SPIEGEL ONLINE Forum "Literatur - was lohnt es noch, zu lesen?"
August 2009
Christian Erdmann:
Immer schon einer meiner Favoriten von Dylan. Nur drei Akkorde, keine
Sekunde Langeweile. Ein Mann zwischen Scharlatanen in "the wild unknown
country" und der Frau, die ihn "insane" macht, deren
Anziehungskraft aber auch durch surrealste Odysseen hindurchwirkt. Das Leben
halt.
Edda Sörensen:
In diesem Lied hier können Sie viel über Bob Dylan erfahren. Der "Jokerman" ist sein musikalisches Selbstbildnis.
Christian Erdmann: Da geht's schon los. :) EIN Song als "sein Selbstbildnis" - ? Ich
schlage das hier als Diskussionsgrundlage vor. :) "... someplace along the line Suze had also introduced me to the
poetry of French symbolist poet Arthur Rimbaud. That was a big deal, too. I
came across one of his letters called 'Je est un autre,' which translates into
"I is someone else". When I read those words the bells went off. It
made perfect sense. I wished someone would have mentioned that to me
earlier." (Dylan, Chronicles Vol.1) Edda Sörensen:
Sein "musikalisches" Selbstbild, Aljoscha -
oder kennst Du ein anderes seiner unzähligen Lieder, das ihn so präzise
portraitierte? Klar dass die Inspirationen geradezu auf seine blankpolierten :) Antennen niederregneten und ihm bei Dylan Thomas und natürlich erst recht mit Rimbaud die Lichter aufgingen und hinter neu aufgestossene Türen seines Wesens leuchteten, was ihn dann zu einigen abrupten Richtungswechseln seiner Art veranlasste - sehr zum Leidwesen der Fangemeinde, die ihn zu gerne schön ordentlich in einer Schublade aufbewahren wollte - und schwubbs di wubbs, schon war er ganz woanders :o)
Christian Erdmann:
Ja, ok. :) Shedding off one more layer of skin Keeping one step ahead of the persecutor within Dem eigenen inneren Verfolger immer einen Schritt voraus sein: eine gute
Maxime und sicher auch eine treffliche Selbstbeschreibung. Bedeutet aber auch,
daß man sich nicht auf "Jokerman" als Selbstbildnis reduzieren lassen
kann. Driften, Woanderssein als geradezu genetischer Grundzug: sich über alle
Erwartungen und Festschreibungen hinwegzusetzen, auch die eigenen. Deshalb
Rimbauds "Ich ist ein Anderer". In dem Interview mit Paul Gallo
Anfang der 90er, seinem ersten nach 10 Jahren, hielt er nicht mehr viel von
"Jokerman": "That's a song that got away from me. Lots of songs on that album [Infidels] got away
from me. They just did." Der Song scheint ihm offenbar im Nachhinein zu
konstruiert: "That could have been a good song. It could've been. ... It
probably didn't hold up for me because in my mind it had been written and
rewritten and written again." Und wenn man nur die Zeilen oben vergleicht mit dem Dylan von 1965 oder mit
der Art, wie elastisch Dylan-Anthropologie seit "Time Out Of Mind"
Song für Song ins Rollen kommt, ahnt man vielleicht, was er meint. :) river runner:
Guten Tag Frau Sörensen, da Sie ja fließend ausländisch
lesen können, habe ich Ihnen schon mal den -> Brief von Rimbaud rausgesucht, damit
Sie dem Künstler Aljoschka leichter Rede und Antwort stehen können, was Sie
sich da gerade für eine unbedachte Formulierung geleistet haben :-))
Frau Sörensen, das war nur ein kleiner Scherz, weil
Aljoscha doch leicht gereizt reagiert hatte. "Da geht's schon los. :) EIN
Song als "sein Selbstbildnis" - ?"
Ich habe mir inzwischen folgende Gedanken gemacht: Seine
Fans seit den 60ziger Jahren halten Bob Dylan für den größten Songwriter
unserer Zeit, seine Gegner sagen, er kann nicht singen und die Texte versteht
doch keiner. Die Bob Dylan-Fans sind als Kenner begeistert, wie er mit den
Masken des Jokerman spielt, und wie er als Prophet agiert.
Dann bekehrt sich Bob Dylan nach einem Motorradunfall zum Christentum und singt naive Lieder mit naiven Texten, wie z.B. "Property Of Jesus". (...)
