Ethan James ist tot, Erin Kenney verschollen.
Clara Drechsler schrieb in der spex 9/91, Titel "Der
Nabel der Elfe":
Obacht! Jetzt kommt der
Hurdy-Gurdy-Mann! Ethan James, Produzent von Minutemen-, Black Flag-, Henry
Rollins- und circa 487 weiterer kalifornischer Hardcore-Platten, bevorzugt für
den Eigenbedarf Instrumente, die zwar ohne Strom funktionieren, dafür aber nach
körperlicher Auseinandersetzung mit ihnen verlangen. Brutalmenschliche
Frequenzen schwingen sich ein!
(...)
Wer außer Detlef
Diederichsen weiß eigentlich, wie die erste LP von Erin Kenney und Ethan James
war? Gleich drei Labels gelang es nicht, mehr als ein Exemplar der Platte nach
Deutschland zu schaffen; Diederichsen besitzt es. In wessen Laden, außer in dem
von Michael Ruff, verkauft sich eigentlich die zweite Erin-Kenney- und
Ethan-James-LP, "Tapestries Of Smoke", die dieser Tage bei EfA
erschienen ist? Und wer, außer Sebastian Zabel und ähnlichen Abenteurern, weiß
eigentlich, was ein Sufi ist?
Die letzte Frage kann
geklärt werden: Die Sufis sind eine islamische Mystiker-Sekte des Mittleren
Ostens, die ihre Weisheiten gerne in kleine Geschichten kleiden, um sie zu
verbreiten. Hier ist eine: "Der Tod kommt in die Kasbah." "Der
Schüler eines großen Sufi-Lehrers ging einst in die Kasbah, auf den Markt, um
Datteln oder sowas zu kaufen. Während er da herumlatschte, erblickte er
plötzlich den Tod, der leibhaftig neben ihm stand, Kapuze, Mantel,
Knochenschädel und alles. Da packte ihn das Entsetzen, und er dachte, oh
Schreck, er kommt mich holen, nichts wie weg hier. Und rennt quer durch die
Kasbah, springt auf sein Kamel und flieht in die nächste Stadt. Der Tod war
natürlich genauso verblüfft - er dreht sich rum, sieht den Mann, und der rennt
weg. Später trifft er den Sufi-Lehrer, sie sind alte Freunde, und erzählt ihm:
Da ist mir ein Ding mit deinem Schüler passiert. Ich traf ihn in der Kasbah.
Und dabei sind wir erst morgen in der nächsten Stadt verabredet." Waha.
Schadenfreude ist die schönste Freude. Allerdings sitzen wir hier nicht in der
Kasbah bei Datteln, sondern frühstücken im einladenden McDonald's am
Barbarossaplatz. Aber ich nenne sowas ja auch weniger Weisheit des Nahen Ostens
als eine Twilight-Zone-Story. Auf der ersten LP von Erin Kenney und Ethan James
wurde daraus "Death Comes To Club Med": die reich ausgeschmückte
Twilight-Zone-Folge mit Folk-Soundtrack.
Ethan James ist Besitzer
der Radio Tokyo Studios in Venice, verdienstvoller Compiler der Radio Tokyo
Tapes, Entdecker der Bangles und Produzent tausender hochwichtiger Bands wie
Minutemen oder Black Flag. Eines Tages dann dringt durch die gutgepolsterten
Studiowände das Geräusch zierlicher Schritte an sein Ohr... und eine
blondgelockte Elfe erscheint, leicht angeschickert... Erin Kenney, die gerade
beschlossen hat, wieder zu singen, und die sich zwei Ecken weiter einen auf die
Nase gegossen hat, um sich Mut zu machen, ehe sie einem so entfernten Bekannten
diesen Entschluß mitteilt. Ein Geschenk des Himmels... ein zierlicher
Flaschengeist... eine bildhübsche mittelalterliche Spieluhr, die zauberhafte
Töne spielt, wenn man ihr auf den Bauch drückt. Wirklich konzentrierten Sängern
beim Singen zuzusehen, ist sicher nach wirklich gründlichem Zähneputzen die
langweiligste Beschäftigung, aber zuzusehen, wie ein zartes Zwerchfell sich
unter brokatbestickter Bluse hebt und senkt, ein Bauchnabel leise hüpft:
reizend.
(...)
Zu den wunderlichen alten
Instrumenten. die Ethan James zur Verwirklichung seiner Vorstellungen braucht,
gehört auch das mysteriöse Hurdy-Gurdy, das nicht, wie vermutet wurde, ein
"Leierkasten" Berliner Hinterhofprägung ist. Wir identifizieren das
etwas unbeholfen als "Drehleier", eine unförmige, fettbäuchige - hm -
Gitarre, die an einer Seite ein Rad mit Kurbel hat, darüber läuft eine Saite,
die man mittels Drehen der Kurbel zum Heulen bringt; im weiteren Verlauf der
Saite kann man dann durch Spielen einer Akkordeontastatur diesem Heulen Melodie
verleihen.
(...)
Schenkt Euren Ohren diese
stahl-, holz-, haut- und tonerweichenden brutalmenschlichen Frequenzen und gebt
Euch dabei bloß nicht der Empfindung hin, das sei (Achtung:)
"SCHÖN".
