10.11.2007
Die Schönheit und Gewalt von Joy Division, fast unmöglich
zu beschreiben. Ein Klang und eine Stimme, die aus tintiger Schwärze kommen, um
"New Wave" auf die Ebene der griechischen Tragödie zu heben.
Wahrscheinlich wird keine andere Band jemals diese kalte, scharfe Trauer
berühren und vermitteln, diese Momente erschaffen, bei denen du plötzlich in
Tränen ausbrichst. Das hat für mich nichts mit "Schwarzkitteltum" zu
tun, das ist so große Kunst wie Dante oder Michelangelo, die 80er sind ein
musikalisch immer noch völlig falsch eingeschätztes Jahrzehnt. Die nächste
Wiederentdeckung ist dann hoffentlich Bauhaus – die Songs sind zeitlos spannend
und aufregend, man staunt einfach nur über den musikalischen Wagemut, das Ganze
ist natürlich viel "artistischer" als Joy Division, filmischer, mehr
Artaud'schem Wahnsinn verpflichtet, das Verblüffende aber: sie wirken immer noch innovativ.
So sehr ich manche Metal-Sachen liebe: gegen die Songs dieser beiden Bands,
allesamt scharf wie Messer in deiner Psyche, wirken die Black- oder
Death-Metal-Geschichten auf mich ein bißchen wie die Fahrt durch die
Kindergeisterbahn.
23.01.2008
Wenn man Curtis auf "Isolation" hört, das Album
dann mit "Heart And Soul" in Geisterhaftigkeit abdriftet, der ewige
Kampf dieses 23jährigen schließlich in der bleakness von "The
Eternal" und "Decades" endet, wenn man versucht, sich die
"Stroszek" / Iggy Pop "The Idiot"-Nacht vorzustellen: noch
immer gibt es in der Musik wenig, was so unter die Haut geht wie
"Closer", zwei Monate vor dem Suizid aufgenommen, posthum
veröffentlicht.
Corbijn hätte viel falsch machen können, aber er hat
alles richtig gemacht, angefangen mit der Besetzung. Sam Riley ist
großartig.
Die beiden unberührbaren Monolithen "Love Will Tear
Us Apart" und "Atmosphere" verbleiben im Original, aber wie
Riley "Dead Souls" singt, verursacht Gänsehaut. Auf der Bühne ist er
wie eine bewegte Montage aus allen Bildern, die man je von Ian Curtis sah. Das Haus in der Barton Street. Es hatte immer etwas Seltsames, daß gleich zwei
der Originalmusen, die Muse der rätselhaftesten Schönheit von Songlyrics und
die Muse der unausweichlichen Tragödie, in diesem Macclesfield Lower Middle
Class-Bau hausten, in diesem Schauplatz der verzweifelten Sehnsucht einer
jungen Frau nach dem kleinen Glück mit den schrecklichen Gardinen und der
schrecklichen Vase auf der schrecklichen Kommode, und doch war es aufgehoben in
der Unmöglichkeit, ein Joy Division-Stück zu beschreiben: Schauplatz der
Nichtkommunizierbarkeit. Eine der bewegendsten Szenen: wie Riley / Curtis nur
schweigend den Kopf senken kann vor Debbies Tränen: "Who's Annik? How long
have you been seeing her? Answer me, Ian! Don't ignore me! I don't deserve this...
I don't deserve this...". Nur in der Einsamkeit der Kunst
war die Antwort möglich: "Atmosphere".
Corbijn war behutsam genug: Annäherung gelungen, das Enigma bleibt.
10.08.2010
BUT IF YOU COULD JUST SEE THE BEAUTY aus "Isolation" ist wahrscheinlich der Ian Curtis-Satz, der mir immer schon am heftigsten das Herz zerriß, beim Wiedersehen von "Control" fiel mir auf, wie auch Corbijn diesen Satz, diese Strophe besonders hervorhebt. These things I could never describe. Poetry, sein Traum, wie Rosen in dieser bleakness, weil es sonst keine Verständigung gab, du kannst nur an diesem Ort, der keiner ist, beschreiben, was wirklich ist und was du bist, das ist das tödliche Paradoxon. Auch wieder gedacht, wie neben Joy Division so vieles, was mit Abstieg in Dunkelheit spielt, Kindercartoon wird.
BUT IF YOU COULD JUST SEE THE BEAUTY aus "Isolation" ist wahrscheinlich der Ian Curtis-Satz, der mir immer schon am heftigsten das Herz zerriß, beim Wiedersehen von "Control" fiel mir auf, wie auch Corbijn diesen Satz, diese Strophe besonders hervorhebt. These things I could never describe. Poetry, sein Traum, wie Rosen in dieser bleakness, weil es sonst keine Verständigung gab, du kannst nur an diesem Ort, der keiner ist, beschreiben, was wirklich ist und was du bist, das ist das tödliche Paradoxon. Auch wieder gedacht, wie neben Joy Division so vieles, was mit Abstieg in Dunkelheit spielt, Kindercartoon wird.
Womit ich nichts gegen Kindercartoons gesagt haben will. Oder gegen Cartoons überhaupt. "Wer am St. Nimmerleinstag in die Gewalt einer Hexe gerät, die ihn nur gegen Lösegeld freigeben will, hat das Recht, einen zweiten Vorschlag zu verlangen, wenn ihm der erste nicht entspricht." (Dagobert Duck / Der goldene Eisberg). Was aber, wenn einem die Hexe entspricht?