Christian Erdmann:
"Aljoschka" ist hübsch, aber mir muß keiner Rede und Antwort
stehen. :)
"John Wesley Harding" ist für mich aber Ausdruck eines anderen
Zugangs zur Bibel als das, was Dylan in seiner "christlichen Phase"
treibt, mit gelegentlich zweifelhaftem künstlerischem Ergebnis. Zwischen dem
Motorradunfall und "Slow Train Coming" liegt mehr als ein Jahrzehnt,
und bis "Street Legal", 1978, ist Dylan noch mit einer ganz anderen
Verbindung von Persönlichem und Mythologischem zugange. Der Symbolismus des
Tarot zum Beispiel, auf dem Back-Cover von "Desire" war ja THE
EMPRESS abgebildet, in "Changing Of The Guards" von "Street
Legal" zieht sich der blasse Geist des Todes ergeben zurück "between
the King and the Queen of Swords". – Zwischen "Street Legal" und
"Time Out Of Mind" ist auffällig, was Dylan nicht auf seine offiziellen Veröffentlichungen steckte, z.B.
What can I say about Claudette? Ain't seen her since January She could be respectably married or running a whorehouse in Buenos Aires
Solche Reime auf solches Gepolter kriegt nur Dylan hin, selbst in seiner
christlichen Phase konnte er das nicht ganz verhindern, Arbeitshypothese 4b. :)
Edda Sörensen:
Völlig einverstanden - nach seiner fast tödlichen Krankheit und George Harrisons tragischem Tod erreichte er eine zutiefst menschliche Seelenebene, an der er uns mit "Time Out Of Mind" in bewundernswerter Aufrichtigkeit teilnehmen liess.
Christian Erdmann:
Wobei "Time Out Of Mind" allerdings schon fertig war, als Dylan '97
dem Tod von der Schippe sprang.
Die "Not dark yet, but getting there"-Atmosphäre, das Gefühl, daß
der Himmel bald dichtmacht, die Erkenntnis der eigenen Sterblichkeit, all das
steht sicher am Grund von "Time Out Of Mind". "Vieles auf dem
neuen Album ist nach Einbruch der Nacht entstanden. Ich mag Unwetter und bleibe
dann die ganze Nacht über auf. Und dann finde ich mich plötzlich in einer
seltsam meditativen Stimmung wieder, und als das beim letzten Mal passierte,
ist mir dieser Satz eingefallen, der nicht mehr aus meinem Kopf wollte: Und Du
arbeite, solange der Tag andauert, denn es wird die Nacht des Todes anbrechen,
wenn niemand mehr arbeiten wird." Aber der Sturzbach von Gedanken, mit dem
Dylan auf "Time Out Of Mind" durch dunkle, leere Straßen wandert,
beinhaltet auch Trotz und Zuversicht, und führt dann ja direkt zum Darktown
Strutters Ball von "Love & Theft". Nicht, daß Dylan seinen
Sturzbach da stoppen würde, aber der Putz ist auch dazu da, um auf ihn zu
hauen, panties sind dazu da, auch mal
über Bord zu fliegen, und Stil ist dazu da, um alles reinzuwerfen, von W.C.
Fields bis Donizettis "Don Pasquale", und als Crooner mit Pokerface
auch Shakespeare ein bißchen aufzumischen. Schließlich ist Dylan mit allen
persönlich bekannt, auch mit dem Mississippi Judge, der Charles Darwin tot oder
lebendig will. Oder den anderen. "Either one, I don't care".
Ich weiß nicht, wie gut die Übersetzung der "Chronicles" ins Deutsche
gelungen ist, aber wenn's geht, sowieso unbedingt das Original lesen. Wobei
Dylan sich gerade um "Zeitabläufe" da sehr wenig kümmert. Seine
Sprache hat den amerikanischen odd ramble-Rhythmus
eines Kerouac ohne Sentimentalität, eines Chandler mit weniger hard-boiled-Attitüde, mehr Staub auf den
Stiefeln und mehr freight train rattle
als backbeat, sein lakonischer Humor
ist ein Genuß, seine Beschreibungen können mit zwei, drei Pinselstrichen aus
dem singulären Dylan-Universum verblüffend genau sein, und er ist auch hier ein
Geschichtenerzähler vor dem Herrn. Wunderbar auch, wie Dylan über das (die)
schreiben kann, die er bewundert. Es stimmt auch nicht, was irgendwo anklang,
daß Dylan nur sehr wenig Persönliches preisgibt. Wenn man nun endlich
sensationelle Details etwa über sein Sexleben oder mystical sphinx Sara erwartet hat, ist man natürlich auf dem
falschen Dampfer. Für mich ist z.B. sensationell, was Dylan wann gelesen hat.
