirs oder als dessen Verkörperung. Pestkrankheit und Vampirismus überschnitten sich im Volksglaube durch ihren rigorosen Verlauf ebenso wie durch das Prinzip der Ansteckung. Pestkrank wird, wer Umgang mit einem Pestkranken hat: zumeist enge Verwandte oder Nahestehende. Vampir wird, wer Umgang mit einem Vampir hat: zumeist enge Verwandte oder Nahestehende.

Die Vorstellung vom blutsaugenden Wiedergänger dringt aus Südost- nach Zentraleuropa ein. Lebendig ist sie im Volksglauben Griechenlands und der Balkanländer; akut wird die Inkubation über die Präsenz der den türkischen Vormarsch stoppenden katholischen Habsburger auf dem Balkan, speziell nach dem Frieden von Passarowitz (1718). Der Balkan, eine Region, in der drei Weltreligionen aufeinanderstoßen, wo das Heilige Römische Reich Deutscher Nation an das Osmanische Reich stieß, ist als hochbrisantes Grenzgebiet par excellence ein für Aberglauben besonders anfälliges – insofern Formen des Aberglaubens Formen der Dämonisierung des Anderen und Fremden sind.

Auch im 18. Jahrhundert wird Europa von Wellen der Vampirhysterie heimgesucht (1710, 1725 und 1750 Ostpreußen, 1725-32 Österreich, Ungarn und Serbien, 1756 Walachei, 1772 Rußland). 1734 erscheint das Wort vampyre in der englischen Sprache, durch Übersetzungen deutscher Berichte, die sich mit diesen Ereignissen befassen. Die Vampirpanik in der ersten Hälfte des 18. Jhdts. rang Gelehrten, Theologen, Philosophen und Medizinern eine Flut von Berichten und Traktaten ab, Beweisschriften und Gegenbeweisschriften, in denen erst nach und nach zwischen der Realität der Panik und der Realität des Vampirs unterschieden wurde. Der Vampirismus ist zu dieser Zeit ein "ernsthaft diskutiertes Phänomen in politischen, kulturellen, kirchlichen und wissenschaftlichen Kreisen" (Oetjen 1995, 59), ein Gegenstand akademischer Untersuchung, was sich auch dem Interesse avancierender Medizin am Leichnam verdankt.

Größtes Aufsehen erregt 1732 der Fall eines Serben, der zu Lebzeiten behauptet hatte, von einem Vampir heimgesucht zu werden; nach seinem Tod finden sich Dorfbewohner ihrerseits von ihm geplagt, man schreibt ihm diverse Todesfälle durch Aussaugung des Bluts zu. Eine offizielle Untersuchung wird anberaumt, der Mann wird exhumiert, man findet den Leichnam unverwest, die Kleidung blutig, die Fingernägel verlängert. Man treibt dem vermeintlichen Vampir einen Pfahl durch den Leib, "wobey er einen wohlvernehmlichen Gächzer gethan" (Sturm / Völker 1973, 452). Die Bevölkerung reagiert panisch, weitere Gräber werden geöffnet, zwischen verwesten Leichen findet man weitere präservierte Körper, in deren Brust "viel frisches Geblüt" festgestellt wird. Ein offizielles Gutachten für die Königlich Preußische Societät wertet alle an diesem Fall beobachteten Phänomene als natürliche Erscheinungen, die keinen bündigen Schluß "auff die Vampyrschafft" (Sturm / Völker 1973, 457) zulassen; der "Geröchzer" müsse aufgrund der "in der Cavität des Hertzens annoch befindlichen ausgebrochenen Lufft geschehen seyn" (ebd.), auch an Wachstum von Nägeln oder Haaren sowie liquidem Geblüt sei "nichts miraculeuses dabey" (Sturm / Völker 1973, 458).

Die Gelehrten näherten sich einem Wissensstand, von dem das einfache Volk noch weit entfernt war, etwa: daß sich die Leiche durch den Verfallsprozeß tatsächlich "bewegt"; daß grünschwärzliche Verfärbung eine ebenso natürliche Veränderung der Leiche ist wie das "Längerwerden" der Zähne infolge der Skelettierung; daß eine spezifische Beschaffenheit der Erde einen Leichnam konservieren kann, daß sich sogar der Mageninhalt einer Leiche auf die Prozesse der Zersetzung (und ihre Geschwindigkeit) auswirkt, daß scheinbarer Bartwuchs beim Leichnam auf den Verlust des Hautturgors zurückgeht, der durch Flüssigkeitsdruck erzeugten Straffheit der Gewebsspannung.

