Donnerstag, 30. April 2020

Tourneur, Katzenmenschen. Teil 1












CAT PEOPLE (dt. "Katzenmenschen", 1942, Regie Jacques Tourneur) ist ein Low Budget-Film der RKO Pictures, produziert von Val Lewton, der 1904 als Vladimir Ivan Leventon auf der noch zum russischen Kaiserreich gehörenden Krim geboren wurde. Der Film ist ein atmosphärisches Meisterwerk des Horrorgenres, steht an der Wiege des Suspense, enthält Elemente des Film noir und erlaubt sich ein expressionistisches Spiel mit wenig Licht und vielen Schatten. Als einer der ersten Filme überhaupt zieht CAT PEOPLE offen die Verbindung zwischen Sex und Horror, zwischen Horror und weiblicher Sexualität, taucht allerdings das Wie dieser Verbindung in ein nicht so eindeutiges Licht. Der Film behauptet die wirkliche Gewalt sexueller Erregung. Man könnte sagen, daß der Film mit seiner scheinbar absonderlichen Prämisse einer bestimmten Wahrheit äußerst nahe kommt, denn er besteht auf einer Identität von Sexualität und Transformation. Kann man im Besitz der Wahrheit sein, wenn man Sexualität nicht als Transformation kennt?

Auch ist CAT PEOPLE, abgesehen vielleicht von DRACULA'S DAUGHTER, der erste bedeutende Horrorfilm, der ein übernatürliches Motiv nicht in zeitliche oder räumliche Ferne, an historische, exotische oder phantastische Schauplätze verlegt. Schloßruinen, entlegene Inseln, Bela Lugosis Transsylvanien oder Boris Karloffs Ägypten erlaubten den Zuschauern stets "enough distance from their own lives to suspend their disbelief" (Dyson, 104). CAT PEOPLE spielt im zeitgenössischen, urbanen Amerika, in dem normale Menschen normalen Beschäftigungen nachgehen. Zwar war auch King Kong schon in New York, aber er kam nicht nur von einer Phantasie-Insel, er fiel auch gleich unangenehm auf. Irena Dubrovna kommt aus Serbien und fällt angenehm auf.

Zwar wirkt die Darstellerin der Irena, Simone Simon, mit ihrer feline beauty (Sarris, 109) im Apple Pie-Amerika auch schon wieder exotisch. Gleichwohl brachte die realistische Erzählweise des Films eine Art von "neuer Sachlichkeit" in das Horrorgenre: in dieser lassen Lewton und Tourneur die Unterströmungen des Unheils verlaufen, um dann den Suspense so gezielt zu intensivieren, daß plötzliche Eruptionen des Schreckens einen fast hypertrophen Effekt erzielen, wenn man bedenkt, daß in den eigentlichen Horrorszenen das auf der Leinwand Sichtbare "unklar und fragmentarisch" (Everson, 191) bleibt.

Es ist die Geschichte einer jungen Frau aus Serbien, die in New York als Modezeichnerin arbeitet: Irena Dubrovna ist seltsam schön und einsam, eine Fremde und Verlorene nicht nur in der Neuen Welt. Das Mädchen vom Balkan lebt in selbstauferlegter Isolation, denn sie glaubt, einem Fluch zu unterliegen: sie ist überzeugt, einer Rasse von Frauen anzugehören, die im Mittelalter in der Folge satanischer und bestialischer Kulte die Anlage entwickelt haben, sich in Raubkatzen zu verwandeln, sobald heftige Leidenschaft oder sexuelle Erregung sie erfaßt. Dieser grotesk anmutenden Annahme Schritt für Schritt die Unglaubwürdigkeit zu nehmen, ihren Implikationen äußerste Ernsthaftigkeit zu verleihen, ist die Großtat dieses Films. Irena lernt Oliver Reed kennen, einen Schiffsbauingenieur, den das Mysteriöse dieser Frau anzieht und der sie bald heiratet; Irenas Furcht, sich in ein katzenartiges Tier zu verwandeln, verhindert jedoch den Vollzug der Ehe. Oliver sucht die Hilfe eines Psychiaters, Dr. Judd, und findet Trost bei seiner Kollegin Alice, der geborenen guten Kameradin. Irenas heftige Leidenschaft – Eifersucht – ist geweckt, und etwas Nichtmenschliches und Animalisches beginnt Alice zu verfolgen. Der Psychiater, dessen Ambition es ist, mit Irena zu schlafen, um sie zu "heilen", wird von einem schwarzen Panther getötet – von Irena. Am Ende stirbt Irena bei ihren einzigen Freunden – den Raubkatzen im Zoo des Central Park.

Nachdem es zum Paradigma erhoben war, daß alle Horrorfilme "freudianische Untertöne" hatten, litten einige dieser Werke schwer unter diesem nun derart "geschulten Blick", dessen "psychologische" Erklärung subtile Handlungskonstruktionen mit dem Feingefühl einer Abrißbirne behandelte. CAT PEOPLE war ein bevorzugtes Opfer dieser durch halbseidenes psychoanalytisches Vokabular für das tatsächliche Leinwandgeschehen betriebsblind gewordenen hermeneutischen Verstümmelung. Exemplarisch hierfür die Beschreibung von David Annan:

" (...) Val Lewton developed the cinema of suggestion, the hinting at horror without showing it, the psychological fear more terrifying than the actual sight of the beast. His Cat People (...) changed the look of horror films. The black leopard was the beast of the unconscious. Internal fear was the external killer. Freud was explicit." (Annan, 101). 

Der schwarze Panther in CAT PEOPLE ist nicht das Biest des Unbewußten. Irena ist sich über die von ihr ausgehende tödliche Gefahr bewußt; verzweifelt wiederholt sie gegenüber allen, die ihr ein "Geheimnis" unterstellen, daß sie keines habe – kein anderes jedenfalls als das, eine Katzenfrau zu sein. Es ist keine "internal fear", keine psychische Disposition, die sich hier zum "external killer" wandelt. Irenas "Erbe", ihre Macht zur Verwandlung, ist nicht – mit den Worten Dr. Judds – "a product of her own fear – her own overworked imagination." Die Transformation der Frau in eine Raubkatze ist, im plot des Films, eine reale. Die Metamorphose findet statt. Es geht, wie noch nie zuvor auf der Leinwand, um das Tier im Weib. Auch die Aussage, der Film handele "von der Bedrohung des amerikanischen Mannes durch die frigide Katzenfrau aus Osteuropa" (Stresau, 47), verlegt den Akzent fälschlich auf eine internal fear.

