Dienstag, 6. Oktober 2015

The Sweet













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06.10.2011, 19:58 von Aljoscha der Idiot
 
Gestern hätte Brian Connolly Geburtstag gehabt, der 1997 verstorbene Sänger von The Sweet, die eigentlich eine ziemlich versierte Band waren, und auch von den richtigen Leuten geschätzt: im "Ten Inches Of Hell Mix" von "Shadow Of Love" übernehmen The Damned den berühmten Drumbeat von "Ballroom Blitz" 1:1. Connolly war eine der tragischsten Figuren des Pop überhaupt: mit 18 erfuhr "Snowball" (sein Spitzname als Junge), daß er er ein uneheliches Adoptivkind war, daß die Menschen, die er für seine Eltern gehalten hatte, Pflegeeltern waren. 1974, als The Sweet ziemlich auf dem Höhepunkt waren, wurde Connolly von ein paar Typen zusammengeschlagen, die dabei nicht nur seinen Hals schwer verletzten; Steve Priest: "Brian was becoming ill and it was not just the booze. He never recovered from the kicking he had to his throat ... He had lost his self esteem and confidence." Wegen seiner Alkoholprobleme von Andy Scott dann mehr oder weniger aus der Band geworfen; 1981 14 (!) Herzstillstände, bleibende Schäden, ein Jahr vor seinem Tod eine "Doku" auf Channel 4, die ihm nicht gerecht wurde, und die ihm wohl schwer zusetzte, Ende in einer schäbigen Sozialwohnung. Einer, der nur selten lächeln konnte und dem zigmal das Herz gebrochen wurde.

Bis "Wig Wam Bam" waren auf den Sweet-Singles die von Chinn/Chapman engagierten Studiomusiker zu hören, alle Vocalparts aber stammten von Anfang an von Connolly, Scott, Priest und Tucker selbst, allesamt sehr gute Sänger in allen möglichen Tonlagen.

R.I.P. Connolly, danke für die coole Teenagerzeit.






The Lone Ranger, auf sich allein gestellt, an dem Nachmittag, als ich zu diesem gigantischen Supermarkt called Hanse SB ging und "Desolation Boulevard" nach Hause trug, quasi in das Innenfutter meiner Jacke eingenäht: The Sweet zu mögen war nicht cool in meiner Klasse. Dabei fand ich sie schon seit "Co-Co" faszinierend. Brian Connollys feather cut hätte ich auch bei einem Mädchen zuckersüß gefunden, und er hatte eine, mir fällt gerade kein anderes Wort ein, schöne Stimme. Connolly, Priest und Tucker noch ohne Andy Scott, 1968:
 






1969:
 
 
 





Die Evolution der Band und ihren ewigen Kampf um Anerkennung innigst zu verfolgen, war Ehren-, aber Geheimsache. "Desolation Boulevard" auf meinem Plattenspieler war ein Statement, das niemand sah oder hörte, aber es gibt Statements, die niemand sehen oder hören muß. The Sweet wurden belächelt von, blimey, "ernsthaften" Musikern und bespöttelt vom Blödmannsgehilfen next door, bis Pete Townshend kam und ihre B-Seiten rühmte. "Block Buster" hatte praktisch dasselbe opening riff wie Bowies "The Jean Genie", alle Beteiligten erklären aber, das sei bloßer Zufall gewesen. "The Ballroom Blitz" wurde später von The Damned gecovert, mit Lemmy am Bass, "Set Me Free" von "Sweet Fanny Adams" klingt wie eine Blaupause für Motörhead-Songs. Auf "Sweet Fanny Adams" und "Desolation Boulevard", beide von 1974, schimmern Einflüsse wie Deep Purple, Led Zeppelin oder The Who gern sehr deutlich durch, manchmal hört man die Vier trying too hard im Beweisen-was-sie-können (Schlagzeugsolo auf "Man With The Golden Arm", dabei ist Mick Tucker einfach auf jedem Song schlicht brillant), wessen Gitarrenspiel eigentlich wen beeinflußte (Andy Scott - Brian May), ist ohnehin nur mit Würfeln zu entscheiden, der extrem hohe, vielstimmige Backgroundgesang war jedenfalls Markenzeichen von The Sweet, bevor Queen zum Höhenflug ansetzten. Was die Band auf den Alben veranstaltete, bewies nur auf andere Weise, was man auf ihrer wahnwitzigen Reihe von Hitsingles schon hören konnte: außergewöhnliche Energie, jederzeit in der Lage, Songs wie rasende Züge klingen zu lassen, die niemand mehr anhalten kann oder will, und dabei tight as hell.