Also
tat ich ehedem. Und ob das schön ist, unwiderstehlich und mysteriös.
Mittelalter als moderner Film Noir, so meditativ wie komplex, Texte, die
mittelschwer skandalöse Geheimnisse andeuten, zwischen Weisheitsversprechen und
mystischem Wahnsinn, Ernten verbotener Früchte, Wüsteneien der Träume, Tanz mit
dem Rätsel der Sphinx, Texte, die an abgelegene, seltsame Orte versetzen, ein
Gobelin, auf dem sich plötzlich Tempelhuren zu räkeln beginnen. Erin Kenney
macht sich, angeschickert oder nicht, mit strahlendem Wagemut auf die
komplizierte und konzentrierte Reise durch die Lyrics, die, obskur und voller
Anspielungen, in bester "Highway 61"-Manier mythisches Personal
aufmarschieren lassen und doch das Hochnotpersönliche unter alldem ahnen lassen.
Die
seidenweiche Brust entblößt, in sinnlich-schwülen Duft gehüllt, faltet eine
Frau ihren 1000sten Kranich aus Papier. Nietzsche tanzt auf einem
Stecknadelkopf. Stimmen aus entfernten Zeitaltern schließen den Abgrund der
Zeit. Der letzte Kastrat sinniert über die Knochen von Caligula und Justine, haunting memory lingers near, ein
Schleier der Tränen, geboren aus Träumen, smaragdfarbene Göttin des
Absinthtrinkers erwacht und füllt die Luft mit Sex, ein Hochzeitsbett aus Eis,
den Königinnen des Tarot weht der Wind in die Kleider, der Wind ist Mönchschor,
unser Leben in the presence of These
Silent Ones, ungewisse Erinnerung an eine Serie von Augenblicken,
Verschwörungen der stillen Dinge, Schicksalhaftigkeit des Weges, path twisted and obscure, Tristan und Isolde
beim Strip-Poker mit dem Dienstmädchen, Plünderer kämpfen um vergiftete
Knochen, companies of fashion models,
zähl die 50 Tage, come dressed to kill
and plan to stay. An den Toren des Elysium, im Garten meiner Geheimnisse
gehe ich eine einsame Meile, zum Brunnen der Erinnerung, wo ich eine Weile
ruhe. Verbotener Garten, tief in meinem Herzen, a lover waits for me who understands my hidden need. Man sitzt im
Boot neben dem Ancient Mariner, beständig sieht man zu, wie Mythen sich
entfalten, unberührt von vergehenden Jahrhunderten. Man steht immer an der
Linie aller Möglichkeiten. Das verborgene Gesicht des alten Mannes vom Berge.
Godot wartet. Kann warten. Man ist ewig Reisender, Wandernder, Fremder in einem
fremden Land, Feuer unter den Füßen, das den Weg zeigt. Die
Halle der Bilder, weaving webs of fascination.
Set a bad example for a couple of laughs
The devil blows dust out of the back of his pants
Whistling past the graveyard, dancing as he sings
"Of all the things I haven't got, you're my favorite thing."
I dream that I rise to the mountain
I dream that I walk on the sea
I dream that the snakes in the deserts
Are laughing and dancing with me
I dream that the words of the liars
Are touching the robes of the saints
I feel the breath of the psychopath
Helpless he breathes in my face
As I walk in this desert
Alone with the wind at my back
The road rises to meet me
There is no turning back
Down through the tunnel of angels
Across from the valley of death
I go where my journey will take me
Till there is nothing else left
The sand is alive and is buzzing
The wind is a choir of monks
As my life passes before me
In the presence of these silent ones
I dream of a series of moments
Chained by uncertain memory
Do I dream that I am the butterfly
Or does he sleep and dream he is me
One day, in the upper floor
halls of corporate headquarters, Brooks waited for an elevator. He felt good
this morning. Besides being the Chief Executive Officer's main yes man, today
he was looking forward to his favorite abuse of power. For today, he was on his
way to fire a man. Brooks had a special affinity for this task. In this case,
his intended victim was a 20 year veteran on the brink of retirement. Well,
kiss that pension goodbye.
Finally the elevator door opened and Brooks found himself staring face to face
with the full, life sized specter of Death. Not some vague sense of foreboding
or ominous feeling. No, it was the Grim Reaper himself. Granted, he was dressed
in a three piece suit less his sickle, but there was no mistaking those hollow
eyes, the clammy pallor or the smell of sulphur. They were both startled by
this unexpected encounter and were speechless. Brooks, however, recovered
first. He turned and ran down 60 flights of stairs and exited in the street,
caught a cab, went straight to his travel agent, pulled out his gold card and
caught the next plane to Club Med in Acapulco.
Death, meanwhile, headed straight to the C.E.O.'s office, walked right past the
secretary and paid a visit to the old man. The old man was very pleased to see
his good friend Death. They had, after all, come to know each other quite well
through the years. The old man buzzed his secretary, had her hold all his
calls, and he poured two drinks, one for himself and one for his friend, Death.
The conversation was amicable, and Death remarked, "I just ran into that
lackey of yours - you know, Brooks? Well, you can imagine how surprised I was
to see him here. You see, I have an appointment with him at the Club Med in
Acapulco... tomorrow."
"Erin Kenney & Ethan James", 1990
"Tapestries Of Smoke", 1991