Die reißerischen Plakate, die den Film annoncierten, sind nicht unbedingt weiter von der Wahrheit entfernt als Annan oder Stresau; das bekannteste verkündete: "SHE WAS MARKED WITH THE CURSE OF THOSE WHO SLINK AND COURT AND KILL BY NIGHT!", suggeriert damit fälschlich, daß das Leben der tragischen Heroine aus Herumschleichen, Poussieren und Töten besteht, erklärt aber rundheraus, daß die schöne und faszinierende Irena mit einem Fluch belegt ist. Ein zweites Plakat verhieß: "A KISS COULD CHANGE HER INTO A MONSTROUS FANG-AND-CLAW KILLER!" – wogegen im Lichte der Fakten wenig einzuwenden ist, es sei denn, man weigert sich, ein schönes Tier wie den Panther als "monstrous killer" anzusehen. Ein drittes lautete: "SHE KNEW STRANGE, FIERCE PLEASURES THAT NO OTHER WOMAN COULD EVER FEEL!" Diese Behauptung basiert nun sehr auf der Macht der Einbildungskraft, und ihr Wahrheitsgehalt wäre abhängig vom Sinn des Wortes pleasure. Wir wissen nicht, welche Lust ein Panther empfindet. Der Film klärt auch nicht abschließend, ob Irena Dubrovna in der Lage ist, sexuelle Lust zu geben und zu empfangen, ohne sich in ein Raubtier zu verwandeln – er gibt ihr keine Gelegenheit mehr dazu.

Wenn der Film, auf der ersten Ebene, in einer Art Rück-Feminisierung des klassischen Motivs der Transformation, das im Horrorfilmgenre durch das Werwolf-Thema vorübergehend auf die maskuline Sexualität projiziert war, von einer Frau handelt, die sich bei emotionaler oder sexueller Erregung in eine animalische, tödliche Macht verwandelt, dann wäre dies eine Zuspitzung des Femme fatale-Motivs, die, bar jeder Metaphorik, die alte Weisung Marlene Dietrichs: Ein kleines Blickgeplänkel sei erlaubt dir, doch denke immer: Achtung vor dem Raubtier, buchstäblich umsetzt. Klassisches "Opfer" dieses Szenarios: der Mann. Indes: die berühmten stalking scenes des Films betreffen Alice, Oliver überlebt, und Dr. Judd stirbt, weil sein Versuch einer Vergewaltigung Irenas sie in den Panther verwandelt: emotionale Erregung, nicht sexuelle, man könnte sagen: ein Akt der Notwehr. Klassische Femme fatale ist Irena keineswegs. Dem traditionellen Schema nach ist sie das "Monster" des Films. Aber der Film unterläuft dieses Schema: Irena ist das eigentliche Opfer

Daß es in CAT PEOPLE um Irenas "frigidity" (vgl. Dyson, 110) und nur um eine internal fear geht, ist ein Mißverständnis, das natürlich auch auf der hohen Kunst des Regisseurs beruht, sowie, in diesem Fall, des Produzenten. Es herrscht mittlerweile Einigkeit darüber, daß die "neun intelligenten Horrorfilme" (Everson, 190), die Val Lewton in den vierziger Jahren für RKO produzierte, Meilensteine des Genres darstellen. Mit CAT PEOPLE beginnt dieser "legendäre Horrorfilmzyklus", als "Kino der Suggestion" und als "Kunst des Andeutens" (Schifferle, 86), in der unsichtbarer Schrecken den Horror in die Imagination des Zuschauers verlegt. Was die Bilder nahelegen, was sie in die Vorstellung verlegen, ist schrecklicher als das, was sie zeigen, das Implizierte übersteigt das Explizierte, getreu "(...) Langs altem Motto, daß nichts, was die Kamera zeigen könnte, so schrecklich sein kann wie das, was sich die Phantasie ausmalen kann (...)" (Everson, 191). Wie Lewton selbst es ausdrückte: wenn man die Leinwand dunkel genug macht, wird das geistige Auge aktiv, und die Phantasie des Zuschauers wird die Dunkelheit beleben und bevölkern mit Formen des Schreckens, die ein Regisseur nicht inszenieren könnte.

Das wahre Entsetzen hält sich versteckt in einem Universum der Schatten. Geräusche, die vom Leinwandbild nicht erklärt werden, dabei aber nur eine Erklärung zulassen, intensivieren den Horror. "Terror borders on the subliminal, the viewer 'seeing' images far worse than any shown on the screen" (Frank, 116). Lewton (der, so geht die Mär, an einer Katzen-Phobie gelitten haben soll) spezialisierte sich auf "ominous mood, well-dosed moments of shock, and nearly subliminal hints of something almost too evil to be put into words and images" (Clarens, 166). Die stalking scenes "are made genuinely terrifying by masterly use of shadow and sound" (Frank, 116). Getragen von der "visuellen Ausdruckskraft" Tourneurs und dem für die Lewton-Filme charakteristischen understatement verwandelt CAT PEOPLE "das Alltägliche in eine schwarze Alptraumwelt voller unsichtbarer Bedrohung" (Everson, 190 ff). 

Gilles Deleuze beschreibt, wie Tourneur mit der gotischen Tradition des Horrorfilms bricht: "Seine fahl leuchtenden Räume, seine Nächte auf lichtem Grund machen ihn zu einem Repräsentanten der poetischen Abstraktion. Im Schwimmbad von Cat People sieht man den Angriff nur in den Schatten auf der weißen Mauer: Ist die Frau zum Leoparden geworden (virtuelle Verbindung) oder ist es eben nur der Leopard, der ausgebrochen ist (realer Zusammenhang)?" (in: Schifferle, 86). Abgesehen davon, daß man den Schatten des Panthers in dieser Szene nicht auf einer "weißen Mauer" sieht, nicht einmal auf Weiß, sondern als ein sich bewegendes noch Dunkleres im Dunkel, verweist Deleuze auf eine Ambivalenz, die vom Gespann Lewton/Tourneur aufrechterhalten wird, während der Film auf seine übernatürliche Auflösung zuläuft, und erst die Intervention der RKO-Oberen führte dazu, daß in einer dritten stalking scene ein echter Panther zu sehen ist. Selbst hier gelingt es, dank "skilful editing" des Cutters Mark Robson, "to preserve our uncertainty" (Clarens, 166). Clarens bewundert die Vieldeutigkeit des Films, der von Obsession und Transformation handeln, aber auch "a study in frigidity" (Clarens, 164) sein könne. Daß Lewton und Tourneur keinen realen Panther zeigen, sondern nur mit Schatten und Andeutungen arbeiten wollten und es im wesentlichen auch tun, heißt jedoch nicht, daß Irenas Transformation in einen Panther nicht real ist.