Eine halbe Stunde auf dem "Official Sweet Channel", mit den TV-Auftritten für "Block Buster", "Hell Raiser", "The Ballroom Blitz" oder "Teenage Rampage", meinetwegen auch "Wig Wam Bam", und man könnte auf dumme Gedanken kommen: daß Gesellschaften, die sich noch nicht Spaßgesellschaften nannten, mehr Spaß hatten, oder warum heuer soviel Konformismus ist im Anything Goes. Belebendes Elixier jedenfalls, it never gets old, mitanzusehen, wie The Sweet aber auch jedem Faß den Boden ausschlagen.
 
"Action" wurde von den Scorpions, damals hießen sie noch The Hunters, zu "Wenn es richtig losgeht" eingedeutscht. Man kann diese Version auf youtube hören und wünscht sich danach, daß das Internet zumacht.






 
The Ballroom Blitz: "This song was inspired by an incident on 27 January 1973 when the band was performing at the Grand Hall in Kilmarnock, Scotland and were driven offstage by a barrage of bottles."

"At one show in Kilmarnock in early 1973, with Block Buster at No 1 in the charts, Sweet received trouble from both sexes. The men spat at them from balconies above the stage, and the women screamed so loudly they drowned out the music."

Und dann mußten The Sweet das wichtigste Konzert ihrer Karriere absagen, weil es zu jenem folgenschweren Vorfall kam, bei dem Brian Connolly mehr verlor als nur seine Stimme. The Sweet hatten The Who immer verehrt, live spielten sie Songs von The Who seit Jahren, "My Generation" landete schließlich auf "Desolation Boulevard". Und nun hatte Pete Townshend sie eingeladen als Support für The Who im Juni 1974 im Stadion von Charlton Athletic.

"But in early 1974, in the midst of session for a new album that was to showcase a harder rock direction, came the incident that changed everything. Connolly was beaten up outside a pub in Staines, Surrey. Scott says Connolly was trying to protect his Mercedes from a couple of local vandals. Priest's version is much more sinister. Connolly's car was tailed by persons unknown who waited until he stopped at the pub to buy cigarettes. "It was a set-up job," Priest says. "He'd annoyed someone. There were three guys attacking him and one of them kicked him in the throat. Brian heard him say, 'That should do the job.' The only one who knows the truth is an ex-roadie of ours, and he won't tell."
The assault on Connolly changed the destiny of Sweet. As well as damaging his vocal cords, it shattered his confidence and he began drinking heavily."

Die Band hält den Vorfall damals geheim, Connollys Auszeit wird mit schwerer Halsentzündung erklärt. Für einige Songs auf "Sweet Fanny Adams" übernehmen Andy Scott bzw. Steve Priest die Lead Vocals, erst nach sechs Monaten ist Connolly wieder zu Live-Auftritten in der Lage, "with band and critics noting a rougher edge to his voice and a reduced range."

Von Anfang an schien da eine seltsame Traurigkeit in Brian Connollys Gesicht, und nun bricht sie sich Bahn. Gott weiß, was er erlitt bis zu seinem Tod 1997 - ein geringerer Mann hätte früher aufgegeben. Er starb, bevor das Internet ihm zeigen konnte, wie sehr er geliebt wurde.

Ceterum censeo - brillante Band, unterschätzt.

Auf "Sweet Fanny Adams" gibt es den Song "Sweet F.A." - was soviel bedeutet wie "nothing at all" oder "fuck all". [Die gruselige Geschichte der bedauernswerten Fanny Adams nebst Entstehung der Redewendung: -> hier].

Mein liebster Song auf "Desolation Boulevard" war und ist "Medus[s]a", eine Andy Scott-Komposition, weird und bizarr. Connollys Gesang halb aus einer anderen Welt, halb besessen vom Geist der Songs von The Who circa 1967. Was mich killt, ist dieses "Yes" in "Yes. Are you coming to see me?". Mysteriösestes yes ever. Wie Antwort vor Frage. Und am Ende von Scotts Gitarrensolo gleich zweimal: "Yes / Yes / Are you coming to see me?" Scheinbar random, dieses Yes, aber so artikuliert sich die Medusa eben.