SPIEGEL ONLINE Forum "Lieblingsfilme - was ist großes Kino?"
11.10.2006
"Night of the Eagle", 1962. Erinnert von der
Ästhetik und von der Stimmung her ein wenig an Tourneurs "Night of the
Demon". Wyngarde ist ein ultra-rationalistischer, erfolgreicher Akademiker,
der feststellen muß, daß seine Frau sich ein bißchen mit Voodoo auskennt. Er
verbittet sich den seinweltbilderschütternden Kram - und der Kram verbittet
sich dann, wir sind im Horrorfilm, solch schnöden Skeptizismus. Sehr spannend,
sehr schön photographiert, auch wenn Kamera-Einstellung und Schnitt zum Teil
etwas seltsam motiviert sind: der Regisseur versuchte partout, die offenbar
dekadent engen Hosen Wyngardes aus dem Bild zu lassen. Es geht also in
mehrfacher Hinsicht um die von den rationalen Strategien ausgeblendeten
Bereiche.
Heard "The Velvet Underground & Nico" when I was 16, and ever since I felt protected. Immune to bullshit. He was one of those who protected us forever... he made us feel ten foot tall. Eternally grateful. May he sleep now for a 1000 years.
"Der Prinz hatte nur das Bedürfnis persönlichen
Verschontbleibens" (Fontane, Vor dem Sturm)
Oktober ist eine gute Zeit, um ein Fazit zu ziehen. Von mir
aus auch April. Wann Dezember ist, bestimme ich. Und darum kürt Antirat wie
immer im Dezember schon im Mai den Filmsatz des Jahres.
"Wir haben auch Sojamilch!" - "Bitte
nich." (7:05).
Dieses "Bitte nich", halb angewidert,
halb resigniert, Sojamilch als Metapher für die Zeitvergeudung mit dem ganzen
Bullshit, für das ganze belanglose Schnattern, für die tumbe Selbstbezogenheit
der Dummheit, die sich selbst ständig laut und mit undekorativem IQ herausposaunt,
für die ganze zombifizierte Verblödungsindustrie, die einen zubombt mit
totgefeatureten Nichtigkeiten, SIE SIND SOGAR DER MEINUNG DAS WAR SCHIETE, für die
ewige sterile Angepißtheit der Bionade-Bourgeoisie, für das alkoholinduzierte
Gegröhl, das Deutsche für Fröhlichkeit halten, Parties um 2 Uhr morgens klingen
hier in etwa so fröhlich wie das "Sieg"-Gebrüll in deutschen
Fußballstadien, Otto Sander auch dahin ("Intelligenzija! Wo denn, wo
denn!" - Sander in "Sommergäste"), für die allgemeine Infantilisierung
und die Puritanisierung und die Fürdummverkaufung und den Jahrmarkt der
Zwergeneitelkeiten und für alles, was der Teufel holen soll und blah blah
Vampirnotfall blah, ein Mantra in seiner ursprünglichsten Bedeutung, denn Mantra
bedeutet Schutz des Geistes. Bitte
nich.
"... und stehe jetzt auf dem Sprunge nach Norderney.
Daß man sich in seinem vermögenslosen Zustand und bei dem Jammerertrage seiner
Feder einen solchen Luxus immer noch gönnen kann, ist eigentlich ein Mirakel.
Und das führt mich zu dem Ausdruck meines lebhaftesten Bedauerns über den
abermaligen Mißerfolg meiner Anstrengungen, den ich nun, durch Ihre
Zahlenangaben, schwarz auf weiß habe. Wer von uns beiden der beklagenswertere
dabei ist, ist schwer zu sagen, ich möchte aber leider beinah sagen dürfen, ich. Sie sind jung, und was Ihnen A.
heute nicht leistet, leistet Ihnen B. morgen; aber am Ende eines Lebens auf
eine 40jährige vergebliche Zappelei zurückzublicken ist ein schlechtes
Vergnügen. Tausendmal hab ich mir gelobt, gleichgültig dagegen zu sein (au fond
ist es gleichgültig), aber wenn einen
dann die Zahl 510 anstarrt, 510 auf 60 Millionen Deutsche, die über die Welt
hin wohnen, so kriegt man ein Zittern, und das Herz sinkt einem, um nicht einen
drastischeren Ausdruck zu wählen."
[Fontanes Erzählung "Schach von Wuthenow" erschien als Erstausgabe
in Buchform bei Wilhelm Friedrich, Leipzig, im November 1882.]
