Mittwoch, 13. August 2014

Diana Lorys in "Gritos en la Noche"






 


 
 



 

 
 
 

 
 
 

 
 
 

 
 
 

 
 
 

 
 
 

 
 
 

 
 
 

 
 
 

 
 
 


 
 

 
 
 

 
 
 

 
 
 

 
 
 

 
 
 

 
 
 
 
Gritos en la Noche / The Awful Dr. Orlof / L'horrible Docteur Orlof
Jesús Franco 1962


















Samstag, 2. August 2014

Today's Best Song Ever: Alba - Only Music Survives












Die Handlung: 1985, der erste Auftritt der italienischen Sängerin Alba im französischen Fernsehen, in der Show von Christophe Dechavanne. Als Fernsehen noch unvorhersehbar war, zumal mit einem Special Guest wie Serge Gainsbourg, der erstmal um Feuer für die Gitanes bittet. Spaß beiseite, der Song ist wunderschön, und die ganze Sache nicht cheesy, sondern sehr bewegend. Alba erscheint wie eine Göttin in langen schwarzen opera gloves, gorgeous, während Gainsbourg vor trunkener Begeisterung die Studiocouch zerturnt, vulgär und charmant zugleich, vier Minuten lang die perfekte Umsetzung der Songzeile von Iggy Pop: "Calling Sister Midnight / I'm an idiot for you". In einem Interview mit Alan Bangs irgendwann in den 80ern sagte Iggy Pop übrigens: "Die neue italienische Pop-Musik gefällt mir sehr, aber mir fallen keine Namen ein." So schön, wie Alba auf Gainsbourgs naughtiness reagiert, throughout; und dann seine Augen, als er ihre Hand küßt und zu ihr aufsieht, voller Bewunderung, mit tiefem, ehrlichem Respekt vor der Frau, der Frau als Frau, Künstlerin, Göttin. Ein so phantastischer, erhabener Moment. Der Mann, der die Frauen liebte.




 




















Donnerstag, 17. Juli 2014

Sergio Larrain





Sergio Larrain, geboren am 5.11.1931 in Santiago de Chile, gestorben am 7.2.2012. Aus wohlhabender Familie, arbeitet in einem Café, um das Geld zusammenzubringen für seine erste gebrauchte Leica, die sein Schicksal als Vagabund besiegelt. Ab 1954 als freier Fotograf unterwegs, Straßenszenen aus Santiago, aus Andendörfern, oder aus Valparaiso, der Stadt, die er "die schönste der Dichtungen" nennt. In den 1950ern reist er auch durch die europäischen Metropolen und den mittleren Osten, 1958 bringt ihn ein Stipendium nach Großbritannien, die Bilder, die dort entstehen, vor allem in London, faszinieren Henri Cartier-Bresson, der Larrain nach Paris einlädt. Ab 1959 arbeitet Larrain zunächst assoziiert, seit 1961 als Mitglied für Cartier-Bressons Agentur Magnum Photos. Er fotografiert Reportagen über den Algerienkrieg oder, als Mission Impossible, über den von Interpol gesuchten sizilianischen Mafiaboss Giuseppe Russo, dem Larrain monatelang auf den Fersen ist, bis er ihn in Caltanissetta ausfindig macht. Der zurückhaltende Larrain fühlt sich der journalistischen Auftragsarbeit jedoch fremd, 1963 geht er zurück nach Chile. 1966 erscheint ein Fotoband über das Haus von Pablo Neruda, der Poet selbst schreibt den Text dafür. Von Neruda stammt auch der Text für das Buchprojekt "Valparaiso", darin das surrealistisch anmutende Foto der beiden Mädchen auf der Treppe in der Mittagssonne ("Bavestrello-Passage, Valparaiso, Chile, 1952").

Beeinflußt vom bolivianischen Mystiker Oscar Ichazo zieht sich Larrain in ein kontemplatives Leben zurück, studiert Religionen, Kalligraphie, Malerei, Yoga, Meditation, lebt ein zunehmend isoliertes Leben in den Bergen von Tulahuén im Norden Chiles. Er schreibt Briefe über den traurigen Zustand der Menschheit, in den 1980ern schickt er zuweilen Fotos von Objekten, vornehmlich aus seinem Haus, mit der Post an Freunde, hat die Fotografie aber aufgegeben wie Rimbaud die Poesie, desillusioniert von einer Welt, in der die Reinheit zerschellt; einer, der die Fotografie zu sehr liebte, um sie zur Karriere zu machen.

Larrain hat zu Lebzeiten nur vier Buchprojekte veröffentlicht, professionell kaum mehr als 10 Jahre gearbeitet, lehnte in späteren Jahren die Idee von Retrospektiven ab. "He was unique", sagt Agnès Sire, Directrice der Fondation Henri Cartier-Bresson, "he was really a free man."

Eines Nachmittags in den 1950ern macht Larrain in Paris Aufnahmen bei Notre-Dame, erst beim Entwickeln des Films bemerkt er, daß er dabei auch ein Liebespaar fotografiert hat. Die Episode inspiriert Julio Cortázar zu seiner Geschichte "Las Babas del Diablo" (1959), die wiederum Ausgangspunkt ist für den Film "Blow-Up" von Michelangelo Antonioni.
























































"Ich habe begriffen, daß Fotografie wie jeder künstlerische Ausdruck im tiefsten Innern zu suchen ist. Das perfekte Foto ist eine Art Wunder, es scheint in einem Lichtblitz auf - Thema, Form und perfekter Seelenzustand -, beinahe zufällig drückt man auf den Auslöser und das Wunder geschieht." - Sergio Larrain, 1960





 
















Sonntag, 6. Juli 2014

IT'S IN THE BACK OF THE NET! 1/4, 1/2, The End
















1/4





Frankreich - Deutschland 0:1

So, Menschen, Zeit, sich damit abzufinden: Deutschland wird Weltmeister. Ob's aber ein großer Spaß wird?