Wie Kim Newman festgehalten hat, ist das Entscheidende an CAT PEOPLE nicht die Ambivalenz, sondern die Subtilität. Lewton und Tourneur verzichten völlig auf jedes "gruselige" visuelle Repertoire im Stil der Universal-Monster, und dennoch ist CAT PEOPLE letztlich nicht ambivalent im Hinblick auf Irenas Zustand: "(...) the film's last line ('she never lied to us') proves that Irena is really a Cat Person" (Newman, 37). Die einzigartige Kunst des Films liegt darin, trotzdem eine feine, geradezu zartfühlende psychologische Studie zu sein. Das heißt: ein "wirkliches Monster" kann trotzdem in einem Psychodrama leben, die Existenz des Übernatürlichen verhindert nicht die Komplexität emotionaler Verstrickungen. Irena verfügt über alle 17.500 unterscheidbaren Wesenszüge im Charakter einer Frau, mit dem einen Zusatz, daß sie sich in einen Panther verwandeln kann. 

"The extent of Irena's power is suggested but never blatantly shown" (Hogan, 60). Indes, die Konstruktion des Films ist sorgfältig. Im Central Park-Zoo gibt es mehrere Raubtiere, aber nur einen schwarzen Panther, und auf ihn fokussiert sich Irenas Interesse. Er befindet sich bis zur letzten Minute des Films in seinem Käfig. Zwar wird schon früh angedeutet, daß der Zoowärter nachlässig mit seinem Käfigschlüssel umgeht, und später bringt Irena diesen Schlüssel an sich. Tatsächlich ist der Handlungsablauf des Filmes aber zu dicht und seine innere Logik zu eindeutig, um die Möglichkeit einer "nicht gezeigten Szene" offenzulassen, durch die der Panther vorübergehend aus seinem Käfig befreit ist. Man könnte mit Recht hinzufügen, daß eine solche Möglichkeit nicht nur der Wahrheit des Films, der realen Transformation Irenas, widerspräche, sondern auch seiner klugen Ökonomie, in der keine Szene, keine Einzelheit zuviel oder zuwenig ist. Zwar beweist sich die Virtuosität des Duos Lewton/Tourneur auch darin, daß wir besagte Möglichkeit während der Schwimmbad-Sequenz oder in der Szene, in der wir den Panther im dunklen Büroraum sehen, nicht letztgültig ausschließen. Letztlich aber ist der Film eindeutig. Er suggeriert eine Wahrheit, die er dann durch viele kleine Kunstgriffe zu widerlegen scheint. Am Ende aber bestätigt sich die Wahrheit, deren übernatürlicher Charakter uns zwingt anzuerkennen, daß, im Gegenteil, ihre Widerlegung durch viele kleine Kunstgriffe nur suggeriert war.

Zwar würde es ja fast genügen, daß Irena nicht ganz richtig im Kopf ist und Wahnvorstellungen hat, aber gerade weil sie tatsächlich eine Katzenfrau ist, verstärkt sich der ideologische Aspekt, der auf einer anderen Ebene des Films greift; dort, wo es um die Faszination des Fremden und die Angst vor dem Fremden geht; dort, wo man überhaupt die "epische Struktur" des Horrorgenres "in die Formel vom Kampf des 'Eigenen' gegen das 'Fremde' (...)" bringt:

"Wie die Frau gewarnt wird, sich mit 'fremden Männern' einzulassen, die ihr das Blut aussaugen werden, so wird der Mann davor gewarnt, 'ausländische' Frauen, Exotinnen zu begehren (etwa in 'Cat People' – 1942 – Regie: Jacques Tourneur). Dabei wird das Fremde nicht als das bewußt Böse diffamiert, es entfaltet seine Grausamkeit erst, wenn es durch den abtrünnigen Yankee – Mann oder Frau – dazu provoziert wird." (Seeßlen/Weil, 62).

Wichtiger Punkt: Irena ist nicht vorsätzlich bösartig oder zerstörerisch. Im Gegenteil tut sie ihr Möglichstes, um das "Böse" in ihr ("something evil in me") nicht freizulassen. "Böse" wird Irena durch zweierlei Provokation: ihr Mann, an sich schon auf verletzende Weise verständnislos, unklug bis zur Gimpelhaftigkeit, läßt sich mit einer anderen Frau ein; und ein anderer Mann versucht, gegen Irenas Willen, eine sexuelle Eroberung an ihr. Eifersucht und der Wunsch, nicht vergewaltigt zu werden, sind zutiefst menschliche Regungen. Lediglich ihr Ausmaß, oder besser die Form, die diese Regungen annehmen, machen Irena anders – wenn auch unvorstellbar anders.

Sehr Menschliches nimmt in Irena sehr monströse Form an, aber wir hören nicht auf, mit Irena zu sympathisieren und mit ihrer extremen Verletzlichkeit bei dem Versuch, ihr Problem zu überwinden, mitzufühlen. Und so fragt sich, ob die Funktion der "Warnung", die für das Jahr 1942, ein Kriegsjahr, noch plausibel klingt, dem Film tatsächlich gerecht wird. Seeßlen und Weil – unbestrittene Pioniere der Erarbeitung einer Theorie des Horrorfilms im deutschen Sprachraum – leisten sich einen Faux-pas, der, wollte man boshaft sein, als Indiz für ungenaues Sehen gewertet werden könnte ("Die Ehe wird deshalb nicht vollzogen, und nach einer Weile wendet sich der Mann einer anderen Frau zu. Diese wird bald darauf von einem wilden Tier getötet", Seeßlen/Weil, 77 – Alice wird nicht getötet.). In weniger boshafter Stimmung wäre vielleicht die Theorievorgabe ein wenig zu modifizieren, die da lautet:

"Eine der Funktionen des Horror-Films ist es, vor den 'Gefahren' des fremden Liebhabers oder der fremden Liebhaberin zu warnen, denen allesamt 'verschlingende', 'reißende', also destruktive Attribute beigeordnet werden. In dieser abstrakten Form von Rassismus und Klassen- oder Gruppenisolation wird die Wirkweise des Mythos deutlich: Wenn man 'King Kong' als den Neger interpretiert, der einen (verbotenen) erotischen Reiz auf die 'weiße Frau' ausübt und von ihr angezogen wird, wenn man Bela Lugosi (Dracula) als das – böse überzeichnete – Bild des europäischen Liebhabers versteht, der eine erotische Raffinesse zu haben scheint, die dem Amerikaner fremd ist, und wenn man schließlich die 'Katzenfrau' Irena als die exotische (...) Liebhaberin sieht, die den amerikanischen Mann seiner Mutter / Frau entfremdet, so sind dies Ableitungen aus dem Mythos, die in bestimmten räumlichen und zeitlichen Gegebenheiten als einzig vorstellbare Aussagen gesehen werden können. Tatsächlich aber ist die eigentliche Aussage des Mythos vom Halbwesen nicht: 'Der Neger (der Europäer, die ausländische Frau) ist das Fremde!', sondern die wesentliche Aussage ist: 'Alles Fremde ist erotisch und (deshalb) gefährlich.'" (Seeßlen/Weil, 77 ff.).

