Dienstag, 29. Oktober 2013

Night of the Eagle (Sidney Hayers, 1962)












SPIEGEL ONLINE Forum "Lieblingsfilme - was ist großes Kino?"

11.10.2006 




"Night of the Eagle", 1962. Erinnert von der Ästhetik und von der Stimmung her ein wenig an Tourneurs "Night of the Demon". Wyngarde ist ein ultra-rationalistischer, erfolgreicher Akademiker, der feststellen muß, daß seine Frau sich ein bißchen mit Voodoo auskennt. Er verbittet sich den seinweltbilderschütternden Kram - und der Kram verbittet sich dann, wir sind im Horrorfilm, solch schnöden Skeptizismus. Sehr spannend, sehr schön photographiert, auch wenn Kamera-Einstellung und Schnitt zum Teil etwas seltsam motiviert sind: der Regisseur versuchte partout, die offenbar dekadent engen Hosen Wyngardes aus dem Bild zu lassen. Es geht also in mehrfacher Hinsicht um die von den rationalen Strategien ausgeblendeten Bereiche.





















Sonntag, 27. Oktober 2013

Lou Reed 2.3.1942 - 27.10.2013










Do you remember the silver walks
You used to shiver and I used to talk
Then we went down to Times Square
And ever since I've been hangin' 'round there









Heard "The Velvet Underground & Nico" when I was 16, and ever since I felt protected. Immune to bullshit. He was one of those who protected us forever... he made us feel ten foot tall. Eternally grateful. May he sleep now for a 1000 years.

















Samstag, 12. Oktober 2013

Bitte nich







"Der Prinz hatte nur das Bedürfnis persönlichen Verschontbleibens" (Fontane, Vor dem Sturm)













Oktober ist eine gute Zeit, um ein Fazit zu ziehen. Von mir aus auch April. Wann Dezember ist, bestimme ich. Und darum kürt Antirat wie immer im Dezember schon im Mai den Filmsatz des Jahres.






"Wir haben auch Sojamilch!" - "Bitte nich." (7:05).







Dieses "Bitte nich", halb angewidert, halb resigniert, Sojamilch als Metapher für die Zeitvergeudung mit dem ganzen Bullshit, für das ganze belanglose Schnattern, für die tumbe Selbstbezogenheit der Dummheit, die sich selbst ständig laut und mit undekorativem IQ herausposaunt, für die ganze zombifizierte Verblödungsindustrie, die einen zubombt mit totgefeatureten Nichtigkeiten, SIE SIND SOGAR DER MEINUNG DAS WAR SCHIETE, für die ewige sterile Angepißtheit der Bionade-Bourgeoisie, für das alkoholinduzierte Gegröhl, das Deutsche für Fröhlichkeit halten, Parties um 2 Uhr morgens klingen hier in etwa so fröhlich wie das "Sieg"-Gebrüll in deutschen Fußballstadien, Otto Sander auch dahin ("Intelligenzija! Wo denn, wo denn!" - Sander in "Sommergäste"), für die allgemeine Infantilisierung und die Puritanisierung und die Fürdummverkaufung und den Jahrmarkt der Zwergeneitelkeiten und für alles, was der Teufel holen soll und blah blah Vampirnotfall blah, ein Mantra in seiner ursprünglichsten Bedeutung, denn Mantra bedeutet Schutz des Geistes. Bitte nich.















Dienstag, 6. August 2013

510







Berlin, 13. Juli 1883


Theodor Fontane an Wilhelm Friedrich


"... und stehe jetzt auf dem Sprunge nach Norderney. Daß man sich in seinem vermögenslosen Zustand und bei dem Jammerertrage seiner Feder einen solchen Luxus immer noch gönnen kann, ist eigentlich ein Mirakel. Und das führt mich zu dem Ausdruck meines lebhaftesten Bedauerns über den abermaligen Mißerfolg meiner Anstrengungen, den ich nun, durch Ihre Zahlenangaben, schwarz auf weiß habe. Wer von uns beiden der beklagenswertere dabei ist, ist schwer zu sagen, ich möchte aber leider beinah sagen dürfen, ich. Sie sind jung, und was Ihnen A. heute nicht leistet, leistet Ihnen B. morgen; aber am Ende eines Lebens auf eine 40jährige vergebliche Zappelei zurückzublicken ist ein schlechtes Vergnügen. Tausendmal hab ich mir gelobt, gleichgültig dagegen zu sein (au fond ist es gleichgültig), aber wenn einen dann die Zahl 510 anstarrt, 510 auf 60 Millionen Deutsche, die über die Welt hin wohnen, so kriegt man ein Zittern, und das Herz sinkt einem, um nicht einen drastischeren Ausdruck zu wählen."