Echter Oldschool-Sieg der deutschen Mannschaft, die Frankreich genau damit von der ersten Minute an einschüchtert: daß hier nichts anderes stattfinden wird als ein Oldschool-Sieg der Deutschen. So wie Mats Hummels bei seinem Kopfballtor in der 12. Minute Varane einfach wegschob, so schob die deutsche Mannschaft auch die Überzeugung der Franzosen, ernsthafter Konkurrent zu sein, mit kühler Autorität einfach aus dem Weg. Sagte ich kühl? 

Es war mörderisch heiß, die Luftfeuchtigkeit lag bei fast 90%: kein Hindernis für typisch deutsches NochneSchippeDrauf, während die Franzosen sich nicht gerade aufs Lotterbett legten, aber doch irgendwie Gott einen guten Mann sein ließen. Soweit ich weiß, hat die deutsche Auswahl keinen klangvollen Namen wie Albiceleste, Three Lions, Black Stars, La Roja, wird im Ausland aber zuweilen einfach Die Mannschaft genannt. Juliet: What's in a name? That which we call a rose / By any other name would smell as sweet. Das, was wir The Mannschaft nennen, hätte auch unter jedem anderen Namen dieses Spiel als Mannschaft beschlagnahmt, und die Rose duftet süß, auch wenn wir sie Rotlichtlaterne nennen. Gegen Frankreich aber waren Name und Tugend von The Mannschaft deckungsleich.

Die Franzosen mit zuviel Respekt, zu kompliziert, kein Spielfluß, kein Elan, falsche Entscheidungen, ungenaue Pässe, alle Phantasie erstorben. Ja, es war mörderisch heiß, in der zweiten Halbzeit schien es manchmal, als würde die Sonnenseite von beiden Teams gemieden, egal, welcher Trottel sich da blöderweise und halbsuizidär anbietet. Aber schon nach 20 Minuten gibt es eine Szene, in der Benzema einen Angriff der Franzosen sabotiert, weil er im Abseits rumsteht, so weit, daß er praktisch in Paris steht, und sein Trägheitsmoment einer Änderung dieses Zustands eklatant hohen Widerstand entgegensetzt. Kaum Tempo im Spielaufbau, hohe Bälle landen ("Ab hier wiederholt sich's immer, nicht?", Mozart zu Salieri) bei Boateng oder Hummels, Einwechselungen zu spät und hinfällig, Giroud kommt in der 85. Minute, Steffen Simon: "Es kommt unglaubliche Körperlichkeit!" I beg to differ.

Löw, der Taktikfuchs, probiert den besten Rechtsverteidiger der Welt als Rechtsverteidiger aus, kehrt mit Klose vorn, Özil in der Mitte und Müller rechts außen zu einer scheinbar ausbalancierteren Startformation zurück, aber der goldene Schuß ist die Rückkehr von Mats Hummels, für den der Bundesmerte weicht. Der so ewig wie unverständlich Unterschätzte macht ein sensationelles Spiel. Hummels, der "Match of the Day!", wie ihn der hyperventilierende Steffen Simon tituliert, ist nach Spielende noch auf dem Feld als einziger deutscher Spieler bei einem Franzosen (Pogba), um zu trösten. So muß das.

Ja, die Franzosen haben ein paar Chancen, wirken aber nie so richtig bedrohlich, und wie Neuer die letzte Chance von Benzema (90 + 3) entschärft, ist symptomatisch: no fuzz, nur mal eben majestätisch eine Hand hochreißen, frei nach de Sade: Franzosen, noch eine Anstrengung, wenn ihr Republikaner sein wollt, hahaha.

Harsch gesagt, zumal im Vergleich zu den Ressourcen, die von den USA gegen Belgien mobilisiert wurden, um doch noch den Ausgleich zu schaffen, wirken die Franzosen manchmal so, als sei dies ein Freundschaftsspiel, das ihnen am Hintern vorbeigeht. Aber: daß dieser Eindruck überhaupt entstehen kann, ist die eigentliche Leistung der deutschen Mannschaft. Nach der 70. Minute fehlt den Franzosen endgültig die Energie, dagegen aufzubegehren, daß ihnen alle Ressourcen entzogen wurden von einer deutschen Mannschaft, die rigoros ihren Spielplan umsetzt. Genaugenommen haben die Franzosen schon nach dem 0:1 aufgesteckt. Genaugenommen wissen sie von Anfang an, daß sie hier und heute an "traditionelle deutsche Tugenden" krachen, Wille, Disziplin, ur-deutsches Turnier-Know-how. Heute hat Ribéry dann vielleicht doch gefehlt, einer, der vorangeht, um den Kopf hinzuhalten auf den Barrikaden, einer, der aus bloßem Widerspruchsgeist vielleicht auf eigene Faust verhindert hätte, daß das Spiel einfach einem deutschen Sieg entgegentrudelt. Deschamps hat einen Punkt, wenn er sagt, daß diese deutsche Mannschaft schon über enorme Erfahrung verfügt, was Knockout-Spiele auf diesem Level betrifft. Die französische Renaissance werden wir wahrscheinlich bei der Euro 2016 in voller Blüte bewundern dürfen. Die Mannschaft ist ins Viertelfinale gekommen, weil sie immer ins Viertelfinale kommt, und sie ist ins Halbfinale gekommen, weil sie dem Gegner frühzeitig ihre Hauptabsicht mitgeteilt hat: die Arbeit zu erledigen. Ab hier scheint klar: wer gegen die Deutschen nicht schuftet bis zum Umfallen, sieht kein Wechselgeld.