Alles sehr nachvollziehbar; wenn man CAT PEOPLE aber heute sieht, scheint der Film vor allem vor den Gefahren der "Normalität" und vor dem Vertrauen in die falschen Menschen zu warnen. Daß die Sympathie für Irena nicht schwindet, bedeutet, daß der Film für sie und für das, was sie ist, wirbt. Lewton und Tourneur etablieren mit diesem Film einen Zuschauer, der den "seltsamen Phantasien" des Horrorgenres mit Einfühlungsvermögen, Faszination und Zuneigung zu begegnen imstande ist.

Seeßlen/Weil behaupten, daß "Frauenfeindschaft (...) im amerikanischen Kino dieser Jahre verbreitet" sei; in den von Lewton produzierten Filmen dagegen gelte: "Das Bild der 'fremden Frau' bleibt ambivalent zwischen Schönheit und Gefahr, sie wird nie zum Opfer eines aus erotischer Furcht entstandenen Sadismus wie in den zahllosen B-Filmen der vierziger und fünfziger Jahre" (Seeßlen/Weil, 77). Daß es zu kurz greift, die Darstellung der Femme fatale als frauenfeindlich zu sehen, wird später gerade von Frauen behauptet (vgl. Sabine Reichel, Bad Girls) und sei hier nur nebenher angemerkt; daß Irena in CAT PEOPLE nicht zum Opfer eines aus erotischer Furcht entstandenen Sadismus wird, mag stimmen, ändert aber nichts daran, daß sie gleichwohl zum Opfer wird. Wem oder was fällt sie zum Opfer?

Seeßlen/Weil zitieren Hans Scheugl: "Mit den Tier-Frauen war die verbotene Sexualität außerhalb der durch den Krieg gefährdeten Ehe gemeint, aber auch die (sexuell) aktivierte Frau überhaupt. Die scheinbare Frigidität Irenas ist in Wirklichkeit ein im dunkeln liegender und noch gehemmter Geschlechtstrieb. Die Angst vor den Konsequenzen legt ihr Zurückhaltung auf: daher erscheint sie frigide" (in: Seeßlen/Weil, 77).

Hier ist ein lohnender Ansatzpunkt. Frigidität? Nein. Vielmehr: Angst vor den Konsequenzen einer ungehemmten Intensität. Genau dafür bleibt der Film, bzw. die Gestalt Irenas, auch dann noch Metapher, wenn Irenas tatsächliche Metamorphose einsetzt. Und genau dann ist das Über-Natürliche des Films auch nur noch Metapher für das Über-Normale, das Außergewöhnliche, das – Lust und Schrecken zugleich erregende – Unbekannte. Und dann ist Irenas Tod Metapher für einen Opfergang, unser aller Opferung am Altar des Normalen, mit der niemand, der den Horrorfilm wirklich liebt, sympathisieren kann. Und genau darum ist dieser Film nicht einfach eine Warnung vor dem "Anderen" – eher das Gegenteil.

Daß etwas einen Zwang auf uns ausübt, dem wir zum Opfer fallen müssen – dies, nichts anderes, ist Irenas Horror – ist in ihrem Fall in die Vergangenheit projiziert: der Zwang ist ein Erbe, eine durch Vorfahren erlangte und übertragene Macht. Im Horrorfilm ist die Vergangenheit erstens die Vergangenheit und zweitens jener Hort, aus dem die Dinge stammen, denen wir nicht entkommen können.

Irena fürchtet eine alles überwältigende Intensität ebensosehr, wie sie es ersehnt, sich ihr zu überlassen. Am Normalen scheitert sie; an der Unmöglichkeit, im Normalen irgendeine Lösung für diese Ambivalenz und Zerrissenheit zu finden. Sie fällt also gleich mehrfach zum Opfer: dem Ungeheuerlichen in ihr wie dem Konformismus und common sense-Puritanismus der phantasielosen Einfalt ihrer "normalen" Umgebung. In der Dreierbeziehung ist sie der kulturelle wie erotische Außenseiter. Und schließlich ist sie das Opfer von Verrat. Katzen, sagen manche, sind verschlagen und falsch. Verschlagen und falsch indes sind vor allem der Psychiater, bei dem Irena Hilfe sucht, ihr angetrauter Ehemann, der, um im Katzen-Jargon zu bleiben, herumzustreunen beginnt, und die "gute Freundin" Alice.

Was Irena erleidet, hat nichts mit Eros-Unterdrückung oder Hemmung des Sexualtriebs zu tun; sie verwandelt sich, sobald ihre Leidenschaft erregt wird, in einen Panther, der den Liebhaber töten muß. Sie hat es noch nicht erlebt, sie weiß nur, daß es so kommen würde, und alle Ereignisse bestätigen sie. Im Wissen um ihre Veranlagung entzieht sie sich dem sexuellen Akt, und so dreht sich dieser Film weniger um Sex, vielmehr um Sehnsucht und Verlangen. Simone Simon als Irena "was ideal at projecting a quiet sense of frustration" (Linaweaver, 5). Die Sehnsucht, sich hinzugeben, die Momente der Hoffnung, der Horror vor dem Unausweichlichen: all dies vermittelt Simon auf zutiefst berührende Weise. Hier findet der Film seine entscheidende Ebene: wo er von der tiefen Einsamkeit des Anderen und Fremden handelt, von den Ängsten und Nöten des Außenseiters, der am Unverständnis, der Ungeschicklichkeit und auch der Unverfrorenheit der scheinbar Wohlwollenden leidet und zugrundegeht.

Und so ist dies auch eine ganz einfache Geschichte von der verzweifelten Suche nach Verständnis. Was Brad Linaweaver für die Lewton-Filme überhaupt bemerkt, gilt in erster Linie für CAT PEOPLE: "These pictures capture the saddest moments in American cinema" (Linaweaver, 4). Nach Linaweaver handeln Lewtons Filme nicht primär von "fear, or terror, or death"; ihr "strongest theme" sei vielmehr: "what it means to be alone." (ebd.) Das geheime Thema von CAT PEOPLE ist die Einsamkeit, "and how this is at the heart of spiritual terror" (Linaweaver, 5). CAT PEOPLE erzählt davon, wie schwer es ist, jemanden zu finden, der einen wirklich liebt.
