[Fontanes Erzählung "Schach von Wuthenow" erschien als Erstausgabe in Buchform bei Wilhelm Friedrich, Leipzig, im November 1882.]








[Friedhof II der Französisch-Reformierten Gemeinde, Berlin, Juni 2013, Photo CE]
















Samstag, 15. Juni 2013

Vorweihnacht mit Cured Catherine (13): Wackeln im Sturm















Ich habe für eine Handvoll Euro einen Plattenspieler und dazu nun auch endlich die Charlotte Sometimes Maxi für noch eine Handvoll ersteigert. Es knistert und klingt nun ganz besonders curig in meinen vier Wänden – herrlich! Zusammensammlung aller fehlenden Platten wird folgen müssen. Auch schön: die guten alten Cover.

"Ungeduld des Herzens"? Hmhm, und wie hieß noch mal dieses Südstaaten-Nordstaaten-Epos mit Patrick Swayze, so ein Mehrteiler, den man sich immer wieder ansehen kann? Ihr Good–Old-Europe–Monopoly ist ja eine grandiose Idee!! Sollten Sie sich patentieren lassen. Obwohl - auf sowas kommt ja sonst niemand.

Ich lese grad das neue Werk von Zafón, "Das Spiel des Engels". Dachte schon, es sei nur ein schnell zusammengehauener Nachfolgeabklatsch von "Schatten des Windes", Verdacht bestätigt sich bisher nicht.

>Darf ich Ihnen eine Tasse Tee anbieten?< >Auch zwei. Und eine Bibel. Eine handliche, wenn möglich.< >Das dürfte kein Problem sein. Dalmau?< Ein Angestellter eilte herbei. >Dalmau, der liebe Martín benötigt eine Bibelausgabe nicht dekorativer, sondern lesbarer Natur. Ich denke an Torres Amat, 1825. Was meinen Sie?< Eine der Besonderheiten von Barcelós Buchhandlung war, dass hier von den Büchern wie von edlen Weinen gesprochen wurde – samt Bouquet, Aroma, Konsistenz und Jahrgang. >Vortreffliche Wahl, Senor Barceló, obwohl ich eher zur aktualisierten, duchgesehenen Ausgabe neige.< >1860?< >1893.< >Natürlich. Stattgegeben. Packen Sie sie dem lieben Martín ein, geht auf Kosten des Hauses.<

Sehen wir mal, was heute in Ihrem Adventskalender ist: ah ja, Weihnachten ist ja auch die Zeit der charmanten Charmeure der 50er.




 















Wackeln im Sturm! Lief mal vor dem Karton mit den wie Flüchtlingen sich zusammendrängenden Dingen, die keine Heimat mehr hatten. Lesley-Anne Down und "The Joshua Tree" gehören für mich auch untrennbar zusammen, die John Locke'schen Ideenverbindungen halt.

Plattenspieler, schick! Ich hab meinen auch noch, allerdings nur noch drei Singles aus den 60ern, zwei von Francoise Hardy und eine von Michel Polnareff, die wir mal bei einem Pariser Bouquinisten erwarben, der genauso aussah wie der jüngere Bruder von Michel Polnareff zu "La Poupee qui fait non"-Zeiten. Die Cover allein sind göttlich. Die erste LP, die ich erwarb, war übrigens "Sticky Fingers", die stellte ich immer auf die Tastatur eines 100-Mark-Klaviers. Das hatte hübsche Beine und ich hab mir später ein Regal aus denen gebastelt.

Bin schon puddingweich gekocht, ersinne Strategien für Weihnachtsbaumanschaffungsüberredung, will James Stewart mit Donna Reed und fürchtete vorhin schon, hierfür mit Pfeffernüssen vom letzten Jahr beworfen zu werden, aber wie kann man dem widerstehen? Raveonettes, Christmas Song.
 








 









Hah, Wackeln im Sturm, ja! Kirstie Alley als zickige Virgilia und diese puppige Blonde als Liebchengegenspielerin – zu schön. Und Madeline im Rotsamtenen an der Kirchenruine auf Orry wartend. Die Dinge, die sich "zusammendrängen wie Flüchtlinge", ein weiteres eindrucksvolles Bild aus Ihrem Hauptwerk. Ebenso wie die Worte: "Ich werde nicht mehr schön sein..." zusammengefasst ja auch in dem B-Seiten Stück von den Sisters "I don't exist when you don't see me, I don't exist when you're not here".