[Friedhof II der Französisch-Reformierten Gemeinde, Berlin, Juni 2013, Photo CE]
Ich
habe für eine Handvoll Euro einen Plattenspieler und dazu nun auch endlich die
Charlotte Sometimes Maxi für noch eine Handvoll ersteigert. Es knistert und
klingt nun ganz besonders curig in meinen vier Wänden – herrlich!
Zusammensammlung aller fehlenden Platten wird folgen müssen. Auch schön: die
guten alten Cover.
"Ungeduld des Herzens"? Hmhm, und wie hieß noch mal
dieses Südstaaten-Nordstaaten-Epos mit Patrick Swayze, so ein Mehrteiler, den
man sich immer wieder ansehen kann? Ihr Good–Old-Europe–Monopoly ist ja
eine grandiose Idee!! Sollten Sie sich patentieren lassen. Obwohl - auf sowas
kommt ja sonst niemand.
Ich lese grad das neue Werk von Zafón, "Das Spiel
des Engels". Dachte schon, es sei nur ein schnell zusammengehauener
Nachfolgeabklatsch von "Schatten des Windes", Verdacht bestätigt sich
bisher nicht.
>Darf ich Ihnen eine Tasse Tee anbieten?< >Auch
zwei. Und eine Bibel. Eine handliche, wenn möglich.< >Das dürfte kein
Problem sein. Dalmau?< Ein Angestellter eilte herbei. >Dalmau, der liebe
Martín benötigt eine Bibelausgabe nicht dekorativer, sondern lesbarer Natur.
Ich denke an Torres Amat, 1825. Was meinen Sie?< Eine der Besonderheiten von
Barcelós Buchhandlung war, dass hier von den Büchern wie von edlen Weinen
gesprochen wurde – samt Bouquet, Aroma, Konsistenz und Jahrgang.
>Vortreffliche Wahl, Senor Barceló, obwohl ich eher zur aktualisierten,
duchgesehenen Ausgabe neige.< >1860?< >1893.< >Natürlich.
Stattgegeben. Packen Sie sie dem lieben Martín ein, geht auf Kosten des
Hauses.<
Sehen wir mal, was heute in Ihrem Adventskalender ist: ah
ja, Weihnachten ist ja auch die Zeit der charmanten Charmeure der 50er.
Wackeln im Sturm! Lief mal vor dem Karton mit den wie Flüchtlingen sich
zusammendrängenden Dingen, die keine Heimat mehr hatten. Lesley-Anne Down und
"The Joshua Tree" gehören für mich auch untrennbar zusammen, die John Locke'schen Ideenverbindungen halt.
Plattenspieler, schick! Ich hab meinen auch
noch, allerdings nur noch drei Singles aus den 60ern, zwei von Francoise Hardy
und eine von Michel Polnareff, die wir mal bei einem Pariser Bouquinisten erwarben,
der genauso aussah wie der jüngere Bruder von Michel Polnareff zu "La
Poupee qui fait non"-Zeiten. Die Cover allein sind göttlich. Die erste LP,
die ich erwarb, war übrigens "Sticky Fingers", die stellte ich immer
auf die Tastatur eines 100-Mark-Klaviers. Das hatte hübsche Beine und ich hab
mir später ein Regal aus denen gebastelt.
Bin schon puddingweich
gekocht, ersinne Strategien für Weihnachtsbaumanschaffungsüberredung, will
James Stewart mit Donna Reed und fürchtete vorhin schon, hierfür mit Pfeffernüssen
vom letzten Jahr beworfen zu werden, aber wie kann man dem widerstehen? Raveonettes, Christmas Song.
Hah, Wackeln im Sturm, ja! Kirstie Alley als zickige
Virgilia und diese puppige Blonde als Liebchengegenspielerin – zu schön. Und
Madeline im Rotsamtenen an der Kirchenruine auf Orry wartend. Die Dinge, die
sich "zusammendrängen wie Flüchtlinge", ein weiteres eindrucksvolles
Bild aus Ihrem Hauptwerk. Ebenso wie die Worte: "Ich werde nicht mehr
schön sein..." zusammengefasst ja auch in dem B-Seiten Stück von den
Sisters "I don't exist when you don't see me, I don't exist when you're
not here".
