SPIEGEL
ONLINE Forum: Lieblingsfilme - Was ist "großes Kino"?
08.03.2007
Psychotest:
liebste Femme Fatale in einem Film Noir? Bei mir wäre das vermutlich Jane Greer
als Kathie Moffat in "Out Of The Past" von Jacques Tourneur, mit
Robert Mitchum.
Gwynplaine:
Ähh... ich hätte das
jetzt auch geraten, bei Deinem Faible für Tourneur's Werk ;-) Den Film habe
ich erst kürzlich bei arte wieder gesehen, und der ist natürlich klasse, obwohl
ich mit Grinse-Kirk immer ein bißchen meine Probleme habe. Aber Mitchum gleicht
das wieder aus, auf der Männerseite.
Aber zum Thema: Ganz weit vorne bei mir: Barbara Stanwyck in "Double
Indemnity", denn eine Frau ohne Gewissen ist das Fatalste überhaupt, nicht
wahr?
Oder Jean Simmons in "Angel Face".
Und als Kind meiner Zeit: Faye Dunaway in "Chinatown".
Auch Lauren Bacall sollst du lieben und ehren für alle Zeiten für "Key
Largo" und natürlich "The Big Sleep" (obwohl da Dorothy Malone
in einer kurze Rolle als "bookworm bitch" auch nicht von schlechten
Eltern ist, und der eigentliche Frauenpart, der die Männer ins
"Fatale" reitet, eigentlich bei Martha Vickers liegt).
Ganz weit oben auch "Gilda"; ich glaube Rita Hayworth litt ähnlich
wie die Monroe unter ihrem Glamour-Image. Ihr Auftritt in "Gilda" ist
unschlagbar. Der Song "Put the Blame on Mame" verdeutlicht doch das
Dilemma der Männer, wenn sie den Frauen an die Angel gehen. Von wegen schwaches
Geschlecht.
Also, alles Gute einstweilen! And "Keep watching the thighs!"
schnuppe:
Homme fatal ist
natürlich Robert Mitchum, haha!
09.09.2008
immerfreundlich:
... gefolgt
von einem unglaublichen Peter Ustinov in "Quo Vadis" (wobei ich hier
inzwischen nur die Szenen mit P.U. anschaue)
Schön,
daß sich jemand zu "Quo Vadis" bekennt, ich liebe den Film. Der
stammt zwar noch aus einer Zeit, in der deutsche Synchronfassungen teilweise
unantastbare, eigenständige Größe erlangten, aber durch Ihren Beitrag moralisch
gestärkt erwäge ich die Anschaffung der DVD, um endlich einmal das Original zu
sehen.
Lieblingssatz, trotz Phasen, in denen ich mir nur die Sequenzen mit Deborah
Kerr (diese roten Haare!) anzusehen vornahm: "Poppäa, was murmelst du denn
da!"
Vom Matinee Idol derer, deren Hirn aus Echo & The Bunnymen heraus
levitierte, zum genial-wahnsinnigen Krautrock-Exegeten und -Weiterdenker, Pagan
Eco Warrior und Experten für Megalithkultur, das ist ja in etwa der Weg von
Julian Cope, und dessen Song "Robert Mitchum" (erstmalig auf
"Skellington") enthält wunderbarerweise eine Referenz, die einem
anderen großen Film gilt, der so gut wie nie auf der Liste der "großen
Filme" auftaucht:
Robert, Robert Mitchum
I wrote a song for you
Robert, Robert Mitchum
I love you, yes I love you, yes I really do
The part in "Ryan's Daughter" when you lose your wife
I've never seen a more dignified man in my life
"Ryan's Daughter" also, David Lean 1970. Der Film wurde von der
Kritik nicht gut aufgenommen, vor allem hieß es, Leans cinematography erschlage die Charaktere, aber wenn man sich Zeit
für den Film nimmt, sieht man schnell, daß das nicht stimmt. Für mich ist der
irische Schullehrer Charles Shaughnessy eine von Mitchums besten Rollen. Immerhin
wird der Film langsam als overlooked
masterpiece wahrgenommen.
Copes Song enthält mit der Zeile "Religion please be gone" natürlich
auch die notwendige Ergänzung zur Liebe zu "Quo Vadis" in Zeiten wie
diesen, da Juan Cole gerade für salon.com die Frage beantwortete, was der
einzige Unterschied zwischen Sarah Palin und moslemischen Fundamentalisten sei:
Lippenstift.
"You're such a dude,
you're such a guy, you know you're so half asleep" (Cope).
20.09.2008
"The Night of the
Hunter", der weiter oben erwähnte "Ryan's Daughter", das wären
zwei meiner Lieblingsfilme mit Mitchum. Absolut phantastisch ist er aber auch,
Jane Greer verfallen, in "Out Of The Past" von Jacques Tourneur.
chevy57:
Mitchum gelingt es
in der Rolle tatsächlich, auch mir Angst einzujagen. Und das schaffen nicht viele...
21.09.2008
Genauso, wie ich immer nicht
verstehe, daß das Fernsehen immer vehementer mit dem ganzen Mist aufwartet, den
Monty Python's Flying Circus schon in den Siebzigern ultimativ, final und
tödlich verkaspert hat, verstehe ich nicht, daß sich nach Mitchum in diesem
Film überhaupt noch schmierige Kleinstadt-Evangelisten irgendwo herumzutreiben
wagen. Naja, was versteh ich schon.
Ich hab dieses Buch von Elsa Lanchester, die mit Laughton verheiratet war (Frankensteins
Braut), und sie schildert, wie Laughton Mitchum anrief:
"Hello, this is Charles Laughton."