Brasilien - Kolumbien 2:1

Ein ganzes Stadion als kunterbunter Grenzbereich zur Hysterie nach dem 1:0 durch Thiago Silva. David Luiz und sein überirdischer Freistoß zum 2:0, aus fast 30 Metern Entfernung menschenunmöglich mit der Innenseite geschossen, der Ball wie auf einem Hauch von Zephyr unterwegs, dem Gott des Westwinds. David Luiz beim Jubel danach, das vor Ekstase völlig zerfledderte Gesicht, als würde Inside David Luiz ein Dämon die Augäpfel vorschieben. David Luiz auf dem Rasen kniend, die Arme zum Himmel erhoben, betend, warum hat man plötzlich Lust, Ken Russells "Salome's Last Dance" wieder zu sehen? Ach ja, Johannes der Täufer. David Luiz, der nach dem Spiel innehält, um den in Tränen aufgelösten James Rodriguez in den Arm zu nehmen, ihn minutenlang zu trösten, und der frenetischen Menge mit wundervoller Geste nochmals zu bedeuten: Seht diesen Mann. Ein riesiges, todbringendes, menschenfressendes Insekt am Oberarm von James Rodriguez, als dieser seinen Elfmeter zum 1:2 verwandelt hat. All das vor den Augen einer zukünftigen Miss Sonnensystem aus Kolumbien.








Ein so intensives, pulsierendes Viertelfinale, epische Dramatik in der nervenzerfetzenden Schlußphase, als die Cafeteros nach dem Anschlußtreffer wild anrennen, Unvergeßliches galore. Und doch wird es immer das Spiel sein, in dem Neymar einen Bruch des dritten Lendenwirbels davonträgt.

Schuld des Schiedsrichters? Sicher. Aber es hat auch schon Spiele gegeben wie die Schlacht zwischen Portugal und der Niederlande bei der WM 2006, ein Meilenstein des niederländischen Voetbal brutal, am Ende standen vier Platzverweise und acht gelbe Karten, Mark van Bommel hatte sich die erste gelbe Karte in der 2. Minute abgeholt, Bouhlarouz die nächste in der 8. Minute, man kann nicht behaupten, daß es die Spieler zur Vernunft gebracht hätte. Ideal, wenn ein Schiedsrichter mit Verzicht auf Kartenflut, aber gleichzeitiger Unmißverständlichkeit aufgeheizte Stimmung sofort abzukühlen versteht. Carlos Velasco Carballo verpaßte diesen Zeitpunkt leider.

"Es ist", um mit Maradona zu sprechen, "eine Sünde, daß Neymar seine WM verpaßt." Ein geradezu infernalischer Eingriff in die beste aller möglichen Welten. Ein Anschlag auf jeden Ehrenmenschen, dem es nicht scheißegal ist, wie Deutschland die WM gewinnt.

Schön, greifen wir nicht vor. Schon bei der A cappella-Fassung der brasilianischen Hymne ist es spürbar anders, this time. Kein overacting, keine Tränen, eine andere Determiniertheit. Scolari, der so ungern eine erste 11 ändert, bringt Maicon für Dani Alves als RV, Paulinho kehrt ins Team zurück für den gesperrten Luiz Gustavo, Fernandinho bleibt, wo er ist. Bei Kolumbien Guarin für Abel Aguilar und mit Ibarbo für Jackson Martinez eine hängende Spitze für einen Stürmer, was nach Vorsicht klingt. Warum? If it ain't broke don't fix it.

Bei Kolumbiens raffiniertem Offensivspiel konnte man leicht vergessen, daß auch die Abwehr bislang glänzende Arbeit geleistet hat. Beim 1:0 in der 7. Minute ist diese Abwehrarbeit allerdings generös bis idiotisch. "Das schnelle Tor war der Schlüssel", sagt Pekerman hinterher, "uns kam das Gefühl für unser Spiel abhanden. Wir wollten eine schnelle Antwort finden, und das hat unseren normalen Spielstil destabilisiert." Vielleicht hat Kolumbien das Spiel aber auch schon in dem Moment verloren, als man sich irritiert auf das leidenschaftliche Kampfspiel der Brasilianer einließ. And that's a fact: mit ihrem Engagement und ihrer Laufbereitschaft verhindern die Brasilianer, daß sich die Kolumbianer wie gewohnt mit schnellem, flüssigem Kombinationsspiel an sich selbst berauschen können, teilweise überhart - daß Fernandinho ohne gelbe Karte durchs Spiel kommt, ist bizarr -, aber eben auch mit einer unbändigen, bis dahin nicht gesehenen Willenskraft. Temporeich und wild, in der ersten Hälfte überzeugend, dominierend, die Führung ist verdient. Statt kühlen Kopf zu bewahren und den Versuch zu starten, ihr bislang so erfolgreiches Spiel wiederzufinden, fangen auch die Kolumbianer an, nicht zimperlich zu sein, wirken panisch, gehemmt, forced / unforced errors in ungewohnter Frequenz, in der zweiten Halbzeit wird es zerfahren. So gut wie jede Szene endet im Foul, es gibt keine Karte, nichts, irgendwann sieht ausgerechnet Rodriguez Gelb, der sich zuvor x-mal in der Horizontalen wiederfindet. Das Kolumbien, das alle verzaubert hat, erscheint einfach nicht.

