März 2010
ray05:
Christian Erdmann:
SPIEGEL ONLINE Forum
März 2008
hans-werner degen:
Bin ich jetzt ein Banause?... denn 1) erkannte ich mein London nicht wieder und 2) sagte mir der Film nichts.
Christian Erdmann:
Als ich in Rom vor der Fontana di Trevi stand, erkannte ich sie praktisch auch nicht wieder, Anita Ekberg war nicht drin.
(Aus einem Brief, 2013)
Filme, die wir lieben, sind immer Nah-Lebens-Erfahrung, oder? Die SPON-Beiträge, die ich über Filme schrieb, waren zu distanziert. Mein ganzes Leben, der ganze Stil meines Lebens mitsamt allen dunklen Geheimnissen, meine Vorlieben, alles bekam unwiderruflich Richtung durch all die Filme, die ich so zwischen 10 und 15 sah in der "Flohkiste". Das Kino, das heute "Alabama" heißt, auf Kampnagel residiert, aber nichts mehr mit dem kleinen schäbigen plüschigen Picture Show-Haus von damals zu tun hat. Die ließen mich und Jörgi einfach immer rein, wir sahen alles, den ganzen Kram zwischen Jess Franco und "Theatre of Blood", Trash-Sex-Horror, diese ganze wagemutige, untergegangene Welt. All das war so outrageous, da sind vergessene Perlen dabei, die ich nie wiederfinden werde, falls Du Dir eine Kombination von Rollin, Giallo und Hardcore vorstellen kannst, things like that.
All meine Sehnsüchte wurden durch Film, Literatur, Musik, Kunst vom Hier in ein Anderes gezogen,
und das Andere im Hier zu finden, war ja Aljoschas Auftrag. – Filme
gehörten ganz elementar zu meiner Sozialisation... was Sozialisation in
gewisser Hinsicht erschwert.
"Blow-Up" hat was Magisches. The
whispering leaves. Ich glaube ja, die "Stimmen", die Jeanne d'Arc hörte,
als sie ein kleines Mädchen war in Domrémy – es war der Wind in den
Blättern. Nicht von dieser Welt. You can hear a sound from beyond in it. Als ich in einem dunklen Park war, in der Nacht, als meine Mutter starb, – there was this whisper. Geniestreich von Antonioni, dieses Blätterrauschen übernatürlich klingen zu lassen, numinos.
Zynismus und Ennui und
dann das Geheimnis, die Rückkehr des Mysteriums. Wobei alles Drumherum
das Drumherum ist, das man sich genau so wünscht, um darin in Zynismus
und Ennui zu fallen, bis das Mysterium einen wieder einholt – und heilt.
Atemberaubend, wie Antonioni und Hemmings das auf die Leinwand bringen,
was man heute wohl flow nennt, Hemmings zwischen seiner
Dunkelkammer und der Wand, an der er die Vergrößerungen aufhängt, da ist
zum einen natürlich die Spannung, – was werden wir sehen? -, aber vor
allem beeindruckt mich, wie Antonioni in diesen Sequenzen zu sagen
scheint: wir müssen uns Hemmings als einen glücklichen Mann vorstellen.
Here, right here, he is.
Hemmings, zuerst, ist einer, der sich
nicht einfangen läßt, von nichts und niemandem, der in seinem Blick aber
zuweilen Sehnsucht nach etwas aufblitzen läßt, und der die Gelegenheit,
die diese park affair ihm bietet, nicht ungenutzt läßt.
Hemmings sieht so
unfaßbar gut aus in diesem Film, Vanessa Redgrave sieht so unfaßbar gut
aus in diesem Film (sie sieht gewissermaßen genau so aus, wie ich mir
die ganze Profumo-Affäre vorstelle), alles sieht so unfaßbar gut aus in
diesem Film, selbst noch dann, wenn es einen befremdet.
Wie Antonioni es macht, daß sich all diese Szenen anders ins Hirn brennen noch als sonst? Ich weiß es nicht.
Wie der ganze Film sagt: Kohärenz? Kontinuum? It's not there, so go for it yourself. Realität an sich? It's not there, so go for it yourself.
Einer der besten Filme zum Alleinsehen, indeed. Ich hatte den auch schon laufen, während ich konzentriert an etwas arbeitete, auf dem Boden kniend. Ihn also praktisch nur gehört. It still sucks you in, und es entsteht diese dritte Ebene, auf der Phantastisches passiert.
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