Sie bauten das Sticky Fingers-Klavier zum Regal um? Sehr schön. Ich verwarf die Idee, Klavier spielen zu wollen, während ich unter dem Wohnzimmertisch auf dem Teppich liegend meinem virtuos in die Tasten hauenden Bruder lauschte. Da hatte ich keine Chance. Nicht, dass ich es nicht versucht hätte, aber die Punkte und Striche auf den Zeilen blieben mir ein Rätsel und langweilten mich nur, während die Buchstaben in den Büchern aufgeregt riefen und winkten, bis ich mich ihnen wieder zuwandte. Heute morgen klaute ich mir drei Stunden und las Zafón aus. Urteil kommt noch. Auf die 50er kommen wir noch zurück, für heute - Advent, Tag 2: ein großartiger Song, - makes me dance - und ein gutes Video mit einer STORY, nämlich einem MÄDCHEN in einem KLEID und ihren rotzcharmanten RETTERN.
















 

Mädchen-Kleid-rotzcharmante Retter ist eine klasse Geschichte. Zum Regal, ja. Meine Mutter fand, es nehme nur Platz weg, nahm eine Axt und zerlegte es für den Sperrmüll. Unfaßbar, aber sie war immer eine unerschrockene Frau. Die Beine rettete ich, jetzt steht mein Selbstbau im bordellroten Korridor. Apropos Architektur, ich sagte ja schon, daß ich auf Ihr Urteil Häuser baue, muß mir dann nur noch einen Platz zum Zafón-Lesen suchen. "Assez, Christian!" (Thomas Mann, Buddenbrooks). Türchen:


















Süß ist die Frau Goldfrapp! She Wants Revenge sind ganz groß, ebenso wie die Editors. Bordellrot? Grins. Unsere Puppenstube erstrahlt in weiß, nur die Küche ist bordeauxrot getüncht. Zafón. Hm. Ich hatte erwartet, befürchtet, dass es ähnlich ist, und auch erhofft. Am Ende weiß man, es muß so sein. Gegen Ende wird es mir eine Spur zu brutal, aber das ist in Ordnung. Hab erst gedacht, die wunderbare Person fehlt, Sie wissen, wen ich meine, der Freund, der an der Seite bleibt bis zum bitteren Ende. Fehlt aber gar nicht, ist nur ganz anders und ganz wunderbar. Also, lesen! Egal wo, man vergisst eh Zeit und Raum und zieht solange nach Barcelona, in ein altes Haus mit einem Turm.
Tür: ^^



















Na toll, schieben Sie mich nur in eine Muppets-Nacht. Tigellinus, meine Tränenvase! Zafón. Hm. Hm. Bücherdiebstahl wird doch von den Göttern verziehen, oder? So, Sie wollten es nicht anders!



















Uaah, jetzt hab ich Monsterfutterklaubie – Q-CHEN!! :)

Ich bin da ja ganz altmodisch und leihe mir die Bücher wieder aus. Am Hühnerposten gibt es so einen Bestsellertisch mit den wichtigsten neuen Sachen gegen geringe Gebühr. Prima Einrichtung. Zwischen manchen Regalen fühl ich mich zuweilen wie auf dem Friedhof der vergessenen Bücher. Frau Paglia hab ich da auch ausgegraben. Da fällt mir ein, dass meine Saturntochter mir kürzlich einen Vortrag darüber hielt, dass sie "Miete zahlen" für absurd hält, schließlich müsse man ja irgendwo wohnen und es sei keinesfalls haltbar, dafür Geld zu verlangen.
















Saturnmädchen sind verkappte Altruisten. Sie haben ständig Pläne zur Weltverbesserung, die schlagend einleuchtend und radikal sind, müssen zur Umsetzung aber immer erst aus dem Blei raus. Auf dem Friedhof der vergessenen Bücher weilt doch bestimmt auch "Malpertuis" von Jean Ray? Es gab da mal eine phantastische Verfilmung mit Mathieu Carrière und Orson Welles, aber der Roman ist noch ein anderes Kaliber. Könnte Ihnen gefallen. 

Moi, ich fand es nicht fair, daß der Protagonist auch noch Christian hieß, ich liebe diesen Song mit David Bowie aus "Moulin Rouge", "Nature Boy", aber eben auch besonders in dieser Version mit Massive Attack, der Song ist eigentlich schon vorbei, und dann klingt es so, als würden sich die Maschinen nochmal von selbst anwerfen. Ich liebe das.







Und zum Nikolaus ein Nikolaus.