:) Dylans Kenntnisse sind, wie es sich für das wandelnde Orakel der Neuzeit
gehört, immens. Was er über Robert Johnson
(Du weißt schon: "Da Robert Johnsons Gitarrenspiel sich innerhalb
kurzer Zeit so stark verbessert hatte, erzählte man sich, er habe seine Seele
an den Teufel verkauft und sei von diesem im Gegenzug in die Geheimnisse des
Gitarrenspiels eingewiesen worden.")
zu sagen hat, war genau das, was noch über Robert Johnson gesagt werden
mußte. Und eine Sache, die er über Johnson sagt, gilt exakt so auch für ihn:
"John Hammond had told me that he thought Johnson had read Walt
Whitman. Maybe he did, but it doesn't clear up anything. I just couldn't
imagine how Johnson's mind could go in and out of so many places. He seems to
know about everything, he even throws in Confucius-like sayings whenever it
suits him. Neither forlorn or hopeless or shackled – nothing hinders him. As great
as the greats were, he goes one step further. Johnson is serious, like the
scorched earth."
Hier noch ein Beispiel für "zwei, drei Pinselstriche", es geht um
Daniel Lanois, den berühmten Produzenten, der für "Oh Mercy" im
Studio war:
"Lanois was a Yankee man, came from north of Toronto – snowshoe
country, abstract thinking. (...) One thing about Lanois that I liked is that
he didn't want to float on the surface. He didn't even want to swim. He wanted
to jump in and go deep. He wanted to marry a mermaid."
Und ein Beispiel dafür, wie Dylan aufnimmt und was er daraus macht:
"Harry Lorayne, however, was no match for Machiavelli. A few years
earlier, I'd read 'The Prince' and had liked it a lot. Most of what Machiavelli
said made sense, but certain things stick out wrong – like when he offers the
wisdom that it's better to be feared than loved, it kind of makes you wonder if
Machiavelli was thinking big. I know what he meant, but sometimes in life,
someone who is loved can inspire more fear than Machiavelli ever dreamed
of."
"Emma." nicht
gesehen, will change that. Die Farben, die Ausstattung, alles wirkt ein
bißchen, als wären diese Familiensitze eigentlich Tortenläden mit Figuren drin,
die alle slightly kandidelt wirken. Gorgeous. Miss Taylor-Joy hat ohnehin etwas
durchaus Unwirkliches. Bill Nighys leicht verwehte Schrulligkeit hochsympathisch.
"Innocence? Innocence. No? No." Sahen im Kino überhaupt nur einen Film dieses Jahr, unfaßbar. Das war
schon im Januar, "Where Does A Body End?", über die Swans, Zeitreise
mit Michael Gira, anwesend auch Alliierte wie Blixa Bargeld. Thor Harris: "Michael
ist not a fearless human, but he is a fearless artist." – "Hexenhaft
überschnappende Vocals": Anna von Hausswolff und ihre Schwester Maria.
"I got through hundreds of boxes of tissues." - "Oh, you cried, Sebastian?" – "Yeah. That too." I remember that. :) Andracks Amusement ansteckend, empfand ich auch so. Massiv fehlend, ja, man fängt sich ja zack ein phantasievolles "OK Boomer" ein, wenn man Böhmermann angestrengt und bemüht findet, den man ja als Nicht-Millennial sowieso gar nicht verstehen könne etc und bla, aber sorry, gegen Schmidt ist Böhmermann einfach langweilig.
Ah, der subversivste Club der Stadt, now. :) Sehr schön, die beiden LH-Songs. Nach einer Minute "Hard Drug" dachte ich, ist das jetzt ihr "The Top"? Ihr "The Head On The Door"? Im Sinne von: neue Texturen und Farben, größere Leinwand, Pop entdecken (wenn auch schwarzen)? Seele immer noch lustvoll im Darkroom freilich. Love "Your Pure Soul".
Besonders empörend, über neuerliches Nichtpassieren informiert zu werden, wenn man schon unterwegs zum Passieren ist. Ich fühle mit Mlle. Als man den x-ten Termin ausge-x-t hatte, war man geneigt, einfach eine Flatline durch den Kalender zu ziehen bis zum Jahresende. Aber noch fällt der Kopf durch Traummilchstraßen, im Sommer gab es auch andere voyages. Im August gelang uns, unter Umständen natürlich, eine Zugfahrt nach Hildesheim. Was zunächst unspektakulär klingt, tatsächlich fährt man aber ins UNESCO-Weltkulturerbe. Ich hatte einen Professor, Spezialist fürs Mittelalter, der sagte, "Es ist immer gut, nach Hildesheim zu fahren", das nahmen wir beim Wort schon damals, actually war es jetzt unser drittes Mal, aber das letzte Mal war in einem anderen Zeitalter. Schiefe Fachwerkhäuser, Gargoyles, tausendjähriger Rosenstock, Kreuzgänge, Bernwardtür, Domschatz, die Holzdecke von St Michaelis. Genius loci. Die Atmosphäre solcher Orte fühlen zu dürfen, ist systemrelevant. In meinem System.