Auch Brasilien wäre gerade nicht hier, wenn Mauricio Pinilla im Achtelfinale für Chile in der 120. Minute nicht die Latte getroffen hätte, Pinilla hat sich die "One centimeter from glory"-Szene ja angeblich schon auf den Rücken tätowieren lassen. Unkompliziert ist ein fremdes Land für die Seleção. In der 66. Minute haben die Brasilianer Glück, als ein Tor von Mario Yepes wegen Abseits wieder gestrichen wird, die letzten 10 Minuten nach dem Elfmeter sind wieder reich an Schreckensmomenten für Brasilien, aber kein Schrecken ist so folgenschwer wie jener aus der 87. Minute, als Zuñiga Neymar umbulldozert. 

Kolumbien war bis zu diesem Abend das entzückendste Team dieser WM, James Rodriguez der Star des Turniers, er verläßt es mit 6 Toren in 5 Spielen. Mein Plan ist, daß Miss Sonnensystem bei mir klingelt und mir eine Dauerkarte für die Copa América 2015 in Chile schenkt.

Brasilien hat mit einer guten, beherzten, couragierten ersten Halbzeit einen Schritt nach vorn gemacht und in der zweiten Halbzeit Qualitäten gefunden, die fragwürdig sind, mit denen man sich aber wahrscheinlich rechtzeitig wappnen muß, wenn es in einem Halbfinale gegen Deutschland geht.

Fred nach wie vor unbeobachtet irgendwelchen Tätigkeiten nachgehend, dafür Hulk stark verbessert, David Luiz macht ein überragendes Spiel, ebenso Thiago Silva. Der sich in a moment of mental abstraction eine himmelschreiend farciöse Gelbe Karte einhandelt und damit gegen Deutschland gesperrt ist. Thiago Silva scheint einen beruhigenden Einfluß auf David Luiz zu haben, eine Innenverteidigung mit David Luiz und Dante klingt zumindest theoretisch nach gesteigerter Hibbeligkeit.

David Luiz hat sich allerdings zum Anführer gemacht an diesem Tag, und wenn sein unglaublicher Wille ein Indiz ist für das, was Brasilien auch ohne Neymar zu entfesseln bereit ist...

Brasilianische Fans, von TV-Reportern befragt, sagen mehrheitlich: es ist vorbei.











Argentinien - Belgien 1:0 

"Wie bitte, Sie lieben das Meer nicht? Sie machen sich auch aus dem Gebirge nichts? Für Städte haben Sie auch nichts übrig? Mh, da kann ich nur sagen, Sie können mich." (Belmondo, Außer Atem). Wie bitte, Sie finden Argentinien unansehnlich? Sie würden sogar Béla Réthy zustimmen, der von Minimalistenfußball spricht? Abgesehen davon, daß ich der glücklichste Mensch auf Erden bin, wenn eine Minute Stille ist, weil Béla Réthy mal wieder den Kopfhörer tauschen muß: spulen Sie gefälligst zurück zur 28. Minute und sehen Sie sich diesen 40-Meter-Paß von Messi auf Di Maria an. Versuchen Sie, zu verstehen, wie geradezu unsinnig genial dieser Paß ist. Vergessen Sie's, es ist unmöglich, diesen Paß zu verstehen. Er läßt das, was Sie für Wirklichkeit halten, in einem völlig neuen Licht erscheinen. Unansehnlich? Minimalistenfußball? Sie können mich.

Dieser Paß, für den Physiker nur unter Drogen eine Erklärung haben können, hätte ein Tor verdient, stattdessen kühlt dieser Moment absoluter Perfektion in Betroffenheit aus: Di Maria vergibt die Chance zum 2:0, verletzt sich beim Torschuß, muß ausgewechselt werden und fehlt, wie es aussieht, für den Rest des Turniers. 

Hier, nehmen Sie mein Lorgnon: Sie machen sich auch nichts aus dem Sololauf von Higuain in der 55. Minute, den er noch in der eigenen Hälfte beginnt, bei dem er vier belgische Verteidiger stehenläßt, Kompany dabei tunnelt und mit seinem Schuß leider nur die Latte trifft? Dies und Messis Solo kurz vor Schluß hätten das Spiel eigentlich 3:0 ausgehen lassen müssen, und Ihnen wäre jedes mit "Minimalisten-" beginnende Wort im Halse steckengeblieben.