"Oh, sein Bart!" ruft Georges Duroy, besser bekannt als Bel-Ami, in Guy de Maupassants gleichnamigem Roman (1885) entsetzt aus, als er zusammen mit seiner Freundin Madeleine Forestier die Totenwache für deren Gemahl hält: "In wenigen Stunden war dieser Bart auf dem sich zersetzenden Fleisch so gewachsen wie sonst in dem Gesicht eines Lebenden innerhalb einiger Tage. Und sie standen ganz verstört vor diesem Leben, das auf dem Toten weiterging, wie vor einem grauenvollen Wunder, vor einer übernatürlichen Drohung des Wiederauferstehens, vor einem jener anomalen, schreckenerregenden Vorkommnisse, die den Verstand völlig aus der Fassung bringen" (Maupassant 1982, 187 ff.)

Schon der Theologe Michael Ranfft hatte in seinem Tractat von dem Kauen und Schmatzen der Todten in Gräbern (1734) das Phänomen auf natürliche Einwirkungen zurückgeführt, aber auch Sinnestäuschung, Einbildungskraft und verderbte Phantasie verantwortlich gemacht. Ranfft verschweigt auch nicht das "wilde Zeichen" der "Auffrichtung des männlichen Gliedes" (Sturm / Völker 1973, 467) bei Exhumierten, das er "natürlich" deutet; man habe oft Körper beobachten können, an denen das männliche Glied "starr und steif zu sehen gewesen" (ebd.), und wer nun "mit starrem Gliede stirbt, der behält auch im Tode ein starrendes Glied" (ebd.). Die weniger prekäre tatsächliche Erklärung: Gase blähen das "wilde Zeichen" so auf, daß es wie erigiert erscheint.

Derselbe Vorgang der Auftreibung kann auch die Lage des Kopfes so verändern, daß der Mund an das Leichenhemd gelangt (-> Nachzehrer); Aufsteigen von Fäulnisgasen im Erdreich ist für die schmatzenden Geräusche verantwortlich. Zur Entstehung des Vampirglaubens könnte auch das Krankheitsbild der Porphyrie, einer Stoffwechselkrankheit, beigetragen haben: Hautschäden durch Lichteinfluß, Verwirrungszustände, Parodontose und sogar fluoreszierende Zähne. Im Knoblauch sollen Substanzen enthalten sein, die einen Porphyrieanfall auslösen können. Von Katalepsie oder Scheintod wußte man seinerzeit nur wenig; bei Exhumierten, die sich in ihrem Grab tatsächlich verdreht hatten, war man ebenfalls auf Vampirismus zu schließen geneigt.

Theologen und Philosophen stritten darum, was für "Schmacken-Fressen und Bluht-Aussaugungen" (Sturm / Völker 1973, 464) verantwortlich sei: Seele oder abgeschiedener Leib; oder beides; oder keines von beiden, sondern ein Astralgeist. Noch im 19. Jhdt. spekuliert Görres über den authentischen Vorgang der Vampirisierung, diesen als organisch-sympathetisches Geschehen deutend, das sich vornehmlich zwischen Blutsverwandten vollziehe: die gewissen Leichen noch innewohnenden "physisch-plastischen Lebenskräfte" bildeten einen "Ansteckungsstoff", der giftig gesteigert das Erdreich durchwirke und die Blutsverwandten, als harmonisch Gestimmte, heimsuche und ihre "Nervenaura" berühre. Die derart Vampirisierten seien also Besessene, aber "organisch Besessene" (Sturm / Völker, 496 ff.). Wenn für Hinterbliebene vom Grabe eines Verstorbenen Entzug der Lebenskraft ausgehen kann, läge der Vampir als Bild nah; Görres aber versucht tapfer, ein psychologisches Phänomen in ein bio-physiologisch Erklärbares umzudeuten und empfiehlt im Ernstfall Verbrennung des Vampirs.

Bei der Ausformung des Vampir-Mythos spielte die Kirche keine bescheidene Rolle. Während der Zeit der Türkenkriege und der "islamischen Bedrohung" versuchten römisch-katholische und orthodoxe Kirche ihren Einfluß auf dem Balkan zu stärken, indem sie die Furcht vor Vampiren für ihre Zwecke nutzten; der Vampir wurde aus seinem heidnischen Milieu gelöst, "christianisiert" und war als abschreckendes Beispiel willkommen: sein Dasein wurde als ein selbstverschuldetes betont, als Folge des Verstoßes gegen christliche Moral. Vampire wurden zu Gesandten des Teufels erklärt, gegen die vor allem die Befolgung der kirchlichen Gebote schütze. Die griechisch-orthodoxe Kirche lehrte zeitweise, daß Körper von Exkommunizierten solange nicht dekomponieren, bis den Überresten Absolution erteilt werde; derweil seien die Betreffenden zum Vampirdasein verurteilt.