Unternahm Dinge allein, haven't done that in ages. Lange Touren mit dem Rad, einmal, rechnete ich aus, war ich ungefähr 100 Kilometer an einem Tag gefahren, was sich wunderbar anfühlte, nach meiner Exhumierter Papst-Phase im Frühjahr, als ich wirklich krank war mit... whatever. The opportunity to take stock, wie Nick Cave sagt. Re-visioning things, ich glaube, das ist gerade meine Mission, von den 111 Lieblingsfilmen bis zum Verzeichnis der Schätze im Haupt-Gebäude aus "Das Haupt-Gebäude, die Baukunst des Bewußtseins, muß von unermeßlicher Größe sein."
Ray informierte mich im Sommer darüber, daß es in der Mediathek des Ersten eine Wim Wenders-Retrospektive zu sehen gibt, die wir dann hier auf Antirat exzessiv würdigten. War also auch ein Wenders-Sommer, in dem ich von langen Exkursionen zurückkam, auf meinem Bett lag mit einer Ladung Walnuß-Eis und Werner Herzogs Befehl Folge leistete: "Schau dir Wims Filme an, du Depp!"
Und dann mußte ich, sinnlos wie es ist, in die Kommentarsektion der "Abgehört"-Rubrik des SPIEGEL schreiben: "Der NME nennt 'We Are Chaos', durchaus repräsentativ, Mansons bestes Album seit 'Holy Wood'. Diese 'Rezension' ohne jegliches Gespür - oder gar Interesse - für diesen wichtigen Moment in Mansons Karriere läßt einmal mehr befürchten, daß die SPON-Kulturabteilung langsam TAZ-Niveau erreicht." – Never felt so touched by what he did. Noch nie war die Musik bei Manson, dank Shooter Jennings, dank David Bowie, so haunted. Die Musik selbst bewegt sich durch das Dunkel auf Heiliges zu. "Diamond Dogs" ist, meine ich, für Manson das allerwichtigste Bowie-Album. "Half-Way & One Step Forward" ist gerade das Stück, das mir ein Triptychon malt. Leonard Cohen-Hommage in den Lyrics untergebracht auch.
Ach, Weihnachtslied ist jedes, das wir dazu machen! Aber hier sind die Raveonettes mit ihrem ersten Song nach längerer Auszeit. From the isle of distant dreams. :)
"Was wird jetzt geschehen?"
"Ich weiß es nicht, Aljoscha."
"Warum wird es geschehen?"
"Wer weiß, nach welchen Mustern sich Verbindungen knüpfen."
Das Lied ohne Worte hieß Memory Gongs.
R.I.P.
Harold Budd
Steve Priest
Himmel über Berlin, so so good. So groß. Und Mr Cave mittendrin, more Punk than ever. Das ist sehr schön, wie die Raveonettes den Snowstorm herbeizusingen sich bemühen. Hätte ich auch gern. Sah kürzlich, schon im Advent, eine Frau Holle, schlecht umgesetzt, aber die Botschaft, dass der Schnee sich über alles legt, was die Menschen umtreibt, und Ruhe einkehrt, die Natur sich ausruht, war so einleuchtend und passend. Dann noch die Sweet im Dauersilvesterpartyglitzermodus. Herrlich. Thank you for that trip!
Now, where do I begin? Diese Woche fing mit hard shopping an und endet mit einem Corona-Fall auf meiner Station. Nightshift actually. Habe nichts dagegen, dass die Läden geschlossen sind. Es ist merkwürdig, wie man sich an Dinge gewöhnen kann. Ohnehin auch Vorteile in all dem, wie schon gesagt. Aber dass die Fälle immer näher kommen, sogar sehr nah, beunruhigt schon. Ich möchte das Virus nicht haben. Und ich möchte auch nicht, dass liebe Kollegen es bekommen, da sie unmittelbar Risikogruppe sind. Und das macht dann doch Angst, dass jemand daran sterben könnte, der hier fehlen würde. Es ist so unberechenbar geworden, schien immer weit weg. Nun doch näher gerückt. Zeitgleich schickt ein Familienangehöriger ständig ungefragt irgendwelches Leugnungsmaterial, angeblich "Fakten", was ich zynisch finde. Ja, dann fiel eben irgendwo eine Krankenschwester in Ohnmacht, nachdem sie geimpft wurde. Aber was bedeutet das denn? Nichts. Es ist nicht bekannt, wer sie ist, gesund, krank, hysterisch, gekauft. Und ganz zufällig hielt jemand die Handykamera drauf? Ach was. Es ist einfach nicht mehr zu glauben, wie Menschen sich in etwas reinsteigern können. Mir wäre grad nach einer Impfung. Wenn sie zumindest die schweren Verläufe abfängt, ist schon sehr viel gewonnen. Das dauernde Masketragen, 8 Stunden am Tag, das ermüdet. Am Ende des Tages merken wir alle den Sauerstoffmangel. Jetzt auch noch die dickeren Kaffeefilter. Noch weniger O², noch gedämpfteres Sprechen. Es ist schon soweit, dass ich mich erschrecke, wenn ich ohne Maske aus dem Haus gehe. Mich erst erinnern muss, dass ich im eigenen Hausflur noch keine tragen muss. Als wäre ich ohne Mantel auf dem Weg nach draußen. Und abends spürt man das Ding noch, auch wenn es schon längst in der Ecke liegt. Natürlich ist das auch nur Befindlichkeit. Uns geht es hier trotzdem noch gut. Es wäre nur schön, wenn es irgendwann enden würde. So, kurzer Ausflug in die reale Welt, dies sollte antirationalistisches Adventssingen werden.