Señor Higuain ist eingetroffen! Endlich! Blitzschnelle, instinktsichere, superbe Reaktion bei seinem Volley zum 1:0. Es ist, was immer Sie sagen, eine starke, reife Vorstellung von Argentinien und ein verdienter Sieg. Das Gute ist nicht immer spektakulär. Neuformierte Abwehrreihe mit Zabaleta - Demichelis - Garay - Basanta, Demichelis dankt es Sabella mit blitzsauberer Darbietung. Daniel Passarella sagte mal, ein guter Verteidiger muß wie ein guter Dieb sein. Sie haben nichts übrig dafür, wie diebisch gestimmt Demichelis war in diesem Spiel? Sie können mich. Argentinien hat nicht die Abwehr, um Weltmeister zu werden, wähnte ich vor dem Turnier. Eine wohlorganisierte Abwehrreihe schien nicht zu den Prioritäten bei Argentinien zu gehören, gegen Belgien steht sie, mit Biglia und Mascherano davor, so sicher, daß den Belgiern einfach keine Methode einfällt. Überhaupt keine. Auch für den Spielaufbau scheint Demichelis wertvoller als Gago. 

Es ist auch die beste Mannschaftsleistung Argentiniens bisher, alle übernehmen mehr Verantwortung, und im Großen Ganzen, Majestät, bleibt die neue argentinische Organisation so ungestört, daß die Belgier irgendwann an ihrer Inkompetenz zu verzweifeln beginnen. Argentinien schließt nach dem 1:0 eine Tür, die Belgien einfach nicht mehr aufkriegt.

Offensichtlich keine Ein-Mann-Show mehr bei Argentinien, auch wenn wir Messis Vorarbeit zum 1:0 oder seinen Slalomlauf auf engstem Raum durch diverse belgische Verteidiger hindurch in der ersten Halbzeit, mind-boggling, als weitere Botschaften vom Jupiter noch gar nicht erwähnt haben. Im Notfall, bekräftigt Sabella, bedeutet Messi immer Wasser in der Wüste, aber gegen Belgien hätte jeder argentinische Spieler neben seiner eigenen Rückennummer auch die der anderen 10 getragen. Ah, poetry. Higuain hat sein Tor Alfredo di Stéfano gewidmet, R.I.P. 

Belgien? Entdeckte ungefähr in der 87. Minute den genauen Standort des argentinischen Tores, hätte es aber auch nach drei Tagen nicht getroffen und bleibt, abgesehen vom Spiel gegen die USA, das Hipster-Dornröschen. Noch nicht recht wachgeküßt, wie für die französische Mannschaft kam dieses Turnier auch für die belgische wahrscheinlich zwei Jahre zu früh. Marc Wilmots dürfte dann, sofern noch im Amt, enormes Embonpoint auf die Trainerbank bringen, schien er doch schon während dieser drei Wochen deutlich zu expandieren.

Der Ausfall von Di Maria ist dramatisch. Das Frohlocken der anderen drei verbliebenen Teams will ich hauen mit der zornigen Faust Gottes. Immerhin ist Higuain jetzt ausgepackt und Agüero wieder in Sicht, Argentinien hat die Barriere durchbrochen, das erste WM-Halbfinale seit 24 Jahren, Demichelis träumt davon, seine Rechnung mit Van Gaal zu begleichen, ich träume mit. Sie lieben auch Sabella-Stunts nicht? -> Sie können mich.
 










Niederlande - Costa Rica 0:0 / 4:3 n.E. 

Grummel grummel, grummel. Etc.

Großes Herz, große Schönheit, große Abseitsfalle, großer Keylor Navas, großer Kampf zum Wohle der Menschheit von Costa Rica, großer Zirkustrick von Van Gaal, den Krul dann billig und schäbig aussehen ließ.









1/2









Brasilien - Deutschland 1:7

Noch immer unbegreiflich. "1:7", das wirkt so rätselhaft wie sumerische Keilschrift. Eins dieser Resultate, die man beim Kindergarten-Tippspiel mit Fünfjährigen aufschreibt, with a grin. Immanuel hatte 0:10 getippt. Werde ihn von nun an Kant nennen. Ich habe keine Ahnung, wo dein Häschen ist, Kant.

Das war der grauenvollste Nervenzusammenbruch einer ganzen Mannschaft seit Anbeginn der Fußball-Zeitrechnung. Das mitanzusehen, tat fürchterlich weh. Boys like us, wir sind damit aufgewachsen: schon das Wort "Brasilien" evoziert elegante Bewegungen auf dem Fußballfeld, eine andere Kunst aus anderen Sphären, die nur an profanen Widrigkeiten aus den Niederungen der Fußballwelt scheitern konnte. Jener Mythos eben, dem brasilianische Mannschaften späterer Dekaden in zunehmendem Maße nicht mehr gerecht werden konnten, selbst wenn noch Weltmeistertitel heraussprangen wie 1994 und 2002. Standing on the shoulders of giants? Einer brasilianischen Mannschaft stehen immer Giganten auf den Schultern. Alles, was eine Seleção tut, steht unter dem ever watchful eye dieser endlosen Reihe von Legenden aus dem mythischen Zeitalter. 

Wenn ich mich nicht verhört habe, da ich nur langsam aus ungläubiger Trance wieder aufstieg, lieferte Réthy, man muß ihn einmal loben (vgl. Eintrag ins Logbuch: "Maat heute nüchtern"), schon während der Reportage das Schlüsselwort: Versagensangst. Als direkt nach dem Spiel der in Tränen aufgelöste David Luiz im Interview stammelt "Ich wollte nur meinem Volk Freude bereiten und den Menschen, die in diesem Land leiden müssen. Ich entschuldige mich bei allen Brasilianern", weiß auch Analyse-Kahn nicht mehr: was, was alles müssen diese Spieler auf ihren Schultern getragen haben.