Zum Vampirismus prädestiniert waren unter diesen Prämissen die üblichen Verdächtigen: Ketzer, Häretiker und Abtrünnige aller Art; Christen, die zum Islam übergetreten waren, lasterhafte Priester, "Schwarzmagier". Weiter traf es jene, die der Überlieferung nach zum Wiedergängertum verdammt waren: Selbstmörder (deren Leichen auch in Regionen wie Irland noch im 19. Jhdt. separat begraben und gepfählt wurden, um das Umgehen ihrer Seelen zu verhindern), Verstorbene, die nicht die Sakramente empfangen hatten, Mörder oder Opfer eines Gewaltverbrechens. Es traf jene, die nicht den Konventionen der Zeit entsprachen: unehelich Geborene, Außenseiter, Geächtete, irgendwie Unheimliche - in Griechenland stand zeitweise jeder in Verdacht, der rotes Haar (à la Judas Ischariot) und blaue Augen hatte, oder blasphemisch am Weihnachtstag geboren war. Variierend nach Kulturkreis war es doch letztlich immer derselbe: der Andere, das von der Gemeinschaft dissoziierte Individuum, der Ausgestoßene, der jetzt sogar vom Tode (als Erlösung) ausgestoßen wurde. Ein Nutzen des "Übernatürlichen" liegt immer auch in der Festigung religiöser und gesellschaftlicher Tabus; darin, daß es auf oder in das Unliebsame projiziert werden kann: der Hexenwahn in Mitteleuropa erlebte womöglich nur deshalb einen Niedergang, weil der Vampirglaube ihn ablöste (vgl. Klaniczay 1991).

Der Kirche kam nichts ungelegen, was das Volk in Angst versetzte, derart eindringlich vor Sündhaftigkeit warnte und überdies zusätzliche Messen und Exorzismen sponsorte. Eine Schrift wie die des Benediktinermönchs Augustin Calmet, Dissertations sur les apparitions des anges, des démons et des esprits (1746), die auf die Vielzahl bekannter Fälle der Bestattung nurmehr Todgeglaubter sowie auf die erhitzte Phantasie der Balkanbewohner hinweist und die den Vampirglauben damit zu widerlegen sucht, daß nur in Gott die Kraft zur Wiedererweckung liegt, Auferstehung nur durch Gott möglich ist (die sich dann aber doch fragt, ob der Teufel womöglich an dieser Kraft partizipiert, in welchem Fall man sich Fragen über die ätherische Beschaffenheit des Vampirs zu stellen habe), blieb die Ausnahme, und Benedikt XIV., aufgeklärter Bewunderer Voltaires, war der einzige Papst, der das Schüren des Vampirglaubens rügte. Der Vampirmythos war überdies dienlich, um die Doktrin der Transsubstantiation mit ihren kannibalistischen Untertönen zu erklären: wie der Vampir Blut trinkt und den Geist der Sünde in sich aufnimmt, so könne man durch das "Blut" des Abendmahls die Göttlichkeit Christi zu sich nehmen.

Die ursprünglich heidnische Vorstellung vom blutsaugenden Dämon oder Wiedergänger ist fest in die christliche Kultur integriert: "Aside from the devil, the vampire is the most popular malefactor in Christianity" (Twitchell 1985, 106). Viele Abwehrmaßnahmen gegen striges oder lamia sind mit späteren gegen den Vampir identisch, so der Gebrauch von Knoblauch (ein ehrwürdiges vorchristliches Apotropäon) und (heiligem) Wasser. Die Kirche inaugurierte Maßnahmen wie die Versiegelung des Vampirgrabes mit Kruzifix und Weihwasser. Die Stecken zur Pfählung sollten aus dem gleichen Holz geschnitzt sein wie das Kreuz Christi. Priester fanden, als privilegierte Vernichter der vampirischen Teufelsdiener, ein neues Terrain, auf dem sie sich profilieren und ihre Macht demonstrieren konnten. "Nur in seltenen Fällen (...) wurde ein des Vampirismus verdächtiger Toter verbrannt. Zum einen gehörte die Kremation des Körpers einem heidnischen Brauch an (...), zum anderen (...) widersprach diese der Lehre von der Auferstehung des Leibes" (Pütz 1992, 17).