Literatur:

Annan, David: Cinema of Mystery and Fantasy, London 1984.
Clarens, Carlos: Horror Movies, London 1971.
Dyson, Jeremy: Bright Darkness. The Lost Art of the Supernatural Horror Film, London 1997.
Everson, William K.: Klassiker des Horrorfilms, München 1979.
Frank, Alan G.: Horror Movies, London 1974.
Hogan, David J.: Dark Romance. Sexuality in the Horror Film, Jefferson 1997 (Reprint der Erstausgabe 1986).
Linaweaver, Brad: Spiritual Terror - The Horror Films of Val Lewton, in: Wonder Magazine # 11, Atlanta 1995.
Newman, Kim: Cat People, London 1999 (BFI Film Classics).
Sarris, Andrew: Val Lewton - RKO's Prince of Darkness, in: The Perfect Vision # 20, New York 1994.
Schifferle, Hans: Die 100 besten Horrorfilme, München 1994.
Seeßlen, Georg / Weil, Claudius: Kino des Phantastischen. Geschichte und Mythologie des Horror-Films (Grundlagen des Populären Films 2), Reinbek bei Hamburg 1980.
Stresau, Norbert: Der Horror-Film, München 1987.















 

Freitag, 17. April 2020

Lockdown Postcard #2












Wie F. Murray Abraham als Salieri "such longing" sagt, "such unfulfillable longing", wie seine Stimme bebt, überwältigt davon, daß die Seele den Klang der Vollkommenheit fühlt. Die göttliche Herkunft dieser Musik. Diese unendliche Süße und diese unendliche Macht der perfekten Melodie. Was für ein Schauspieler, was für eine Szene. And yes, one of the most wonderful pieces of music ever written.

Daß Kunst so tief berühren kann, daß Musik die Präsenz des so unendlich Vermißten spüren läßt, daß sie es vermag, auch im tiefsten Schmerz ein Gefühl der Ehrfurcht in uns zu beschwören, daß sie Trost ist in dunkler Zeit, daß sie sich einwebt in die Textur unseres Lebens, Nietzsche sagte, ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum, Hyperbel = schickliche Übertreibung des Wahren.

Podcasts, ich hörte 2017 alle 84 Folgen von "Hour of Goon", Jeordie White und Fred Sablan, think I told you & Mademoiselle when we met. Im Herbst 2017 fiel Jeordie White dann bei der Welt in Ungnade, die Folgen scheinen seitdem gesperrt und ich habe seitdem auch keine anderen Podcasts mehr gehört, ist aber nur Koinzidenz, sofern nicht unbewußter Protest. Auf soundcloud gibt es zwei Folgen, in dieser geht es um Jeordies Reise nach New Jersey zur Beerdigung seines Großvaters. It's the place where he was born and it brings back memories & emotions.

Oh, und so ab 39:40 geht es um The Cure und Ricky Gervavis und "one of the great bass players of the planet".








"Deutschland ist kein Land des Charmes, um es vorsichtig zu sagen, in Ländern wie Österreich, Großbritannien oder eigentlich egal wo hat eine drittklassige Gießkanne mehr Charme als hier die Hälfte der öffentlichen Figuren zusammengenommen." Sascha Lobo in seinem Nachruf auf Roger Willemsen. Seine schelmische Neugier und, eben, sein Charme, sorely missed. So geistreich, weil er ein Begeisterter war. Schrieb zum Tode Lagerfelds auf SPIEGEL: "Wo Thomas Mann war, ist Uwe Tellkamp. Wo Bargeld sein sollte, ist Giesinger. Wo Willemsen war, ist Lanz. Wo Lagerfeld war, ist Glööckler." -  "Willemsens Woche", Mitte - Ende der 90er, da gab es grandios verunglückte Sendungen, mit Nick Cave & Blixa Bargeld, oder mit Bernd Begemann, aber man hatte das Gefühl: Charaktere in Echtzeit.

Oh, die Stranglers waren für das "Golden Brown"-Video im Leighton House Museum? Diese Joolz-Videos versorgen mit unverzichtbaren Informationen. Keep them coming please. Diesen unseligen Nachbarschaftsstreit habe ich mitbekommen, und natürlich ahnen Sie, auf wessen Seite ich da stehe. Leider darf dieser Kindskopf wohl seinen Untergrundpool bauen.

Apropos "Wir sind im Krieg", falls die Monarchie doch noch zurückkommt, sollte es eine Königin geben, und sie sollte Lisa Eckhart heißen.









Irene Adler geht ja leider nicht. Remember, als ich zu "Ein Skandal in Belgravia"-Zeiten erklärte, daß ich ohne Smartphone existiere, daß aber die Vermutung, es gebe Irene Adlers erotisches Stöhnen als ringtone, mich verleiten könnte etc - ? Well, Wort gehalten. Seit letztem Sommer bin ich nicht mehr einer von drei Menschen auf diesem Planeten ohne Smartphone (Huawei, einfach weil die irgendwie mit Trump über Kreuz lagen). Deutsche Version,







ich weiß, Ihnen gefiel das Original besser. :)







Nein, Shelley-Zitat hatten wir noch nicht.
"Wo ist er?" fragte ich, als ich meinen Blick wieder emporrichtete.
"Wer? Shelley?" sagte Mrs. Williams, "oh, der kommt und geht wie ein Geist, niemand weiß, woher und wohin."

Ach, zwischen Psychologen und Psychiatern fühle ich mich gut aufgehoben. :) Suite im Zauberbergsanatorium, yes. Tatsächlich stehen regelmäßig Menschen da unten und fotografieren den Bau. Leider waren die letzten Nächte ziemliche Höllenritte, hoffe, ich bin jetzt aus dem Gröbsten, leider kann man sich ja nicht einfach so bei Hofrat Behrens in die Maschine stellen. Geht es Ihnen denn wieder etwas besser?

Heute wurde bestätigt, daß Marianne Faithfull mit COVID-19 in einem Hospital in London behandelt wird. "She is stable and responding to treatment". Your man Warren Ellis hat ihr bei ihrem letzten Album erneut seine hochkarätige Unterstützung angedeihen lassen, Nick Cave too. Lassen Sie uns in Gedanken bei diesem Capricorngirl sein, das schon -> so viel überstanden hat. Möge sie auch dies überstehen.









Diana Rigg hingegen teilt ihr Sternzeichen mit Ihnen. "I take it you're not hurt." - "Only my pride."








Oh, eine Band aus Brügge! Ins wundervolle, geliebte Brügge hätten wir auch einen Abstecher gemacht, an meinem Geburtstag. Damn.

Lockdown Track # 10 - Prelude
















Kunst ist systemrelevant. Was würden wir ohne Bücher, Bilder, Filme, Musik tun im Lockdown und überhaupt? Was soll überhaupt diese ganze Relevanzfrage? Wäre die richtige Zeit, nochmal über Grundeinkommen zu diskutieren. Menschen sind human BE-ings, keine human DO-ings. Ich würde es begrüßen, in einer Gesellschaft zu leben, die damit zufrieden ist, dass Menschen existieren.