Sie haben so wunderschöne Musik vorgestellt, ich kann da kaum noch mithalten. Versuche es trotzdem. Vorab jetzt mal ein veritables Weihnachtslied. Wie jung die da waren. Hatten wir schon irgendwo, aber kann man noch mal hören.
Erinnere mich in diesen Tagen gern an den wilden Londontrip 2014, als das Hammersmith Apollo drei Tage vor Weihnachten absolut packed war, wir mittendrin, Robert in absolut bester Laune. Nothing more christmassy here. Besuchten letzten Sonntag meinen lieben, übrig gebliebenen Onkel. Er zitierte Jean Paul, "Die Erinnerung ist das einzige Paradies, aus dem wir nicht vertrieben werden." Schön. Übermorgen vor 6 Jahren.
Empty World - Highlight an diesem Abend und sowieso. Habe dieses Jahr angefangen, Nintendo zu spielen. Can you imagine that? :) Mademoiselle liebt das Spiel seit Jahren, welches die Frau Maiglocke bewirbt. Dieses Jahr kam im März die neueste Version raus. Nicht eben ein besonders tiefsinniges Unterfangen, aber gerade richtig, um dieses Jahr zu überleben. Whatever gets you through. Meine Insel heißt "Empty World".
Ja, "Sci-Fi Sky" ist vermutlich das "Head On The Door" Album von LH. Erlebe gern die Entwicklung mit. Und im ersten Song der Platte finden die Helden gar Erwähnung.
Monday morning, listening to The Cure
Living on the edge
Driving at a Velocity of Steve McQueen
You're always living on the edge
Angst, German Angst
Always think of what's to come
Angst, German Angst
Surprises are so much fun
Angst
100 km mit dem Rad an einem Tag, das ist schon eine ordentliche Tour. Bin vor vielen Jahren mal von Passau nach Wien mit dem Rad. Sie kennen ja den schönsten Abschnitt da in der Wachau. Maximum waren damals, glaube ich, 70 km an einem Tag. Jedenfalls neige ich auf längeren Radstrecken zum Singen. Habe dieses Jahr Wochen gebraucht, dieses Ding auswendig zu lernen. Musste in Dauerschleife laufen, immer zur Klinik hin und zurück. Herrlich dystopischer Text.
Haben wir eigentlich schon über Mrs. Maisel gesprochen? Marvelous Mrs. Maisel ist eine Amazon Prime Serie. Eine wirklich gute. Spielt in jewish New York. Enthält ebenso traumhafte Ausstattung, tortenbunt, stilvoll, funny.
Ah yes, eine ruhegebietende
Schneedecke über Irrungen und Wirrungen please. Nächtlicher Nachhauseweg durch
Eiskanäle. Und überhaupt Pferdeschlitten auf dem Newski-Prospekt. Zu
Dostojewskis Zeit natürlich. Vor St Markus immerhin der Baum doch voller
Sterne, wie ich sah.
Leugnungsmaterial, sehr
schönes Wort. Zu "Fakten" umgeprägt, an jeder Ecke mittlerweile Falschmünzen
erhältlich, "Facts are useless in emergencies", konstatierten einst
die Talking Heads. Melde mich aus my own Disaster Area, aka meine Wohnung,
fünfter Tag der kompletten Neugestaltung im Bad, Kacheln in slightly off-white
und schwarze Fliesen, die heutige 2-Mann-Brigade hustet sich ziemlich furchterregend
seit 8 Uhr morgens durchs Idiotenzauberberg-Neorenaissanceschlößchen. Ich will
nicht paranoid sein und hoffe auf nichtcoronainduzierte Symptomatik, but you're
right, die Gefahr wird von Tag zu Tag weniger abstrakt. Ein paar Atemzüge
nebenan, und mein Leben könnte am seidenen Faden hängen. Killer-Aerosole
stellen sich nicht vor. Rechne nicht mit einer Impfung vor dem Sommer, Sie
dürften hoffentlich deutlich früher dran sein? Präsenz auf einer Station sollte
doch wohl hohe Priorität haben.