"Yes?"
"I have a book I'd like you to read. There's a character in it that I'd
like you to play in a movie I'm making. The man is a real shit. A dreadful and
devout shit."
"Present!"
Und als Mitchum erfuhr, daß Shelley Winters gecastet war: "My God, the
only thing she's going to do convincingly is float in the water with her throat
cut."
Neben all seinen anderen
Vorzügen hatte Mitchum noch einen überaus bedeutenden Charakzerzug: er schätzte
Deborah Kerr mehr als alle anderen Partnerinnen. Was kann man Besseres über
Deborah Kerr sagen. Er meinte mal, sie könne ihre Szenen in der Schweiz spielen
und er in Maryland, das Ergebnis wäre trotzdem perfekt. "Heaven Knows,
Mr.Allison" ist auch noch so ein schwacher Punkt von mir, Mitchum als
Corporal Allison, der auf einer Insel strandet, auf der sich erstmal wenig
befindet außer Schwester Angela, Deborah Kerr als Nonne. Und die konnte ja
Nonnen wie keine andere, "Black Narcissus" mit Deborah Kerr als
Sister Clodagh ist auch ein klasse Film, von Powell / Pressburger, die wiederum
auch "Peeping Tom" gemacht haben. Und der steht neben "Night of
the Hunter" ganz da oben, Regalbrett "Filme, die man ins Jenseits
mitnehmen muß".
24.09.2008
marks&spencer:
Wenn ich das richtig
gehört habe, wollte Laughton zunächst Gary Cooper verpflichten.
Weiß ich nicht, Elsa Lanchester
zitiert Paul Gregory, den Produzenten, der Laughton eine Notiz hinterläßt:
"Charlie, this would make a motion picture." Und: "I'd seen Robert Mitchum as the heavy in this. Charlie called
me the next day and just raved and said: 'I'm coming down.'" Laughton hätte gemischte Gefühle gegenüber Mitchum
gehabt, aber von Cooper wird nichts erwähnt. Interessant ist, wie Mitchum mehrmals zu Vorbesprechungen ins Haus
Laughton / Lanchester kommt: "I don't know, maybe Bob Mitchum is very
bright, but I never heard such a lot of words – big, long words, one after the
other." (E.L.) Später gibt Mitchum
dann den intellektuellen Zugang auf und entpuppt sich als noch größerer Rebell
als Laughton, selbst durchaus einer, vermutet hatte, bis zu dem Punkt, an dem
Laughton Mitchum väterlich zur Seite nimmt und erklärt: wir alle hätten
Skelette im Schrank, die meisten von uns würden aber versuchen, die Skelette zu
verbergen und die Tür zuzuhalten. Mitchum aber reiße nicht nur die Tür auf, er
schwinge seine Skelette auch noch gleich in der Luft herum. "Bob, you
simply must stop brandishing your skeletons."
26.09.2008
schnuppe:
Film noir und
Mitchum als der Böse, oh ja!
Welcher Film ist das, wo ein Girl zu ihm sagt: The thing I like about you is
that you are rock bottom. A girl
couldn't possibly sink any lower.
20.02.2010
Juliet Forrest in "Dead
Men Don't Wear Plaid": "If you need me, just call. You know how to
dial, don't you? You just put your finger in the hole and make tiny little
circles." :)
Haio Forler:
War
das nicht Rachel Ward?
BerSie:
In
der Rolle der Juliet Forrest!
Rachel Wards Garderobe erinnert
da deutlich an Jane Greer in "Out Of The Past" von Jacques Tourneur
mit Robert Mitchum. Auch wenn Roger Ebert manchmal befremdlich daherschreibt, hier
meine Unterschrift zu:
"Out of the Past is one of the greatest of all film noirs".
Tourneur (Cat People, I Walked With A Zombie, Night
of the Demon) ist sowieso ein Meister; Scorsese: "In a way, you could say
that Tourneur's touch is so refined and subtle that he haunts his films. It's
as though he cast a spell over each project ... Tourneur was an artist of atmospheres." Scorsese
spricht Tourneurs Filmen "a hypnotic quality" zu, Jane Greer ist als
Kathie Moffat wahrscheinlich die faszinierendste Femme fatale des klassischen
Film noir, und Mitchum... ist Mitchum.
Bin absolut Deiner
Meinung! Auch Kirk Douglas trägt seinen Teil bei! Die Szene, in der er seiner
Gespielin das Gesicht zerschneidet - mit den Worten: "Und die liebe
ich!" -, um Mitchum einzuschüchtern, ist einfach unvergesslich!
Das stimmt! Kirk Douglas kann
einem ja schwer auf die Nerven gehen, sein zwischen hämischer Vergnügtheit und
vibrierendem Rachedurst schillernder Charakter in "Out of the Past"
aber gelingt ihm blendend.
19.09.2010
1947 war
ein phantastisches Jahr für Robert Mitchum, nicht nur drehte er mit Tourneur
"Out of the Past", er stand auch für Raoul Walsh in
"Pursued" vor der Kamera. Gerade gesehen, eine Art
Psycho-Noir-Expressionismus-Western, sehr ungewöhnlich, faszinierend. Bei jedem
Mitchum-Film, den ich konzentriert sehe, wird mir klar, egal, für wie groß man
Robert Mitchum schon hält, man hat ihn grundsätzlich immer noch ein bißchen unterschätzt. Martin Scorsese hat
"Pursued" offenbar höchstpersönlich gerettet, die Restaurierung mit
eigenem Kapital in die Wege geleitet.
(erstveröffentlicht / first published 11/2014)