Wo es Totenverbrennung gab, gab es keine Wiedergänger. Und wo es Wiedergänger gab, wurde ihnen tendenziell böse Absicht unterstellt. Im allgemeinen wird der Wiedergänger imaginiert als von Haß und Rachsucht erfüllt, einzig darauf aus, die Lebenden zu ängstigen oder sie in ihr Reich hinüberzuziehen. Er ist etwas, das nicht sein darf und "ein zweites Mal getötet" werden muß.

Jesus ist das heilige Modell der Auferstehung; jeder weitere Versuch vor dem Jüngsten Gericht ist Blasphemie. Es kann nur einen geben. Vor diesem Hintergrund verwundert es schon gar nicht, daß Voltaires antichristlicher Diskurs Antivampirisches gleich in einem Aufwasch abhandelt; ihn läßt es fassungslos, daß man sich nach Locke und Shaftesbury noch mit Vampiren beschäftige, ja daß zwischen 1730 und 1735 von nichts anderem als von Vampiren die Rede war. Er klärt über die wahren Blutsauger auf, die keineswegs auf Friedhöfen schimmeln: Spekulanten, Geschäftemacher, Wucherer, die dem Volk das Blut aussaugen, und diese Herren der Börsen und Paläste seien nicht im mindesten tot. Nur ziemlich angefault. Voltaire entdeckt den soziologischen Vampir, den sozialen Blutsauger: wirkliche Vampire seien die Mönche, die ihr Wohlleben bestreiten, indem sie von König und Volk zehren. Später wird Karl Marx in Das Kapital (8. Buch) eine Parallele zwischen Kapitalismus und Vampirismus ziehen.

Durch die Denker der Aufklärung wird der feudale Blutsauger zum Topos, und der Typus des dekadenten Aristokraten, des perversen Edelmannes, des faszinierend grausamen, charismatischen Verführers zum (sexuell) Bösen nimmt Gestalt an, als die Romantiker die Verbindung von Adel und Vampirismus aufgreifen. Während M.G. Lewis den perversen Mönch vorführt, hält mit Byron und Polidori der literarische Vampir Einzug, ausgestattet mit einem erotischen Potential, das die tiefe und anhaltende Faszination erklärt, die der Vampirmythos in der Moderne ausübt. Ein gescheites Weib kann es verhindern, daß der Vampir sie besucht, ist nun aber durchaus nicht immer gewillt, es zu verhindern.





Literatur

Klaniczay, Gábor: Heilige, Hexen, Vampire. Vom Nutzen des Übernatürlichen, Berlin 1991.
Maupassant, Guy de: Bel-Ami, Berlin 1982.
Oetjen, Almut.: Hammer Horror. Galerie des Grauens, Meitingen (2. Aufl.) 1995.
Pütz, Susanne: Vampire und ihre Opfer. Der Blutsauger als literarische Figur (Bonn, Univ. Diss., 1991), Bielefeld 1992.
Sturm, Dieter u. Völker, Klaus (Hrsg.): Von denen Vampiren oder Menschensaugern. Dichtungen und Dokumente, (3. Aufl.) München 1973.
Twitchell, J. B.: Dreadful Pleasures, An Anatomy of Modern Horror, New York / Oxford 1985.
 
 
 
 
 
 
 

 
 
 
 
 
 

 









Sonntag, 18. September 2011

Montag, 5. September 2011

Lynch on Lynch













To me, a mystery is like a magnet. Whenever there is something that's unknown, it has a pull to it. If you were in a room and there was an open doorway, and stairs going down and the light just fell away, you'd be very tempted to go down there. When you only see a part, it's even stronger than seeing the whole. The whole might have a logic, but out of its context, the fragment takes on a tremendous value of abstraction. It can become an obsession.

David Lynch, Lynch on Lynch, New York 2005, 231

























Freitag, 26. August 2011

Schuld und Mnemosyne: Miss PEZ, Kessler-Zwillinge, France Gall, Ribanna




















SPIEGEL ONLINE Forum
Medien-Dauerthema: Auf dem Weg zum "Neuen Mann"?

August 2006






Henning Veitgen:
Es soll Frauen geben, die diesen Effekt schon mit einer halben Tüte M&M's erreichen. Früher hießen die mal Treets - überhaupt, was war denn falsch an diesem Namen? Baff will ich auch zurück und Brauner Bär, Drei Musketiere und Hubba Bubba Zimt. Und Klementine fehlt mir genauso wie der Hustinetten-Bär. Verdammt, meine Welt liegt doch in Scherben. Die kann man sich doch gar nicht mehr schönsaufen. ;-)






Aljoscha der Idiot:
Erinnert sich jemand an die Frau auf den PEZ-Automaten? In die war ich total verknallt. PEZ war Dreck, aber man stiefelte da troubadourisch hin, um gleich mal zu lernen, was Frauen alles mit einem anstellen.