Ja, die Maskentragerei und –fastvergesserei nervt.
Durch den Kindergarten bin ich mit Einwegmasken ganz gut versorgt, und ich habe
mittlerweile auch immer eine von Madame selbstgenähte in Schwarz dabei. Aber
man wird erst jetzt so recht gewahr, wie oft man, actually, Menschen umarmt
hat, oder berührt, und ich bin tatsächlich auch jemand, der die Leute einfach
ziemlich oft anlächelt. Vielleicht, weil
ich sonst eher unheimlich auf sie wirke. :) [SCENE MISSING in "Aljoscha
der Idiot": Leda, Sonja und Aljoscha wandern durch das Bergdorf
Bucchianico, Aljoscha zu Sonja: "Die Menschen schauen mich schon seltsam an hier." – Sonja:
"Sie denken, du hast den bösen Blick."] Interaktion, die im Kaffeefilter
hängenbleibt. Mhm, dachte anfangs, es wäre so eine Eigentümlichkeit bei mir,
die Maske noch zu spüren, wenn sie gar nicht mehr da ist. Phantombemaskung. :)
Dita von Teese hat unüberraschenderweise -> eine entzückende Maske im Angebot,
aber für Erstmal zu Penny ist man
damit sicher overdressed.
Apropos Masken: meow.
Siouxsie & The Banshees incl. Robert Smith – so sweet. Man möchte allen um den Hals fallen, wenn auch aus verschiedenen Gründen. One fine day the planet crumbled, just cos someone sneezed. For this, we waited just a lifetime. Große und erschreckende Poesie da. Ein Stück von den Legendary Pink Dots, das ich sehr liebe, ist "Disturbance". Auch ein großartiger Text.
We ride on the avalanche we climb the melting red rungs of the ladder that leads high to a darkening moon. We're the watchers of disaster, we're the dancers on your tomb. We're the invisible invaders of your privacy... your dreams. We're the spectres on your screens. We murmur sweet transparent lunacy on hot oppressive nights - you shine a light and you will see... just a shadow.
No, never seen Mrs Maisel, thanks for introducing me! Klingt verlockend und sieht auch so aus. Jewish and sharp, ich war ja großer Fan von Fran Drescher aka "The Nanny", nicht vergleichbar, aber schon da ließ the woman den männlichen Part ziemlich blaß aussehen. :) "Nanny Fine", oder "Franny Nine", wie die ebenfalls ziemlich umwerfende C.C. Babcock sich einmal absichtlich oder unabsichtlich verspricht. Schön war, "Gracie" völlig unerwartet wiederzusehen in "Twin Peaks", 2017. In einer der schaurigsten Szenen gleich am Anfang. (Falls interessiert: New York Glass Box).
The Cure, ist das wirklich schon 6 Jahre her? Ihr Bericht noch so präsent, jetzt, da ich die Songs höre. Nein, Nintendo kann ich mir bei Ihnen schwer vorstellen :). Aber ich konnte mir auch nicht vorstellen, daß einer meiner Songs des Jahres mal von Taylor Swift käme. Sie hat den Lockdown offensichtlich für einen radikalen Kurswechsel genutzt, ihr "Folkrock"-Album aus dem Nichts veröffentlicht und soeben noch "Evermore" nachgeschoben. Und nun ist sie als die erstaunliche Songschreiberin richtig gut erkennbar, die sie offenbar schon immer war, und in vielen Jahresbestenlisten hat sie ihren Platz neben Bob Dylan. In ihrer Taylor Swift-Erscheinung fand ich Taylor Swift freilich schon immer ziemlich hinreißend (schöne Szene bei Graham Norton, als sie und Sophie Turner sich begrüßen und dabei alle männlichen Anwesenden turmhoch überragen), aber dieses Stück hier finde ich atemberaubend. Der erste Teil handelt wohl von ihrem grandfather als Soldat im WW2. Dann sind wir plötzlich in der Gegenwart, bei den Menschen, die wir jetzt verlieren. In der Kunst herrscht noch große Sprachlosigkeit, und ausgerechnet Taylor Swift hat Bilder von großer Unmittelbarkeit gefunden, die unter die Haut gehen. Und sie singt einfach ziemlich klasse, ich mag ihre Stimme. Bei der in diesem Jahr ebenfalls so hochgelobten Fiona Apple bekomme ich schnell Kopfweh. Auch bei so von sich selbst ergriffenem Gezirpe. Darum empfinde ich auch die Stimme von Larissa Iceglass als so angenehm, die Tonlage hört man ja kaum noch. Stella Sommer maybe, bei "Die Kälte" verfiel ich in den "Oh, huch, Nico reloaded"-Reflex, jedenfalls hat sie meine ganze Sympathie, die einladende Weltabgewandtheit unterschied sich sehr wohltuend vom pseudogefühligen Sonstso.