Während der brasilianischen Hymne halten David Luiz und Julio Cesar das Trikot mit der Nr. 10 als Tribut an Neymar hoch, und dem Nichtbrasilianer schwant: sie sind schon wieder auf dem falschen Dampfer. Man kann nicht anders, man muß die Brasilianer für solche Gesten lieben. Aber schon ist klar, sie steigern das ohnehin bis zum Anschlag gedrehte Level an Emotion nochmals, warum nur, warum bürden sie sich das auf, den Verlust von Neymar auf diese Weise mit ins Spiel zu nehmen, es ist die falsche Botschaft, sie haben offenbar alles getan, außer kühl und gezielt einen taktischen Plan auszuarbeiten, wie man gegen die Deutschen spielt und besteht. Ihr taktischer Plan besteht aus dem Wunsch, 200 Millionen Menschen glücklich zu machen.

"Mit Neymar hätte es keinen Unterschied gemacht", vermutet Scolari. Not entirely sure. Vielleicht sogar sekundär, was Neymar an Spielkunst hätte zeigen können. Viel bedeutender scheint Neymars Ausfall als blow im fußballmagischen Weltbild Brasiliens. Müßig, zu vermuten, daß mit Thiago Silva die brasilianische Abwehr anders als ein Haufen kopfloser Hühner gespielt hätte. "Deutschland war fantastisch", sagt Scolari auch. Dem ist sicher so. Wie fantastisch die Deutschen waren, kann ich nicht genau beurteilen. Keine Ahnung, ob sie über Wasser gehen. Irgendwann haben mir die all die weinenden Frauen und Kinder im Stadion den Blick darauf genommen, die Beklemmung darüber, wie diese brasilianische Mannschaft am Druck zerbricht, kollabiert und zu solch einem Untergang verdammt ist. Es ist embarrassing. Diese Panik im Stadion zu fühlen, die Furcht davor, wohin diese restlose Desintegration noch führt, ob es jemals aufhört.

Das 0:1 durch Thomas Müller, der bei einem Eckball in der 10. Minute auf schockierende Weise freisteht, wirkt noch wie eine Kombination temporärer Naivität der Brasilianer und deutscher bad ass-Ausnutzung solcher Fehler. Was zwischen der 23. und der 29. Minute geschieht, ist ein surrealistisches Massaker. Nach dem fünften Tor schweigen wir. Man weiß nicht mehr, was man sagen soll. Es fühlt sich an, als hätte man aus Versehen ein kleines Kätzchen an die Wand getreten. Ich kann mich an nichts erinnern, in irgendeinem Fußballspiel, das dieser downward spiral gleicht, und es ist ein WM-Halbfinale in Brasilien mit Brasilien, und es steht nach einer halben Stunde 0:5. Man weiß, daß man einem der bemerkenswertesten Fußballspiele der Geschichte beiwohnt, aber der Anblick der traumatisierten Brasilianer, denen jeder Boden unter den Füßen abhanden gekommen ist, läßt einen nur denken: nach all den Jahrhunderten wieder ein Dante in den Höllenkreisen.

Deutschland spielt sich scheinbar anstrengungslos durch völlig wirren Slapstick, David Luiz hat so komplett den Faden verloren wie noch nie irgendein Spieler in einem so wichtigen Spiel, wie noch nie ein Kapitän auf einem sinkenden Schiff, der teuerste Verteidiger der Welt plötzlich nur noch der teuerste Hofnarr der Welt.

Für Hulk und Fernandinho hat die Folter in der Halbzeit ein Ende, es kommen Ramires und Paulinho, die sich sicher sehr darüber freuen. Paulinho gelingt eine Anfrage bei Neuer, aber schon hier zeichnet sich ab: Neuer und Barmherzigkeit were not born twins. Bei Deutschland kommt Schürrle, was quasi synonym ist mit: 0:6 Schürrle. Schürrles 0:7 ist so schön, daß die trauernden, gedemütigten Brasilianer im Stadion es mit standing ovations bedenken. Das hat Größe. Sehr deutsch der Ärger von Manuel Neuer über das, Good Lord, 1:7 in der 90. Minute. Hat ja niemand verlangt, daß sie noch ein paar Eigentore schießen, um es interessanter zu machen. Sehr schön aber, wie die selbst etwas betreten wirkenden deutschen Spieler die brasilianischen Spieler nach dem Spiel trösten.

Seit 1975 hat Brasilien zuhause kein Wettbewerbsspiel mehr verloren, seit 62 Spielen. Wie wollten sie das im Maracanã gegen Uruguay verlorene Finale von 1950 vergessen machen. Wie herzzerreißend ist es ihnen gelungen, mit einer so unwahrscheinlichen Schmach. Kein Team im mythischen Gelb-Blau hat je erlitten, was diese Mannschaft gegen Deutschland in der ersten Halbzeit erlitten hat. Wie der Traum starb, der so hoffnungsvoll begonnen hatte, in dieser einmaligen Atmosphäre, das wirkt wie ein häßlicher schwarzer Strich durch die ganze so reiche brasilianische Fußballgeschichte, durch alles, was die Brasilianer dem Fußball gegeben haben. Daß dieses Turnier für Brasilien in Tränen enden würde, one way or another, war klar, aber diese Tränen, über das hundsmiserabelste, entsetzlichste Halbfinale, das je ein Team bei einer WM gespielt hat? Jesus.