Henning Veitgen:
Gemeiner war nur noch die Palmolive-Werbung.
Tilly: "Du badest gerade deine Hände darin." Sie aufkreischend: "In Spülmittel?" Tilly: "Nein, in Palmolive." Was habe ich mitgelitten. In meinem Leid wäre das Elend der sonstigen Welt viel zu spät gekommen. Ich war auf der Seite dieser armen Frau, die ihre zarten Hände in einem verstümmelnden Säurebad gewöhnlicher Spülmittel dünkte. Hätte Tilly sie nicht gerettet, ich hätte es getan, ich hätte es getan.

Tilly schockte damals alle Frauen dieser Welt. Die sieben biblischen Plagen waren um eine achte solche erweitert. Abwaschen macht eure Hände alt und häßlich. Und ihr werdet sein, wie eure Hände. Als hätten sich die Prophezeiungen des Johannes vollfüllet.

"Es wird ein spülendes Ungemach der vielen Wasser über die Welt kommen und sein Zeichen wird 666 sein. Jeder sich regenden Hand sei ein Tropfen des Anti-Christen gewahr. Tauche deine Hand in häuslichem Gewerk und schon das Wasser rufet den Namen der Versuchung. Wer aber preiset den Herrn und sich der Schmiere versagt, wird ewig sein. Doch wer sich meiner Worte nur in Tropfen und Sprengseln verweigert, wird in den Meeren seiner Blindheit ertrinken".

Und ich saß vor dem Fernseher, unfähig diese zarten Hände zu retten. Das wird mich ewig verfolgen. Ich schäme mich. Oh, wie ich mich schäme.






Aljoscha der Idiot:
Henning, wir verstehen Dich. Und es ist gut, daß Du es der Gruppe erzählt hast. Ich wußte schon als 6jähriger: ich trage eine Mitschuld am Grauschleier, am Gilb, am ganzen Elend, das die Tränen dieser zarten Kreaturen verursachte... aber eines Tages werde ich gut sein. Zum Beispiel... Ribanna befreien. Aus der Höhle des Schurken Forrester. Die Fesseln durchschneiden, mit der Ribanna in "Winnetou 2" an Leutnant Merril gefesselt war. Aber dann, andererseits, auf der Quartettkarte sah das eigentlich ziemlich gut aus, wie Merril da an Ribanna gefesselt war. Das war vielleicht auch nicht schlecht, so als Leutnant Merril. Rollenwahl war immer schon verteufelt kompliziert. Man verstrickte sich immer tiefer in Schuld. Durfte man überhaupt hinsehen, wenn die Kessler-Zwillinge für "nur die" herumstöckelten? Die Zerknirschung, wenn France Gall in einer deutschen TV-Show deutsch sang, und meine Eltern sagten: "Die versteht doch gar nicht, was die singt!" Ich stellte mich insgeheim gegen meine Eltern, ich schämte mich für sie, ich entschied mich für France Gall, so fängt nämlich die Revolution im Kinderzimmer an, liebe Eltern, und dann wundert ihr euch über die Tropfen des Anti-Christen in der sich regenden Hand, das waren Aufstände gegen die Mitleidlosigkeit gegenüber der leidenden Schönheit!







Henning Veitgen:
Miss PEZ war natürlich klasse, allein die Uniform. Aber wenn Sie auf den Automaten starrten, starrte ich auf die schäbige Ausgabe, auf die blöden Bonbons, die sich hartnäckig in dem Spende-Schacht einer Goofy-Figur verkanteten. Und immer schnappte bei den verschiedenen Figuren dieser vermaledeite Kopf zu, weil diese ganze Mechanik viel zu groß für die Hand eines 6-jährigen war. Ich meine, wenn je ein Junge, der sich damit rumgeplagt hat, nicht beschlossen haben sollte, Ingenieur zu werden, dann wollte er wahrscheinlich Tänzer werden. Was ja nicht schlecht ist, man kann solche Frustrationen sicher auch choreographisch bewältigen. Ich wette, daß Tausende von Männern mehr heutzutage Germanistik, Romanistik oder Philosophie studieren würden, wären sie nicht in ihrer Kindheit von den Unzulänglichkeiten der PEZ-Figuren zu den mechanischen Studiengängen gedrängt worden. Was soll ich sagen? Die Gesellschaft wäre besser! Wir ahnen gar nicht um den idealen Staat, den PEZ verunmöglicht hat. Das ist es, was ich der Gruppe heut' erzählen mußte. Verdammt mich, richtet über mich, aber wäget meine Worte.