Jedenfalls, von jedem Song auf "Folkrock" gibt es noch die "Long Pond Studio Sessions"-Fassung, die manchmal gar noch besser ist. Hier sind beide Versionen von "Epiphany".
P.S.
R. I. P.
Diana Rigg
"The Avengers", das sind für mich John Steed und Emma
Peel. Andere sind mir nicht bekannt. Weibliche Selbstermächtigung lange, bevor
das ein Begriff war. Danke, Diana Rigg, daß ich mir soviel schenken konnte. My
favourite Superheldin, goodbye.
Ennio Morricone
Dear, I hope you're
ok. Dann werde ich das diesjährige Adventssingen ins Blaue hinein
zuendebringen. Noch zu "Epiphany". Der Song hat noch eine andere
Dimension für mich. "Crawling up the beaches now". Dann das
plötzliche "Sir, I think he's bleeding out". Dann nur noch "And
some things you just can't speak about."
Mein Vater war
Anfang 50, als ich zur Welt kam. Er hatte einen jüngeren Bruder, den er sehr
liebte. Sein Name war Arthur. Arthur wurde kurz vor dem D-Day an die
Atlantikküste geschickt. Aber dort in der unübersichtlichen Lage ist er einfach
verschwunden. Niemand konnte sich später an ihn erinnern. Irgendwo sofort nach
seiner Ankunft in der Normandie gefallen, das ist sicher die wahrscheinlichste
Version, auch wenn mein Vater eine andere Möglichkeit wohl nie ausschloß. Crawling up the beaches now, so habe ich
ihn immer gesehen. Arthur liebte die Künste, und die Damen liebten ihn. Das
erzählte mir mein Vater, aber er konnte nicht wirklich über seinen Bruder sprechen.
Er hat mir nur einmal gesagt, daß ich große Ähnlichkeit mit Arthur hätte. Ich
weiß es nicht, ich habe nur ein Foto von den beiden Jungen mit ihrer Mutter, da
ist Arthur 6 Jahre alt oder so. In meiner Vorstellung war Arthur nicht ganz von
dieser Welt, und darum schon gar nicht gemacht für einen Krieg, aus dem er dann
folgerichtig einfach entschwand. Wohin, God only knows. Oder die Mother of Muses. Noch ein Song von
Gesetzestafel # 1.
Mother
of Muses, sing for me
Sing of the mountains and the deep dark sea
Sing of the lakes and the nymphs of the forest
Sing your hearts out, all your women of the chorus
Sing of honor and fate and of glory be
Mother of Muses, sing for me
Mother of Muses, sing for my heart
Sing of a love too soon to depart
Sing of the heroes who stood alone
Whose names are engraved on tablets of stone
Who struggled with pain, so the world could go free
Mother of Muses, sing for me
I'm falling in love with Calliope
She don't belong to anyone, why not give her to me?
She's speaking to me, speaking with her eyes
I've grown so tired of chasing lies
Mother of Muses, wherever you are
I've already outlived my life by far
Take me to the river, release your charms
Let me lay down a while in your sweet, loving arms
Wake me, shake me, free me from sin
Make me invisible, like the wind
Got a mind to ramble, got a mind to roam
I'm travelin' light and I'm a-slow coming home
Zu einer Sequenz in
einem meiner 111 Lieblingsfilme
läuft ja dieser Song der
Carpenters, deren Zuckersüße natürlich ultraschnell überdosiert ist, aber ich
wünsche uns nach diesem vermaledeiten Jahr, daß wir es irgendwie dahin zurück
schaffen – Destination Top Of The World also. "What sorcery is this?
Reveal yourself, tiny songstress!"
Und natürlich
hatten wir diesen Song schon, aber er muß schon deshalb in dieses
Adventssingen, weil die Political Correctness schon wieder Amok läuft. Nick
Cave findet die Worte dafür. Bald gibt es einen Film über Shane MacGowan zu
sehen, den Johnny Depp produziert hat.
What is your view
on the BBC decision on censorship of certain words in Fairytale of New York
this Christmas? – Joseph, The Hague, Holland
What is your view
on the BBC 'amendments' to Fairytale of New York? – Roy, Linlithgow, Scotland
Dear Joseph and Roy,
Truly great songs that are as emotionally powerful
as Fairytale of New York are very rare indeed. Fairytale is a
lyrical high wire act of dizzying scope and potency, and it rightly takes its
place as the greatest Christmas song ever written. It stands shoulder to
shoulder with any great song, from any time, not just for its
sheer audacity, or its deep empathy, but for its astonishing technical
brilliance.