Aber mit welchen Mitteln, abgesehen von Neymar, sollte sich der Traum eigentlich erfüllen? Fred. Schlimm, daß die Fans ihn noch während des Desasters als Sündenbock auserkoren, aber Fred war das ganze Turnier hindurch schrecklich. Scolari steht plötzlich als Kaiser ohne Kleider da, einer, der zuließ, daß seinen Spielern die Mittel zur Problemlösung abhanden kamen. Struktur, Taktik, Organisation, irgendwas, das ein erfolgversprechenderes Konzept gewesen wäre als bloße Emotion, war nicht zu erkennen. Daß ein Team einfach vergißt, wie man Fußball spielt, daß es völlig implodiert in so einer Situation, hat auch mit Management und Professionalität zu tun.

Deutschland spielte weltmeisterlich, Punkt. Absolutes Lehrstück. Kroos und Khedira herausragend. Kroos, wer hätte das geahnt, könnte mit noch einer solchen Leistung zum Spieler des Turniers werden. Müller, der sonderbarste Spieler aller Zeiten, ist jetzt schon eine WM-Legende, Klose ja sowieso. Mit all dieser individuellen Brillanz ein so unglaublich perfektes team work zu inszenieren, gelingt Deutschland derzeit wie keiner anderen Mannschaft. Prognosewert des 1:7 für das Endspiel? Keiner. Aber die Selbstsicherheit dieser Mannschaft hat zum idealen Zeitpunkt ein furchterregendes Maß erreicht. Jeder weiß: nur ein Fehler, und sie lassen dich nicht mehr vom Haken.













Niederlande - Argentinien 0:0 / 2:4 n.E.

Als Arjen Robben nach Spielende seinen bitterlich weinenden Sohn in die Arme nehmen will, ruft der Kleine "Ich will nicht auf deinen Arm, Elfmeterschinder!" und versteckt sich am Hals der Mama. Tragische Szenen.

Die Karmapolizei ist nochmal um den Block gelaufen, war dann aber doch wie vereinbart zur Stelle. Das Elfmeterschießen hatte mich writhing in the snakepit, gut möglich, daß die Missus noch schnell einem Zeitungsbild von Wesley Snijder die Beine abgeschnitten hat. Das geht ruckzuck. Argentinien im Endspiel! This is so fucking great.

Yours Truly pflichtbewußt im AFA-Shirt, fein, daß die Argentinier endlich mit der traditionellen schwarzen Hose zum Himmelblau-Weiß erscheinen. Das ist werkgerecht und macht den Standpunkt klar. Schwarze Armbänder für Alfredo di Stefano, respektvoller Applaus für die Legende, sowie mein Gelübde, mir "Nackter Tango" mit Mathilda May endlich als DVD zuzulegen, wenn Argentinien hier durchkommt, dann kann es losgehen.

Was dann losgeht, wird mit dünkelhaften Tweets bedacht wie dem von Opdenhövel: "Das beste Halbfinale der WM Geschichte gestern, das Schlechteste heute". Zwei Mannschaften, die Brasilien zeigen, wie man ein WM-Halbfinale spielt, keeping it tight, not giving an inch, zwei großartige Defensivleistungen, aber wenn nicht fünf Tore in der ersten halben Stunde fallen, langweilt sich der Herr neuerdings. Mir schleierhaft, wie ein Halbfinale das beste der WM Geschichte sein kann, wenn nur eine Mannschaft anwesend ist. Aber selbst über das Jahrhundertspiel, das Halbfinale Italien - Deutschland bei der WM 1970, 4:3 nach Verlängerung, gab es Dissonanzen. Fürs Radio kommentierte Kurt Brumme damals die Versuche der Italiener, ihre 1:0-Führung über die Zeit zu retten: "Mein Gott, ist das ein Fußballspiel hier. Das ist ja entsetzlich, das ist ja widerlich. Burgnich ist soeben verstorben, sehe ich. Nein, da kommt er wieder." Am besten, man wird gleich Buddhist: Nur leere Dinge ziehen vorbei. Oder man ruft mit den argentinischen Fans in Richtung der brasilianischen Zuschauer: "Un, dos, tres, cuatro, cinco, seis, siete!" 