Roger Willemsen sagte über GNTM: "Eine unschöne Frau mit laubgesägtem Gouvernanten-Profil bringt kleine Mädchen zum Weinen, indem sie ihre orthodoxe, hochgerüstete Belanglosigkeit zum Maßstab humaner Seinserfüllungg hochschwindelt, über 'Persönlichkeit' redet, sich aber kaum mehr erinnern kann, was das ist, und sollte diese je zum Vorschein kommen, sie mit Rauswurf bestraft. Der Exzess der Nichtigkeit aber erreicht seinen Höhepunkt, wo Heidi Nationale mit Knallchargen-Pathos und einer Pause, in der man die Leere ihres Kopfes wabern hört, ihre gestrenge 'Entscheidung' mitteilt und wertes von unwertem Leben scheidet. Da möchte man dann elegant und stilsicher, wie der Dichter sagt, sechs Sorten Scheiße aus ihr rausprügeln - wenn es bloß nicht so frauenfeindlich wäre." 

HAH! Ich WUSSTE, dass SIE Frau Eckhart wertschätzen würden. Hilarious, "Wir sind im totalen Frieden." Ist Ihnen schon aufgefallen, dass Herr Nuhr seit der Erscheinung Frau Eckharts immer schwärzere Kleidung und - finally - Stahlkappenstiefel trägt? > > hier

Der Besitz eines Smartphones im Zusammenhang mit Ihnen gedacht, erscheint wahrlich etwas gewöhnungsbedürftig, aber warum auch nicht. Es ist ja inzwischen, als wäre man ohne linken Arm, wenn es mal fehlt. Ich wage wohl nicht zu hoffen, dass auf dem Telefon auch Internet zugänglich ist? Vielleicht werden Sie am Ende noch ein Influencer. Sie könnten die gesamte Influencerszene mit Sinn und Inhalt aufladen und somit revolutionieren! Hach, das wäre fein. Sollten Sie sich jemals auf Instagram verirren, könnte ich die Seite Influencersinthewild sehr empfehlen. Man sammelt dort vollkommen abgedrehte Beobachtungen von Menschen, die für eine Story oder ein Foto Dinge tun, die man nicht glauben würde, wenn man es nicht sähe. 

Und haben Sie nun auch den Klingelton? Was für eine Hommage. Aber näher betrachtet gefällt mir weder die deutsche noch die Originalversion. Zu wenig subtil für meinen Geschmack.

Ich bin erleichtert, dass Sie über den Berg sind. Hoffe Sie verbringen feine österliche Ruhe. I'm fine, but tired. Höllenritt war diese Vorosterwoche aus anderen Gründen. Krankenhäuser als Wirtschaftsunternehmen - wer hat das nur erlaubt? Ich möchte dies nicht mehr. Bitte beenden wir den Wahnsinn schnellstmöglich. Tatsächlich verdient man derzeit mehr an leeren Betten, wodurch das Personal rumsteht und Fantasien ungefragt herumplaudert bis hin zur Hysterie. Sfz.

Ach ja, Brügge. Und all die Reisen, die nicht stattfanden. Reisen wir einmal durch das Lockdown Salzburg, gespenstisch schön fremd und doch so wie immer. 






Diese Folge von Mr. Julian ist für uns gemacht worden. Alles gesagt. Und gezeigt. It is official, he is a kindred spirit. Im Anschluß Huldigung.






Bei Minute 5:10 sehen wir Foyles, einer der ältesten Buchläden in der Buchladenstraße Londons. (Es gibt auch eine Möbelstraße etc.) Im Entrée erwartet uns folgende Ansicht:






Hätte fast geweint.

Ganz kurz sehen wir an einem Theater "Aladin", dort wird derzeit "Mary Poppins" gegeben, wenn es denn gegeben wird.
Ab Minute 13 sehen wir die Gasse, durch die ich wanderte, mit dem Plaque, Ziggy Stardust was recorded there.
I smiled at that sign in Kingly Court right beside Carnaby St.












Lockdown Track # 11 - Pressure

Ich liebe diesen Song. Untrennbar mit London verbunden, weil der Busfahrer, back in 1992, drauf stand, eingebrannt spätestens bei der Nachtlichterfahrt. Natürlich die Queen-Version. Diese ist besser. :)



















Noch nicht über den Berg, leider. Tagsüber trügerische Linderung, die Nächte aber sind zermürbend, ein kafkaesker Husten, irgendwann hilft dann nur noch, sich aufrecht zu installieren. Da sitze ich dann wie ein exhumierter Papst. Am Dienstagmorgen schließlich meine Hausärztin am Telefon: "Warten Sie in der Parkverbotszone, ich werde um 8:16 im Schutzanzug vor die Tür kommen!" Fühlte mich endgültig wie ein Charakter in einem seltsamen Science Fiction-Film. Sie erschien dann tatsächlich im silberglänzenden Astronautinnenanzug und machte den Abstrich an einem sonnigen Morgen auf der menschenleeren Straße. Einen Tag lang war ich also tatsächlich ein COVID19-Verdachtsfall, und stärkere Medikamente als Mucosolvan und Ingwertee wurden mir wie bei einem Geheimdiensttreffen in einem Hitchcock-Film an die Haustür gehängt. Am Mittwoch erfuhr ich das Ergebnis, this -> wasn't a joke, bin also tatsächlich NEGATIV, "Coughing, etcetera" (Zizek) jedoch fast unverändert, nur langsame Besserung. Würde gern die Nächte bei offenem Fenster verbringen (auch Kafka), fürchte aber, daß die Nachbarschaft dann geschlossen mit Heugabeln anrückt. Müßte vielleicht "HINFORT, IHR NARREN! DIESER MANN WURDE NEGATIV GETESTET!" an meine Tür schreiben. 

Krankenhäuser als Wirtschaftsunternehmen, gerade dringt ja die Erkenntnis durch, daß im Zuge der Privatisierung die Infrastruktur des Gesundheitssystems an vielen Stellen zerschossen wurde, aber was wird die Erkenntnis wert sein, wenn "die Krise" vorbei ist? Werden dann wirtschaftliche Gesichtspunkte keine Rolle mehr spielen, wenn es um das Wohl des Patienten geht? I doubt it.