One of the many reasons this song is so loved is
that, beyond almost any other song I can think of, it speaks with such profound
compassion to the marginalised and the dispossessed. With one of the greatest
opening lines ever written, the lyrics and the vocal performance emanate from
deep inside the lived experience itself, existing within the very bones of the
song. It never looks down on its protagonists. It does not patronise, but
speaks its truth, clear and unadorned. It is a magnificent gift to the outcast,
the unlucky and the broken-hearted. We empathise with the plight of the two
fractious characters, who live their lonely, desperate lives against all that
Christmas promises — home and hearth, cheer, bounty and goodwill. It is as real
a piece of lyric writing as I have ever heard, and I have always felt it a
great privilege to be close friends with its creator, Shane MacGowan.
Now, once again, Fairytale is under attack.
The idea that a word, or a line, in a song can simply be changed for another
and not do it significant damage is a notion that can only be upheld by those
that know nothing about the fragile nature of songwriting. The changing of the
word ‘faggot’ for the nonsense word ‘haggard’ destroys the song by deflating it
right at its essential and most reckless moment, stripping it of its value. It
becomes a song that has been tampered with, compromised, tamed, and neutered
and can no longer be called a great song. It is a song that has lost its truth,
its honour and integrity — a song that has knelt down and allowed the BBC to do
its grim and sticky business.
I am in no position to comment on how offensive the
word ‘faggot’ is to some people, particularly to the young — it may be deeply
offensive, I don’t know, in which case Radio 1 should have made the decision to
simply ban the song, and allow it to retain its outlaw spirit and its dignity.
In the end, I feel sorry for Fairytale, a
song so gloriously problematic, as great works of art so often are, performed
by one of the most scurrilous and seditious bands of our time, whose best shows
were so completely and triumphantly out of order, they had to be seen to
believed.
Yet, time and time again the integrity of this
magnificent song is tested. The BBC, that gatekeeper of our brittle
sensibilities, forever acting in our best interests, continue to mutilate an
artefact of immense cultural value and in doing so takes something from us this
Christmas, impossible to measure or replace. On and on it goes, and we are all
the less for it.
Love, Nick
Und damit wünsche ich Ihnen ein trotz allem
bezauberndes Fest – bedauerlich wenig Zeit war uns vergönnt, aber es war mehr
als eine Wohltat, es war Rückkehr zum Essentiellen. And that's what lies ahead
of us anyway. Hiermit mußten Sie natürlich rechnen, seit Sie Bill Nighy ins
Spiel brachten. :) Merry Christmas, Dear.
Dearest, I am so sorry. Ich hatte noch nicht einmal die Zeit, mir all das Gute ab ungefähr Taylor Extremely Swift zu Gemüte zu führen. Obwohl ich so wenige Menschen kenne und eigentlich nur meinem Job nachgehe, blieb mir in den letzten Tagen so gut wie keine einsame Minute. Abends erschöpft vom Sofa aus ins Bett, welches ohnehin dasselbe ist. Na gut, schlug mich auch mit Erkältung herum, irgendwie schwingt dann doch auch die Sorge mit, es könnte ja.. Ist aber nicht. Trotzdem weiter arbeiten. Sfz. Erst jetzt liegen vier freie Tage vor mir und ich werde die Ruhe - hopefully - nutzen, um nachzuarbeiten. Besetzung auf der Station wackelig. Vielleicht lässt sich ein Neujahrskonzert hier veranstalten, um das hoffentlich gute Neue Jahr angemessen zu begrüßen?
Die Geschichte vom Bruder Ihres Vaters ist so traurig und zugleich auch so warmherzig. Eine Verbindung zur Vergangenheit und zu denen, die nicht mehr bei uns sind. Ihr Onkel ist immer dann bei Ihnen, wenn Sie an ihn denken. Victor Hugo sagte doch so etwas, wie "Du bist nicht mehr da, wo du warst, aber du bist überall, wo wir sind."
Kleiner Lichtblick waren die beiden Cameos des Masters directly from the Studio im eigenen Keller vermutlich. Barfuß und angemessen weird. Mind you, das zweite Video habe ich auch noch nicht mal angeschaut.
Dear, ich wünsche Ihnen auch frohe und gesunde Weihnachtstage! Feiern Sie ein Fest, das der Lage angemessen ist. Singen Sie, tanzen Sie. Haben Sie Dank für Ihre Geduld und Zuversicht. Schließen wir mit unserem Freund Joolz, the beautiful London Christmas lights und ein wenig lightheadedness.