Arjen Robben hat in der ersten Halbzeit sechs Ballkontakte (6). Mit anderen Worten, der argentinische Defensiv-Verbund schafft es, den (neben James Rodriguez) besten Spieler der Vorrunde nicht nur vom Strafraum fernzuhalten, jener Zone also, in der Robben bekanntlich aus zwei Gründen brandgefährlich ist, nein, Robben wird praktisch in Luft aufgelöst. Es gibt Leute, die das nicht bewundern, aber es gibt auch Leute, die glauben, der Grand Canyon sei beim Ablaufen der Sintflut entstanden. Den Niederländern wiederum gelingt es, aus Messi ein Mauerblümchen zu machen, das sich irgendwann verlegen die Stutzen hochzieht. Sie haben Nigel de Jong an Messi geklebt, einer dieser fiesen Zychotricks von Van Gaal, schließlich haben alle noch die Heimtücke von de Jong im letzten WM-Finale vor Augen. Aber beide Abwehrreihen gehen einfach mit großem Geschick vor. Grit statt Glamour: Ron Vlaar steht in diesem Spiel symbolisch für die, äh, schöne Seite des Häßlichen. Aber die tiefste Verbeugung gilt Javier Mascherano. Mascheranos Spiel war eine Demonstration. Mascherano erledigt im defensiven Mittelfeld der Argentinier die neunköpfige Hydra. Nebenher vertreibt er die Stymphalischen Vögel und Zeugs. Nach etwa einer halben Stunde rasselt er mit dem Kopf gegen den Schädel von Wijnaldum, das Spiel läuft zunächst weiter, dann torkelt Mascherano schon halb besinnungslos durchs Bild, wird von Wijnaldum noch halbwegs aufgefangen, und ist dann completely out of it. Daß er danach weiterspielt, ist unmöglich. Also genau das Richtige für Mascherano. Der nicht nur die Schotten dicht macht vor der Abwehr, überhaupt den Laden zusammenhält, durchs ganze Mittelfeld patrouilliert, Robben stoppt, van Persie dazu, und zudem als erster Zusteller und Ballverteiler glänzt. Einer, der die Nerven beruhigt in dieser gnadenlosen Spannung. Und der als erster die Gefahr erkennt, als Robben in der 91. Minute doch einmal durchkommt, und mit perfektem tackle die Riesenchance der Niederlande aufs Finale vereitelt. Absolut königliche Darbietung. Heldenhaft. Ein Gigant. Auch Demichelis wieder fabulous.

Fünf Minuten vor Schluß der Nachspielzeit hat Palacio noch eine Riesenchance, allerdings versucht er einen Heber, den Cillessen mit einem Gähnen aus der Luft pflückt, der lustige Sabella reagiert fast mit spontaner Selbstentzündung. Und schließlich also Sergio Romero, der den drohenden Katzenjammer ganz göttlich wegzaubert. Messi im Delirium, Mascherano von Tränenfluten überschwemmt, Pablo Zabaleta beendet seinen großen Abend -> in Blutrot und Lapislazuliblau.

Da Louis Van Gaal überhaupt für alles zuständig ist, erklärt er hinterher, er habe Romero beigebracht, wie man Elfmeter hält. Irgendwie hat Van Gaals Omnipräsenz auch das Holland der Vorrunde erstickt. Argentinien schiebt Extraschicht im Regen, hat einen Tag weniger zur Regeneration, Deutschland kommt mit einem 7:1 angebrettert, klar sind die Deutschen Favorit. Aber die Abwehr der Argentinier ist hard to break down, und Messi hat seine Auszeit hinter sich. Wenn Argentinien so verteidigt wie in den letzten beiden Spielen, wird es schwer für Deutschland. Und wenn Deutschland nicht so verteidigt wie Argentinien und Holland heute, womöglich noch schwerer. So what, Traumendspiel. Alles Weitere ist Zugabe.









The End








Deutschland - Argentinien 1:0 n.V.


Spiffing! Thriller-Finale zweier ebenbürtiger Mannschaften, bis die 113. Minute perfekt illustriert, warum Deutschland das Turnier gewinnen mußte. Man sieht den zerschrammten, multiramponierten, aller Reserven beraubten Schweinsteiger in der 112. Minute, wie er gerade aus der Mitte eines Tornados zu kommen scheint, man wähnt, daß hier alle Akteure komplett zerschmettert nur noch dem Elfmeterschießen entgegentaumeln. Doch was die deutsche Mannschaft zum würdigen Weltmeister macht, was sie noch Fünf vor Zwölf nobilitiert, zeigt diese 113. Minute: Guts & Beauty. Die Kunst, das Letzte, was man aus sich herausgeholt hat, nur das Vorletzte sein zu lassen, und direkt aus dem dunkelroten Bereich ein so gnadenlos schönes Tor zu produzieren. Götze ist nicht weit weg von den drei drop dead gorgeous-Toren des Turniers, Robin van Persie gegen Spanien, Tim Cahill gegen die Niederlande, James Rodriguez gegen Uruguay. Man hat sich 7 Minuten vor dem Elfmeterschießen wieder als dummer Romantiker ertappt, der sich wünscht, daß die beste Mannschaft des Turniers sich mit angemessen bezaubernder Geste die Krone aufsetzt - und dann macht die genau das. 

Auch Schweinsteiger muß jetzt weinen, am Ende des tränenreichsten Turniers ever. Eine Mannschaft, der jeder Mensch mit Sensorium den Titel gönnt, auch wenn ein paar Engländer beim Anblick von Lena Gercke, Ann-Kathrin Brömmel & co. murren, daß die Deutschen es ihnen wieder so richtig reinreiben.


 

Brasilien 2014: farbig, leuchtend, intensiv, sinnlich, and then some. Die Aufregung der Gruppenphase, die mit sensationellen Spielen und Toren nur so um sich warf, die Schönheitskonkurrenz auf den Rängen, die ausgelassenen Feste der südamerikanischen Fans, Bad Moon Rising. Und wenn ich 100 bin, werde ich die Spieler in Gelb-Blau bei der Kernschmelze Brasiliens im Halbfinale vor mir sehen als gespenstische Zombies auf Zappeldrogen, die auf dem Feld umherirrten mit Darby Jones-Augen. Beautiful Losers im 5-3-2: Guillermo Ochoa - David Luiz - Rafael Márquez - Mario Yepes - Diego Godin - Martin Demichelis - Andrea Pirlo - Alvaro Pereira - Christian Bolaños - Didier Drogba - Mauricio Pinilla. Pudel bringt den Cup aufs Feld. Mehr geht nicht.