Sicher lasen Sie den letzten Sibylle Berg-Artikel ("Bankrotterklärung der Menschlichkeit"). Die Forderung, den Lockdown zu beenden, wird ja zT begründet damit, der Wirtschaftseinbruch sei so gravierend, daß es besser ist, die Schwächsten gleich über Bord zu werfen und die Risikogruppen eben dem Risiko auszusetzen. Schrieb vor ein paar Tagen dazu: sobald den Alten und Kranken in größerem Stil vorgeworfen wird, daß sie noch am Leben hängen, haben wir alle verloren. Die gegenüber dem Virus Schwächsten opfern zu wollen, hieße, mit selektiver Gewalt die totale Zerstörung zu riskieren. Und ich meinte die Zerstörung der Menschlichkeit. Und wenn Ärzte dann tatsächlich zur Triage gezwungen sind / sein werden, dann auch deshalb, weil ein Gesundheitssystem, das komplett durchökonomisiert und auf Profit ausgerichtet ist, irgendwann Patienten gegeneinander ausspielt. Das hätte man wissen können.

Hah, nein, Stahlkappenstiefel bei Nuhr entgingen mir. Vielleicht möchte er sich für sie größer machen? :) Verständlich. Torsten Sträter kann man natürlich auch stundenlang zuhören. Selbstverständlich wußten Sie, daß ich Lisa Eckhart verehre.

Sfz. Salzburg. Alles so vertraut und doch ein anderer Planet plötzlich. Schon möchte man wieder dort sein. Waren Sie auf Ihren Reisen eigentlich schon in Innsbruck? Als wir letzten Sommer in Krakau das Militärhospital sahen, in dem Trakl starb, wurde mir sonnenklar, daß ich einmal auch sein Grab besuchen muß.

Oh Dear, meine Influencer-Karriere steckt in den Kinderschuhen ziemlich fest, bei Instagram bin ich angemeldet, aber eigentlich nur, um zu schauen, was Jennie Vee so macht. Some others, too. Ein Freund von mir entdeckt gerade die Queens of the Stone Age, überschüttet von seinem Enthusiasmus sehe ich plötzlich auf Instagram Josh Homme und seiner Tochter beim Bogenschießen zu.

Habe "American Valhalla" zum ersten Mal gesehen, der Film, der die Geschichte der Kollaboration von Josh Homme und Iggy Pop für "Post Pop Depression" erzählt, bis hin zur Tour, am Ende geht Dank auch ans Mehr!-Theater, muß nochmal genauer schauen, welche Szenen das sind, wir waren ja präsent, eines der aller-aller-aller-besten Konzerte meines Lebens. Ging sehr unter die Haut, der Film, der ergreifendste Moment war - Iggy hat nach Bowies Tod angedeutet, wie schwer ihn das getroffen hat, of course, aber er hat bei aller OPEN UP AND BLEED-Offenheit in Interviews sein Innerstes immer zu schützen gewußt und gelernt, Dinge zu umschreiben, wenn sie zu tief gehen. Im Film erzählt er, wie er - in der Nacht vor dem ersten Rehearsal für die Tour - um 3 Uhr morgens geweckt wurde von seiner Frau Nina, die ihm die Nachricht überbrachte. Daß Bowie gestorben ist. Und es gibt diesen kurzen Augenblick zwischen zwei Cuts, in dem wir sehen, daß er weint.

Kunst systemrelevant, und weil Sie und ich davon so erfüllt sind, war es unnötig zu protestieren gegen das Wort "Eskapismus", wenn Joolz durch die Wardour Street geht (8:37), singt er "London Boys" von David Bowie, einfach, weil diese Dinge essentiell zum Leben gehören und im eigenen System immer präsent sind, wie kann man anders existieren? Thank you so much for this. Auf meiner ersten Interrail-Tour verbrachte ich einen Tag in Canterbury, einen in Winchester, besuchte Stonehenge und sah während meiner drei Tage in London dann tatsächlich den legendären Marquee Club. Aber das ist lange her. Daß man tatsächlich einfach so vor den Trident Studios stehen kann, wo Bowie ein und aus ging und die Rolling Stones an "Midnight Rambler" arbeiteten, ich meine, daß dieser Ort einfach so da ist - feels so real it's surreal, no? Habe begriffen, daß ich immer schon geborener Pilger war. Daß der Mary Poppins-Soundtrack zu Julians Top 5-Alben ever gehört, macht ihn natürlich erst recht zu einem kindred spirit für Sie. :) Beautiful man. Die "Under Pressure"-Version überwältigend, so oft schon Gail Ann Dorsey den Mercury-Part singen sehen and I like it better, too. The Day That David Bowie Died, geht mir fast zu nah, auch weil ich gerade wehmütige Tage verbrachte w/ the genius of PRINCE. Stop Joolz at 14:05, you just heard him say: "Records are great! You get them at the Wrecka Stow!" Hintenübergefallen, WEIL.

Er starb ein paar Monate nach David Bowie, sein vierter Todestag ist nah. Erlauben Sie, daß wir uns heute vor dem großen kleinen Mann verneigen. Es wird nie wieder welche geben wie Bowie oder ihn. What a great time to be alive, all diese begnadeten Künstler erlebt und ihren Weg begleitet zu haben. Und nicht glauben zu müssen, Kanye West hätte irgendeine Bedeutung, irgendein Talent, compared to this. Prince konnte 21 Instrumente spielen. Hat mit seiner Musik alles um sich herum so erotisiert, daß die Welt nach einem Song von ihm nicht mehr dieselbe war. Konnte dir die Tränen in die Augen treiben. Der erste Song, den ich von ihm hörte und sah, war, natürlich, "Purple Rain". Und noch immer denke ich, wenn einen das nicht auf die Knie zwingt, braucht man eine Hirntransplantation.






B & ich sahen ihn im Millerntor-Stadion bei der "Lovesexy"-Tour, schier endloses Konzert und Megaskandal, weil es so laut war, daß man ihn noch an der Hoheluftbrücke hörte, ach halb Hamburg hat die beiden Konzerte auf dem Balkon gehört, im Stadion selbst war es gar nicht übermäßig laut. Diesen Auftritt hier hat sogar Nick Cave in seinen "Red Hand Files" erwähnt, auf die Frage "Do you think AI will ever be able to write a good song?" schrieb er: 


In Yuval Noah Harari’s new book 21 Lessons for the 21st Century, he writes that Artificial Intelligence, with its limitless potential and connectedness, will ultimately render many humans redundant in the work place. This sounds entirely feasible. However, he goes on to say that AI will be able to write better songs than humans can. He says, and excuse my simplistic summation, that we listen to songs to make us feel certain things and that in the future AI will simply be able to map the individual mind and create songs tailored exclusively to our own particular mental algorithms, that can make us feel, with far more intensity and precision, whatever it is we want to feel. If we are feeling sad and want to feel happy we simply listen to our bespoke AI happy song and the job will be done.