Sie bauten das Sticky Fingers-Klavier zum Regal um? Sehr
schön. Ich verwarf die Idee, Klavier spielen zu wollen, während ich unter dem
Wohnzimmertisch auf dem Teppich liegend meinem virtuos in die Tasten hauenden
Bruder lauschte. Da hatte ich keine Chance. Nicht, dass ich es nicht versucht
hätte, aber die Punkte und Striche auf den Zeilen blieben mir ein Rätsel und
langweilten mich nur, während die Buchstaben in den Büchern aufgeregt riefen
und winkten, bis ich mich ihnen wieder zuwandte. Heute morgen klaute ich mir
drei Stunden und las Zafón aus. Urteil kommt noch. Auf die 50er kommen wir noch
zurück, für heute - Advent, Tag 2: ein großartiger Song, - makes me dance -
und ein gutes Video mit einer STORY, nämlich einem MÄDCHEN in einem KLEID und
ihren rotzcharmanten RETTERN.
Mädchen-Kleid-rotzcharmante
Retter ist eine klasse Geschichte. Zum Regal, ja. Meine Mutter fand, es nehme
nur Platz weg, nahm eine Axt und zerlegte es für den Sperrmüll. Unfaßbar,
aber sie war immer eine unerschrockene Frau. Die Beine
rettete ich, jetzt steht mein Selbstbau im bordellroten Korridor. Apropos Architektur, ich sagte ja schon, daß ich auf Ihr Urteil
Häuser baue, muß mir dann nur noch einen Platz zum Zafón-Lesen suchen. "Assez,
Christian!" (Thomas Mann, Buddenbrooks). Türchen:
Süß ist die Frau Goldfrapp! She Wants Revenge sind ganz groß, ebenso wie die Editors. Bordellrot? Grins. Unsere Puppenstube erstrahlt in weiß, nur die
Küche ist bordeauxrot getüncht. Zafón. Hm. Ich hatte erwartet, befürchtet, dass
es ähnlich ist, und auch erhofft. Am Ende weiß man, es muß so sein. Gegen Ende
wird es mir eine Spur zu brutal, aber das ist in Ordnung. Hab erst gedacht, die
wunderbare Person fehlt, Sie wissen, wen ich meine, der Freund, der an der
Seite bleibt bis zum bitteren Ende. Fehlt aber gar nicht, ist nur ganz anders
und ganz wunderbar. Also, lesen! Egal wo, man vergisst eh Zeit und Raum und
zieht solange nach Barcelona, in ein altes Haus mit einem Turm.
Na toll, schieben Sie mich
nur in eine Muppets-Nacht. Tigellinus, meine Tränenvase! Zafón. Hm. Hm.
Bücherdiebstahl wird doch von den Göttern verziehen, oder? So, Sie wollten es
nicht anders!
Uaah, jetzt hab ich Monsterfutterklaubie – Q-CHEN!! :)
Ich bin da ja ganz altmodisch und leihe mir die Bücher
wieder aus. Am Hühnerposten gibt es so einen Bestsellertisch mit den
wichtigsten neuen Sachen gegen geringe Gebühr. Prima Einrichtung. Zwischen
manchen Regalen fühl ich mich zuweilen wie auf dem Friedhof der vergessenen
Bücher. Frau Paglia hab ich da auch ausgegraben. Da fällt mir ein, dass meine
Saturntochter mir kürzlich einen Vortrag darüber hielt, dass sie "Miete
zahlen" für absurd hält, schließlich müsse man ja irgendwo wohnen und es
sei keinesfalls haltbar, dafür Geld zu verlangen.
Saturnmädchen sind verkappte Altruisten. Sie
haben ständig Pläne zur Weltverbesserung, die schlagend einleuchtend und
radikal sind, müssen zur Umsetzung aber immer erst aus dem Blei raus. Auf dem
Friedhof der vergessenen Bücher weilt doch bestimmt auch "Malpertuis" von
Jean Ray? Es gab da mal eine phantastische Verfilmung mit Mathieu Carrière und
Orson Welles, aber der Roman ist noch ein anderes Kaliber. Könnte Ihnen
gefallen.
Moi, ich fand es nicht fair, daß der Protagonist auch noch Christian
hieß, ich liebe diesen Song mit David Bowie aus "Moulin Rouge", "Nature Boy", aber eben auch
besonders in dieser Version mit Massive Attack, der Song ist eigentlich schon
vorbei, und dann klingt es so, als würden sich die Maschinen nochmal von selbst
anwerfen. Ich liebe das.