But, I am not sure that this is all songs do. Of course, we go to songs to make us feel something – happy, sad, sexy, homesick, excited or whatever - but this is not all a song does. What a great song makes us feel is a sense of awe. There is a reason for this. A sense of awe is almost exclusively predicated on our limitations as human beings. It is entirely to do with our audacity as humans to reach beyond our potential.

It is perfectly conceivable that AI could produce a song as good as Nirvana’s Smells Like Teen Spirit, for example, and that it ticked all the boxes required to make us feel what a song like that should make us feel – in this case, excited and rebellious, let’s say. It is also feasible that AI could produce a song that makes us feel these same feelings, but more intensely than any human songwriter could do.

But, I don’t feel that when we listen to Smells Like Teen Spirit it is only the song that we are listening to. It feels to me, that what we are actually listening to is a withdrawn and alienated young man’s journey out of the small American town of Aberdeen – a young man who by any measure was a walking bundle of dysfunction and human limitation – a young man who had the temerity to howl his particular pain into a microphone and in doing so, by way of the heavens, reach into the hearts of a generation. We are also listening to Iggy Pop walk across his audience’s hands and smear himself in peanut butter whilst singing 1970. We are listening to Beethoven compose the Ninth Symphony while almost totally deaf. We are listening to Prince, that tiny cluster of purple atoms, singing in the pouring rain at the Super Bowl and blowing everyone’s minds. We are listening to Nina Simone stuff all her rage and disappointment into the most tender of love songs. We are listening to Paganini continue to play his Stradivarius as the strings snapped. We are listening to Jimi Hendrix kneel and set fire to his own instrument.

What we are actually listening to is human limitation and the audacity to transcend it. Artificial Intelligence, for all its unlimited potential, simply doesn’t have this capacity. How could it? And this is the essence of transcendence. If we have limitless potential then what is there to transcend? And therefore what is the purpose of the imagination at all. Music has the ability to touch the celestial sphere with the tips of its fingers and the awe and wonder we feel is in the desperate temerity of the reach, not just the outcome. Where is the transcendent splendour in unlimited potential? So to answer your question, Peter, AI would have the capacity to write a good song, but not a great one. It lacks the nerve.

Love, Nick


Blowing everyone's minds:








Erstaunlich, daß danach noch eine 2. Halbzeit stattfand. Der ganze Auftritt: hier.

Ich weiß nicht mehr, zu welchem Prince-Song jemand bei YT schrieb: He wrote and recorded this song in 9 minutes and then he made pancakes for everyone. Was sein Genie ganz gut zusammenfaßt. Hierzu schrieb jemand: "This was a normal day in Prince's life."








Und dies ist eine Szene aus "Under The Cherry Moon", dieser Film, der in der Luft zerrissen wurde und komplett unterging, ich sah ihn nie, aber diese Szene sah ich vor ein paar Nächten 5x hintereinander. So behämmert und so hilarious. Wunderbares Timing auch von Kristin Scott Thomas. WRECKA STOW. Gar-sown! 








"In an interview in December 1989, Robert Smith of The Cure cited Sign o' The Times amongst the best things about the 1980s." :)








Mit so minimalen Mitteln funky as fuck. Lockdown Track # 12 - A BIG DISEASE WITH A LITTLE NAME.




















Oh well, Dear, you really don't have to talk me into the music and genius of Prince. Cream, Sign O' The Times, Diamonds And Pearls. Loved 'em all. Aber es gibt einen Song, der alles in den Schatten stellt, so viele Erinnerungen. Schnee im April, das sagt so viel in so wenigen Worten, sometimes I feel so bad. Die ganze Traurigkeit der Welt zusammengefasst. So sensible. How can you not love this? Wer ist Kanye West?






Hah, Wrecka Stow, herrlich! Kristin Scott Thomas seit "Four Weddings..." eine der Besten. Der Film war nur durch seine Nebendarsteller so grandios. Schade nur, daß John Hannah nicht in mehr solcher Filme aufgetreten ist. Kennen Sie "Sliding Doors"? Der Film war jahrelang nicht im Original zu bekommen. Verliert durch die Synchronisation ungefähr 98% seines Charmes und Witzes. Aber ich schweife ab. Zurück zum Thema. Dieses hier liebte ich auch schon in den 80ern.






Weiter oben erwähnten Sie that hateful Ricky Gervavis. Entpuppte sich als Reeves Gabrels, thank God. :) The Cure at Hollywood Bowl. Sie spielen IMMER "Just Like Heaven". :) Was hat Reeves hier mit seinen Haaren gemacht? Das war 2019 nicht mehr.






Erste Lockerungen also ab Montag. Kommt eben richtig, die Leute haben die Schnauze voll, mit Verlaub. Man weiß nicht mehr, was man denken und glauben soll. Die Alten und Kranken hängen am Leben, ja, aber sie wurden gar nicht gefragt. Sie werden auch nicht gefragt, ob die Menschen, die sie betreuen und pflegen, bisher absolute absolute Entwertung erlebten, durch ungefähr null Ansehen und miese Bezahlung. Ein Land, das seine Alten so gering schätzt, tut plötzlich alles, riskiert sehr viel von seinem Wohlstand und seiner Sicherheit, um genau die zu schützen? Da stimmt doch irgendwas nicht. Sehr Alte mit Demenz verstehen die Welt nicht mehr, da ihre Angehörigen nicht mehr kommen und damit die letzten Verbindungen zum früheren Wissen gekappt sind. Ist das wirklich Schutz? Wovor? Hauptsache, sie sterben nicht an Corona. Sterben sie überhaupt an oder mit Corona? Auf Pathologen hört man grad nicht. Kommt man schnell drauf, dass etwas anderes wichtig ist: Politiker, die keine Fehler machen dürfen, weil sie dann ihren Job los sind. Journalisten, die den Shitstorm fürchten. Sogar Virologen, von denen vorher niemand je hörte, haben Angst, am Pranger zu stehen.
Alte haben Angst rauszugehen, weil sie dort diskriminiert werden. Angestarrt. Dann die App, die uns kontrollieren soll. Zahlen, die nicht ins Verhältnis gesetzt werden. Kunst, Kultur, Restaurants am Ende. Das alles ist gefährlich. Was ist eigentlich, wenn nächstes Jahr ein neues Virus mutiert? Und das wird kommen, wenn die Politiker sich weiter darüber beraten, ob man einen Baumwolllappen im Gesicht tragen soll, der überhaupt nichts bringt. Klimaschutz, Verbot von Massentierhaltung, Flüchtlinge aufnehmen. DAS wären Themen. Müßig.

Hoffe, es geht Ihnen bald besser. Kafka-Husten kann lange dauern. Grotesk, Ihre Parkverbotsszene mit Silberanzug. Fotos davon demnächst in den Geschichtsbüchern.